Spiritualität des Alters

Deutschland

02. Jan 2023

Pater Johannes Füllenbach SVD erinnert sich an seine aktive Zeit als Exerzitienmeister. Nicht selten wurde er von Ordensgemeinschaften und religiösen Gruppen eingeladen, über die Spiritualität des Alters zu berichten.

Spiritualität des Alters

In meiner über 45-jährigen Tätigkeit als Theologe, sowie als Leiter von Weiterbildung, Erneuerungskursen und Exerzitien für Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen - meistens Priester, Ordensleute und Katechetinnen und Katecheten, habe ich lernen müssen, wie unterschiedlich die Gottesbilder meiner Zuhörer-/innen waren. Negativ ging mir dabei oft erschreckend auf, welch verschrobenes, oft sogar unchristliches Gottesbild viele meiner Zuhörer/-innen mitbrachten. Es wurde mir immer einsichtiger, welch einen enormen, tiefgreifenden Einfluss das Gottesbild im Leben eines Menschen ausübt. Mir wurde immer bewusster, dass echtes Wachstum und Vertiefung geistigen Lebens wesentlich vom Gottesbild der Teilnehmer/-innen abhingen.

Wie wir Gott sehen und verstehen, wird zur Norm, wie wir uns selber, den Mitmenschen und unsere ganze Umwelt beurteilen und begreifen. Karl Rahner hat vor Jahren den Ausspruch getan: „Sag mir, welches Gottesbild du hast und ich werde dir sagen, wie du dich selber, den Mitmenschen und die Umwelt siehst und beurteilst“.

Im Gespräch über die Spiritualität des Alterns muss man daher bewusst zuerst das Gottesbild zur Sprache bringen und darf nicht das rechte Bild von Gott einfach voraussetzen. Man sollte nicht vergessen: die meisten von uns, die hier angesprochen werden sollen, sind aufgewachsen in einer Kirche, wo der Wandel zum rechten Gottesbild zur allgemeinen Katechese der Verkündigung wurde. Zugegeben, dass auch die Älteren heute mit diesem rechten Gottesbild Jesu weitgehend vertraut sind und auch viele darin tiefe Befreiung erleben, so zeigt die Erfahrung dennoch, dass viele Reste der alten Vorstellung im Unterbewusstsein fest verankert sind, die im Alter wieder hochkommen und Zweifel an einem bedingungslos liebenden Gott aufsteigen lassen, die dann die alten Ängste und Furcht von neuem auslösen, wenn es auf das Ende des Lebens zugeht.

Das neue Gottesbild eines liebenden Gottes steht bei älteren Menschen oft unversöhnt neben dem richtenden und strafenden Gott der Kindheit. So paradox es auch klingen mag, das eine kann die Furcht vor dem anderen oft nicht überwinden. Ein frohes, gelassenes, friedvolles, erfülltes und versöhntes Leben im Alter hängt im letzten weitgehend davon ab, welches Gottesbild ich mir zu eigen gemacht habe und wie ich mich selbst von diesem Gottesbild her jetzt verstehe und lebe.

Eines dürfen wir auch nicht übersehen: Im Alter wird das Glauben nicht fraglos leichter, alte Gewohnheit, Süchte oder auch Laster werden uns nicht weniger anfechten oder sogar überwunden. Sie können sogar noch stärker werden und uns unbarmherziger anfechten. Wir spüren, unsere Kräfte werden zu schwach, sie erfolgreich abzuwehren. Der jugendliche Elan und die jugendliche Begeisterung für Gott und sein Reich sind merklich abgekühlt, die natürlichen Kräfte sind mit den Schwächen des Alters abgeklungen.

Es mag überraschen, aber Interviews mit ehemaligen Ordensleuten haben gezeigt, dass eine beachtliche Zahl von solchen, die das Priestertum oder ihren Ordensberuf in älteren Jahren verließen, als zweiten oder dritten Grund für ihren Austritt oft Glaubensschwund oder sogar Glaubensverlust angaben. In einer Anzahl von Fällen hing es zusammen mit ihrem Gottesbild eines strengen, vergeltenden Gottes, den sie nie durch Leistung ihrerseits hätten versöhnen können. Und diejenigen, die mit demselben Gottesproblem nicht austraten, erlagen dann oft einem Zynismus Gott und der Kirche gegenüber, der ihnen jede Freude am Leben nimmt.

Wer sich nie um eine echte persönliche Gotteserfahrung bemüht hat und nie begriffen hat, dass das Wesentliche des Ordenslebens in der Suche nach Gott besteht und nicht darin, Gott zu besänftigen, um ihn durch Leistung zu versöhnen und durch Leistung den Himmel zu verdienen, für den wird Gott zu einem Problem, wenn ihm im Alter die Kräfte ausgehen, um Leistungen zu erbringen. Der Sinn des Lebens ist, sich von Gott lieben zu lassen und dadurch selber fähig zum Lieben zu werden und nicht, Verdienste zu sammeln, die mir den Himmel garantieren.

Unsere wahre Identität ist nicht, auf Amt und Beruf aufzubauen, sondern allein von der Tatsache her, dass jeder von uns Gottes unendlich geliebtes Kind ist. Wer seine Identität von seiner eigenen Leistung her ableitet, wird im Alter, wenn beides, Amt und Beruf, nicht mehr zählen, ein ernstes Problem bekommen. Hat man vor lauter Aktivität die kontemplative Lebensweise vernachlässigt, nicht gepflegt, kann uns Gott nach und nach abhandenkommen. Man findet die Verbindung nicht mehr. Unsere wahre Identität ruht auf dem Glaubenswissen, dass wir unendlich kostbar und geliebt sind, dass Gott sich um einen jeden persönlich kümmert.

Kurz gesagt: Nichts in meinem Leben, sei es Krankheit, Unglück, Unfall, Zusammenbruch, Enttäuschung, Leiden oder Angst geschieht als eine Bestrafung Gottes. Mein Leben findet nun einmal in dieser Welt mit all ihren negativen Gegebenheiten statt. Ich muss Gott ganz vertrauen, dass er mit grenzenloser Liebe und Mitleiden mit mir geht, um mich umzuformen in die vollendete Person, die er als sein Abbild geschaffen hat. Christus ist das vollendete Bild eines jeden Menschen. Darum wird Paulus nicht müde, uns immer wieder zu ermahnen: Lasst euch durch den Geist umwandeln in das Bild Christi, damit ihr ihm immer ähnlicher und so zur Vollendung eures Lebens gelangen werdet. Nur so können wir am Neuen Leben in Gott teilnehmen (Röm 8:29).

Staunen, Dankbarkeit und Gelassenheit sollten die Grundhaltungen meines Lebens werden mit dem untrüglichen Wissen, dass am Ende alles gut sein wird. Denn ich weiß mit Sicherheit, dass ich unendlich geliebt bin und nichts zu fürchten habe, wenn ich im Tod dem Herrn gegenübertrete. In den Worten von Papst Benedikt heißt es:

"Ich bin definitiv geliebt, und was immer mir geschieht - ich werde von dieser Liebe erwartet." (Benedikt XVI.)

"Gott nimmt uns an, weil er uns liebt, und nicht wegen irgendeines Wortes, das wir sagen, oder irgendeiner Handlung, die wir vollbringen." (Paul Tillich).

Johannes Füllenbach SVD

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen