Spiritualität in Zeiten des Umbruchs

Deutschland

22. Feb 2023

Pater Arnold Janssen hat dem Steyler Orden ein spirituelles Erbe hinterlassen. Nun ist es an den Steyler Missionaren, sein Erbe zu leben und zu gestalten. In einer Umfragen beschreiben die Missionare den Umgang mit der Spiritualität.

Spiritualität in Zeiten des Umbruchs

„Ich wünsche allen Mitbrüdern, dass sie die Frage (nach Veränderungen in ihrer Spiritualität) mit Ja beantworten können. Denn wir verändern uns ständig im Laufe unseres Lebens. Unser Glaube und unsere spirituelle Praxis müssen mitwachsen und sich verändern können. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sie zu einer starren Ideologie werden oder zu lebensfernen Ritualen. Und irgendwann - besonders in Krisenzeiten - merkt man dann, dass sie wie ein altes Kleid sind, das nicht mehr passt. Wie ein Kleid aus Kindertagen, in dem man als Erwachsener lächerlich aussieht. Auch unser Glauben muss erwachsen und reif werden. In diesem Sinn bin ich dankbar für die Kleiderwechsel meines Lebens. Sie waren mit teilweise schmerzhaften Abschieden verbunden. Aber meine Spiritualität wurde dadurch lebendiger, freier, tiefer, ganzheitlicher. Sie ist wie ein Kleid, das in Wintertagen wärmt, das aber auch in Sommertagen nicht einengt oder bedrückt.“

„Die Frage, was sich an der Spiritualität geändert hat, kann ich gar nicht so leicht beantworten. In alten Briefen von Arnold Janssen ist oft vom Willen Gottes, vom eifrigen Gebet und vom Gehorsam die Rede und vom Aufbau verschiedener Werke und Gebäude. Häufig findet sich dabei auch ein gewisser Leistungsgedanke und damit verbundene optimistische Einstellung: Mit viel Gebet und Unterordnung unter den Willen Gottes wird es schon laufen. Es wurde sehr viel Wert auf äußere Formen und korrekte Abläufe gelegt. Auffällig war, dass die Steyler Mission früher mit einem starken Sendungsbewusstsein auftrat. Dabei ging das „Senden“ hier von Europa, bzw. von Deutschland aus in die ganze Welt. Heute versteht man Mission eher als Dialog. Man ist eher bereit, die menschlichen Kostbarkeiten und den Reichtum anderer Kulturen anzuerkennen. Das geht so weit, dass sich Deutschland und Europa selbst als Missionsland versteht und folglich auch Mitbrüder aus anderen Kulturen hierherkommen und „missionieren“. Sie kommen aber eher mit dem Reichtum ihrer Person und ihrer Kultur, um uns hier zu beleben. In Deutschland sind wir zu Empfängern geworden und die SVD ist in Deutschland nicht überlebensfähig ohne die Missionare aus anderen Ländern. Diese Öffnung ist noch im Gange und führt zu einer ständigen Neuorientierung.“

„Ob sich meine Spiritualität im Laufe meines Ordenslebens gewandelt hat, weiß ich nicht so genau. Aber ganz sicher hat sich mein Gebetsleben verändert, weil sich ja das Steyler Ordensleben in den letzten Jahren massiv verändert hat. Habe ich in den ersten Jahren noch mit einer großen Gemeinschaft zusammen regelmäßig das Stundengebet oder den Rosenkranz gebetet, liebe ich es heute zunehmend, wenn möglichst wenige Worte gemacht werden im gemeinschaftlichen oder persönlichen Gebet. Ich halte es da ganz und gar mit dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard, der folgendes an sich beobachtete: „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörender. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.“

„Meiner Meinung nach endete die ursprüngliche SVD-Spiritualität, wie sie von Arnold Janssen entworfen und von den ersten Generationen der Steyler Missionare praktiziert wurde, mit ihrem Schwerpunkt auf Bekehrung und Verbreitung der westlichen Zivilisation, praktisch im Laufe der 1960er und 1970er Jahre. Diese Zäsur war geprägt durch das Zweite Vatikanische Konzil, die Entkolonialisierung und den so genannten "Entwicklungsdiskurs" mit seiner Ausrichtung auf Projekte und wirtschaftliche Entwicklung. Seither haben wir diese nicht enden wollenden Diskussionen über „Steyler Identität“. Es ist eine wahre Identitätskrise. Dennoch würde ich in Anbetracht meiner Missionserfahrung sagen, dass sich ein wesentlicher Bestandteil der ursprünglichen Steyler Spiritualität überhaupt nicht verändert hat, nämlich der Auftrag, das Kerygma über Jesus Christus zu verbreiten, ohne dabei die materiellen und sozialen Aspekte der Mission zu vergessen. Wir müssen keine unmittelbaren Ergebnisse davon sehen. Es genügt, mit den Menschen über Jesus Christus zu sprechen, „die Kranken zu heilen, die Aussätzigen zu reinigen“ (Mt. 10, 7-8). Protestanten in Lateinamerika und anderswo tun genau das, und sie sehen, wie Menschen ihr Leben Jesus anvertrauen. Ist es nicht das, was die Generationen von Missionaren seit Jahrhunderten getan haben? Ja, es stimmt, es gab eine enge Verbindung zwischen der Mission und der Kolonisierung; ja, es gab einen Einfluss auf die lokalen Kulturen, aber sollten wir jetzt zu den afrikanischen, lateinamerikanischen oder asiatischen Katholiken sagen: „Hey, alles, was die früheren Generationen von Missionaren gemacht haben, war falsch. Das tut uns leid“? „Wenn wir das tun, dann deshalb, weil nicht so sehr unsere Steyler Identität, sondern vielleicht unser Glaube an den in der Geschichte wirkenden Gott in der Krise ist."

Text: Redaktion Steyler aktuell

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