Das Land der weinenden Seelen

Deutschland

19. Jun 2023

Die Steyler Missionare sind auch in der Zeit des Krieges bei den Menschen in der Ukraine und teilen mit ihnen ihr Schicksal. Pater Václav Mucha SVD und Pater Krzysztof Kolodynski SVD waren bei ihnen und dokumentierten ihre Arbeit.

Mutter Ludmila

In den Geschäften und auf den Straßen herrscht eine ganz alltägliche Betriebsamkeit. Vom Krieg merkt man zunächst gar nichts. Ukrainische Soldaten mit schweren Waffen auf den Bildborden könnten genauso ein Hinweis für einen Kinofilm sein. Das ist aber nicht der Fall. Die Ukraine befindet sich in einem grausamen Krieg.

Am 14. Mai machte wir uns auf den Weg in die Ukraine. Ich und mein polnischer Kollege und Mitbruder, Pater Krzysztof Kolodynski SVD, nahmen uns vor, als Koordinatoren für Kommunikation der Steyler Missionare aus Deutschland und Polen und im Auftrag von steyl-medien die Steyler Mitbrüder und die Missionsschwestern in der ukrainischen Gemeinde Vierzboviec zu besuchen und ihre Arbeit in der aktuellen Kriegssituation zu dokumentieren.

Vor der Abreise wurden wir auf die strenge Kontrolle und lange Wartezeiten am Grenzübergang aufmerksam gemacht. Zu unserer großen Überraschung waren wir fast allein an der Grenze, als wir dort ankamen. Dass wir so schnell und ohne Stress über die Grenze kamen, hatten wir vielleicht auch unserer Schwester Daria SSpS zu verdanken, die uns in Polen abholte. Durch ihr Ordenskleid war es offensichtlich, dass sie eine Ordensfrau ist. Nach einer freundlichen Kontrolle der Pässe setzten wir unsere Reise fort. Gleich hinter der Grenze sahen wir viele überfüllte Müllcontainer und einige Hinterlassenschaften von den Menschen, die über die Grenze Richtung Polen und Deutschland geflüchtet waren.

Pater Václav Mucha SVD
Pater Krzysztof Kolodynski SVD

Kurz vor der Ankunft am Ziel in der Gemeinde Vierzboviec wurde ich ein bisschen an meine Kindheit in der Slowakei erinnert. Man musste ein Genie sein, um all die Löcher in der Straße zu umfahren, damit das Auto zu keinem Schaden kommen sollte. Der Weg war holprig und zum Teil auch lebensgefährlich. Darauf machten auch die Kreuze am Straßenrand aufmerksam, wo einige Autounfälle passiert waren. Angekommen am Ziel unserer Reise waren wir sehr überrascht, eine wunderschöne Oase entdeckt zu haben, die kleine Niederlassung unserer Mitbrüder und Missionsschwestern.

Die nächsten drei Tage waren eine anstrengende Zeit der Konfrontation mit vielen erschütternden Lebensgeschichten der Menschen in der Ukraine, die den Krieg erleben und ertragen müssen. Ein Soldat, der gerade verwundet von der Front zurückgeschickt wurde und zu Hause drei Kinder zu versorgen hat, sagte uns: „Ukraine ist unsere Heimat und wir werden sie verteidigen, bis der Aggressor sie verlassen hat, denn ich wünsche mir für meine drei Kinder nichts anders mehr, als dass sie im Frieden aufwachsen können.“ Die junge Mutter Ludmila wurde viel schlimmer vom Schicksal dieses Krieges getroffen. Ihr 21-jähriger Sohn wurde schon am ersten Tag des Krieges eingezogen und kam an demselben Tag durch einen Bombenangriff ums Leben. „Ich kann nicht mehr weinen, denn ich habe keine Tränen mehr, aber meine Seele weint ununterbrochen“, sagte die junge Mutter. Es gibt keinen größeren Schmerz als der einer Mutter, die ihren eigenen Sohn in diesem brutalen Krieg verloren hat.

Die Steyler Schwestern und Mitbrüder wie auch die Menschen in der Gemeinde Vierzboviec öffneten ihre Häuser, um den Menschen auf der Flucht zu helfen. „Es waren Hunderte von Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind“, sagte Pater Wojtek. Ihr Weg führte mitten durch ihre Gemeinde. Die Schwestern entschieden sich auch, nach Polen in Sicherheit zu gehen, einige von ihnen kehrten jedoch wenige Tage später wieder zurück. Pater Wojtek sagte: „Ich gehe nirgendwohin. Ich bleibe hier bei den Menschen, die nicht fliehen können.“

Gespräch mit Jugendlichen
Steyler Missionsschwester

Beeindruckend war zu hören, was den Menschen in dieser schwierigen Situation und Lebenslage Kraft schenkt. Es ist der Glaube und das Gebet für den Frieden. „Niemand ist ohne Fehler, wir haben alle etwas falsch gemacht. Deshalb brauchen wir Gott, die Ukrainer und auch die Russen, damit es wieder zum Frieden kommen kann“, sagte Schwester Maria SSpS. Sie ist die erste Schwester in der Geschichte der Kongregation der Steyler Missionsschwestern aus der Ukraine, die dem Orden beigetreten ist.

Der Aufbruch und die Rückkehr nach Polen und Deutschland war wie der Krieg selbst. Um 3.00 Uhr morgens legten wir los, erfüllt von starken Gefühlen und Erlebnissen in voller Dunkelheit. Immer wieder kam uns der Gedanke, es könnte uns unterwegs eine Bombe treffen, denn mit dem Fernlicht des Wagens auf der dunklen Straße hätten wir leicht als ein klares Ziel des Feindes verwechselt werden können. Dazu ist es nicht gekommen, aber die Schicksale der Menschen haben uns wie eine Kugel mitten ins Herz getroffen, berührt und bewegt. „Wir brauchen Gott, damit es wieder Frieden geben kann“, diesen Gedanken von Schwester Maria nahmen wir mit als einen Wunsch für die Beendigung des Krieges und für eine friedvolle Zukunft der Menschen in der Ukraine.

Pater Václav Mucha SVD

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