Die Suche nach Harmonie

Deutschland

11. Mär 2023

Prof. Dr. Reinhard Zöllner hielt am vergangenen Freitag den letzten Vortrag der Akademie Völker und Kulturen 2022/23. Im Vortrag ging es um die „Verletzlichkeit und die soziale Dimension der Gefühle in Japan“.

Die Suche nach Harmonie

Ein geordnetes und solidarisches Zusammenleben wird in Großstädten Japans als erstrebenswertes Ziel vorgestellt, das allerdings erst in einem kommenden Zeitalter verwirklicht werden könnte. Damit schloss Prof. Dr. Reinhard Zöllner am Freitag, dem 10. März 2023, seinen Vortrag in der Akademie Völker und Kulturen im Missionspriesterseminar St. Augustin. Im Vortrag ging es um die „Verletzlichkeit und die soziale Dimension der Gefühle in Japan“.

Dr. Zöllner nahm seinen Ausgangspunkt von der „Resilienz“, der Fähigkeit des Menschen, mit Schwierigkeiten im Leben umzugehen. Der Bonner Professor verwies auf die häufig wiederkehrenden Naturkatastrophen in Japan und anderen Ländern hin, in denen sich zeigt, dass Japan, Taiwan und Deutschland sich kaum unterscheiden, was die Resilienz angeht. Einzig auf allgemein gesellschaftlicher Ebene sieht sich Japan deutlicher gefährdet als etwa Deutschland – in Schwierigkeiten könnte sich ein Mensch in Japan weniger auf Hilfe durch die Gesellschaft verlassen. Daten zu Selbstmord im internationalen Vergleich und im spezifischen Fall von Japan zeigen, dass große Katastrophen weniger Einfluss darauf haben als etwa die Einsamkeit während der Covid-Pandemie, und da besonders bei japanischen Jugendlichen, bei denen die Selbstmordrate bedrohlich angestiegen ist, als sie pandemiebedingt nicht in Schulen zusammenkommen konnten.

Bei den Haltungen dem Leben gegenüber wies Prof. Zöllner auf unterschiedliche Perspektiven hin, die die Kommunikation des Menschen bestimmen. Aus einer für Japan bestimmenden konfuzianischen Betrachtungsweise stellt die Verbundenheit und gegenseitige Abhängigkeit einen hohen Wert dar. Für den Menschen geht es um die Zwischenmenschlichkeit und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Das Hauptziel von Kommunikation und Begegnung ist die Wahrung und Herstellung von Harmonie. Dafür müssen besonders auch die Gefühle eines Gesprächspartners beachtet werden, über alle rationalen Sachargumente hinaus. Daher werden in der Kommunikation die Gefühle zu „sozialen Schnittstellen“, an denen die Beziehungen gestaltet werden, führte Zöllner aus.

Für diese Auffassungen spielen auch buddhistische Einsichten eine wesentliche Rolle: Dort geht es um sieben grundlegende Gefühle (Freude, Wut, Trauer, Angst, Liebe, Hass, Verlangen), die an sich neutral sind. Sie werden aber durch „vier Anfänge“ gestaltet, wie der Weise Mencius lehrte, durch die sie ihre positive oder negative Ausprägung erhalten.

Lotus

Als wesentliche Haltung wird das Mitleid angesehen, möglicherweise symbolisiert gerade auch in der Lotusblüte, die selbst im Sumpf blüht und sich in den Himmel streckt. Allerdings richtet sich in der japanischen Kultur das Mitleid vor allem auf die eigene Gruppe und Familie, auch in Vergangenheit und auf Zukunft, also die Verstorbenen und die nächsten Generationen, denen man Gutes tun will. Dagegen wird Hilfe anderen Menschen außerhalb der eigenen Gruppe gegenüber eher nicht gepflegt. Daher zeigt sich überraschenderweise, dass gerade die ländlichen Bereiche, in denen man sich gut kennt, die soziale Verletzlichkeit und Unsicherheit am größten ist. Es gilt als Ausdruck großer Freiheit, an der Gemeinschaft nicht teilzunehmen.

Dagegen entwickeln sich allerdings auch andere gesellschaftliche Entwürfe, die gerade eine Praxis von Mitleid und Solidarität über die eigene Gruppe hinaus als erstrebenswert vorstellen – allerdings wahrscheinlich erst in einem „nächsten Zeitalter“, wie Prof. Zöllner mit einem Plakat aus Kyoto abschließend ausführte.

Christian Tauchner SVD

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