Engagierte Hingabe – Islam und Friede

Deutschland

13. Jan 2024

Am Freitag, den 12. Januar 2024, fand ein Vortrag der Akademie Völker und Kulturen statt zum Thema Islam und Frieden. Der Münsteraner Professor Dr. Mouhanad Khorchide motivierte mit vielen Gedanken, auf den Koran und seine Friedensperspektiven zu schauen.

Engagierte Hingabe – Islam und Friede

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide plädierte bei seinem Vortrag in der Akademie Völker und Kulturen am Freitag, den 12. Januar, für ein Verständnis des Islam, das die Gottesbeziehung in den Vordergrund stellt und dadurch allen Menschen in Frieden und Barmherzigkeit begegnen kann. Wegen des leidigen Bahnstreiks hielt Prof. Khorchide seinen Vortrag über das Internet, im Missionspriesterseminar folgten 35 TeilnehmerInnen seinen Ausführungen.

Der Münsteraner Professor wies einleitend auf die Aktualität mit ihren vielen Konflikten und Gewalttaten hin, für die oft zu einfache Erklärungen gesucht werden. Prof. Khorchide erteilt Versuchen eine Absage, die apologetisch mit alternativen Auslegungen des Koran das Problem von Gewalt und Religion bewältigen wollen. Tatsächlich muss man die Haltung von Religionen und Weltanschauungen der Gewalt gegenüber genauer und differenzierter betrachten.

Dazu erklärte Prof. Khorchide, dass das Wort „Islam“ sich eher nicht von salam = Frieden herleitet, sondern „Hingabe“ bedeutet, oft auch als „Unterwerfung“ bezeichnet. Mit der Hingabe ist gemeint, dass sich der Mensch ganz auf Gott ausrichtet und so in Freiheit sein Leben gestaltet. Daraus ergibt sich ein großes Potential für Frieden, ein Begriff, der im Koran 133 Mal vorkommt.

Friede ist dabei nicht nur die Abwesenheit von Krieg. Mit dem Krieg kommt auch ein anderer Begriff ins Spiel, der Dschihad. Prof. Khorchide erklärte, dass es im „kleinen Dschihad“ um Selbstverteidung geht, der „große Dschihad“ aber wichtiger ist und sich auf die Anstrengung des Menschen bezieht, gottgefällig zu leben. Es handelt sich also nicht um einen „heiligen Krieg“.

Prof. Khorchide sprach sich für eine historisch kritische Lesart des Koran aus. Dazu gibt es Unterschiede in den Suren, die am Anfang des Islam in Mekka entstanden und in einem geschichtlichen Kontext stehen. Daraus ergibt sich, dass in diesen Suren der Krieg völlig abgelehnt wird und die Muslime zur Gewaltlosigkeit aufgefordert werden. Als Mohammed und seine Gläubigen aus Mekka vertrieben wurden und sich in Medina niederließen, entstanden Suren, die der kriegerischen Auseinandersetzung positiv gegenüberstehen, weil ein ungerechter Krieg und die Verfolgung vorausgegangen waren. Interessant ist auch, dass in diesen Suren von den Muslimen gefordert wird, die Gotteshäuser, Synagogen und Kirchen zu beschützen und zu verteidigen. Darin zeigt sich eine Grundlage für die Religionsfreiheit.

Eine theologische Reflexion bildete sich im Islam erst relativ spät im 9. und 10. Jahrhundert heraus. In diesem Kontext werden Vorstellungen zum Frieden und dem Vorgehen im Krieg entwickelt, die sich spezifisch und detailreich auf den Umgang mit Gefangenen und dem Schutz von Zivilisten beziehen. In dieser Zeit entwickelte sich auch die theologische Vorstellung, dass die späteren Aussagen im Koran die früheren aufheben, die sog. Abrogationstheorie. Prof. Khorchide folgt nicht dieser Ausrichtung, sondern sucht einen historisch kritischen Zugang, der den jeweiligen Kontext ernstnimmt.

Dafür wies Prof. Khorchide auf das Menschenbild hin und stellte die Schöpfungsgeschichte dar: Dementsprechend stellte Gott Adam und Eva den Engeln vor. Gott forderte die Engel auf, sich vor dem Menschen zu verneigen (und nicht vor Gott!), weil der Mensch das Wichtigste der Schöpfung sei. Nur der Engel Satan verweigerte diese Ehrerbietung – die Missachtung des Menschen sozusagen als der Grund allen Übels.

Um zu einer Friedensethik zu kommen, glaubt Prof. Khorchide, dass man die eigene Religion nicht als exklusiven und einzigen Heilsweg sehen sollte, den Stellenwert des Menschen als „Kalifen“ (d.h. Stellvertreter, Ebenbild Gottes) anerkennen sollte und ein Urteil über das Handeln und die Geschichte Gott für den Gerichtstag im Jenseits überlassen sollte.

Leider war ein Austausch zu Fragen der TeilnehmerInnen nicht möglich, weil im Missionspriesterseminar die Internetverbindung zusammenbrach. Der Vortrag bot auf jeden Fall genügend Vorschläge, die kreativen Sichtweisen Prof. Khorchides auf den Koran und seine Friedensperspektiven zu vertiefen.

Christian Tauchner SVD

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