Aufbruch zu neuen Ufern

Deutschland

23. Feb 2022

Pater Thomas Heck SVD übernimmt ab April 2022 in Nemi, bei Rom, eine neue Aufgabe für die internationale Steyler Gemeinschaft. Wir haben mit ihm ein Interview geführt.

Aufbruch zu neuen Ufern

Leben in einer „experimentellen“ Ordensgemeinschaft, wie muss man sich das vorstellen?
Nach fast zehn Jahren in der JETZT-Gemeinschaft fühlen wir uns nicht mehr wirklich experimentell. Unser Zusammenleben ist sicher etwas Neues, vielleicht Ungewohntes, aber es funktioniert gut, es ist bereichernd. Das hat auch Schwester Maria so empfunden, die uns wegen einer neuen Aufgabe für die SSpS in Brixen verlassen hat. Es ist ihr schwergefallen, denn es war für sie und ist für uns eine wertvolle Zeit, das Leben im Miteinander von Männern und Frauen zu gestalten und zu leben.

Ist denn der Austausch anders als in einer reinen Männergemeinschaft? Wie äußert sich das im Alltag?
Zunächst einmal bringen wir ja unterschiedliche Schwerpunkte ein. Die Dominikanerinnen leben nach der Ordensregel des Hl. Dominikus. Katharina von Siena und die Hl. Maria Magdalena spielen für sie eine große Rolle, werden geehrt und gefeiert. Wir Steyler sind ja eine Missionsgesellschaft, die sich Konstitutionen gegeben hat. In unserem Wohn-, Bet- und Allzweckraum hängen Bilder unserer Heiligen und wir begehen die jeweiligen Feiertage gemeinsam. Die Dienste für die Gemeinschaft teilen wir nach Fähigkeiten und Neigungen auf. Am Abend treffen wir uns zum Austausch. Durch die verschiedenen Tätigkeiten, aber auch die unterschiedlichen Perspektiven von Frau und Mann gibt es ein reiches Gespräch. Aber es gilt der dominikanische Wahlspruch: „Gemeinschaftsleben ist die erste Verkündigung“, also die Botschaft des Evangeliums gemeinschaftlich zu leben und somit zu verkündigen, auch durch die Predigt. Dazu kommt das Kontemplative, das Meditieren des Evangeliums, das ist auch etwas sehr Verbindendes mit uns Steylern.

Wie geht es denn weiter mit der JETZT-Gemeinschaft?
Wir sind zurzeit auf der Suche nach neuen Ordensleuten, die im Jetzt mitleben wollen. Später könnten wir uns auch vorstellen, andere interessierte, spirituell suchende Menschen aufzunehmen, aber dafür brauchen wir erst mal wieder eine stabile Gemeinschaft, weil jetzt halt viel Umbruch da ist.


Jetzt-Gemeinschaft
Jetzt-Gemeinschaft

Was ist dir wichtig am Ordensleben?
Unsere beiden Orden sind ja sehr missionarisch ausgerichtet und das ist uns auch ein Anliegen, hier in diesem Haus, in der Pfarrei und der Gegend auf unsere Weise missionarisch zu wirken. Kranken Nachbarn Essen bringen, eine Krankensalbung spenden, seelsorgliche Gespräche oder durch Engagement im Casino-Café, wo man sich zweimal wöchentlich trifft, natürlich jetzt durch Corona erschwert. Am Ordensleben ist mir wichtig, dass wir als Menschen, die diesem Ruf gefolgt sind, wirklich eine gemeinsame Basis haben, die verbindet. Wo ich auch hingehe, kann ich darauf vertrauen, dass mich in und meine Ordensbrüder viel Gemeinsames trägt. Dass wir eine Basis haben über Kulturen oder persönliche Interessen hinweg. Stärker noch als in einer Familie, sind wir im Geistigen, Spirituellen eng verbunden. Das ist für mich sehr wertvoll, das freut und trägt mich.

Im Erzbistum München bist du Leiter für Cursillo. Was hat es damit auf sich?
Cursillo ist eine Glaubenserneuerungsbewegung, bei der es vor allem darum geht, Christen ihre eigene Würde bewusst zu machen und ihnen Mut zu geben für ihren eigenen persönlichen Auftrag beim Mitwirken für das Reich Gottes. In den letzten Jahren ist für mich Cursillo ein bisschen wie die Arche Noah geworden, mitten in Strömungen einer Kirche, in der ich mich immer weniger beheimatet fühle. Diese ewigen Diskussionen, ohne ein Schrittchen nach vorne, mehr und mehr an der Wirklichkeit der Menschen vorbei. In diesen kleinen, charismatischen Gemeinschaften, die sich durch den Cursillo bilden, ist jede/-r willkommen, ohne Bedingungen. Wichtig ist hier die persönliche Erfahrung, von Gott angenommen, geliebt zu sein. Die eigene Würde zu erfahren und eigene Gaben zu entdecken. Nach dem Kurs finden Teilnehmende sich in Weggemeinschaften regional zusammen, zum Austausch über den Glauben, zum Bibelteilen und Agape feiern und zur gegenseitigen Unterstützung. Wir begleiten die Cursilistas natürlich und bieten Nachtreffen an. Aber wenn es keine Gruppe in der Nähe gibt, kann man auch anderweitig das Leben in seiner Gemeinde, in der Kirche, mitgestalten. Für mich ist das eine Art, wie Kirche Zukunft hat. Dieses von der Struktur denken, von ganz oben herab runtergefiltert immer mit vielen Verboten, Vorgaben und Einschränkungen, das lassen sich Menschen heute nicht mehr bieten und das finde ich gut. Und Cursillo arbeitet von unten, fängt mit jedem einzelnen Menschen an und ermutigt ihn, seinen Weg zu finden und zu gehen und Gemeinschaft zu schaffen.

Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt nach Italien gehst?
Die Anfrage des Generalats, ob ich mir vorstellen könnte, die geistliche Leitung der Nemi-Kurse zu übernehmen, kam für mich überraschend. Denn ich habe viele Aufgaben und Verpflichtungen hier und bin in Prozesse involviert. Die Nemi-Kurse für Steyler Mitbrüder und Schwestern aus der ganzen Welt dauern vier Monate und sind auf Englisch oder Spanisch. Es sind Erneuerungskurse, Kurse für Ausbilder, Drittes-Lebensalter-Kurse, Bibelkurse, Exerzitienangebote und anderes mehr. Meine Aufgabe in dem internationalen Team wird neben der spirituellen Leitung die geistliche Betreuung der Teilnehmer/-innen sein. Ich gestalte spirituelle Themen in den Kursen selber mit, es gibt auch in jedem Kurs Exerzitien, die begleite ich natürlich auch mit und bin sonst auch immer einfach dabei und insofern Ansprechpartner, Kommunikator und auch Verbindungsmann.

Gott - Wir - Ich
Cursillo

Es wird also sehr anders. Freust du dich auf die neue Aufgabe?
Die Freude hält sich noch ein bisschen in Grenzen. Ich bin noch sehr damit beschäftigt, das alles hier in gute Hände weiterzugeben. Und natürlich wird der Abschied auch mir schwerfallen. Es wird eine sehr große Umstellung, wieder zurück in eine Männergemein-schaft zu ziehen. Die Mitbrüder aus der ganzen Welt sind natürlich ein anderes Publikum als Gemeindemitglieder oder einfach Suchende.

Hast du dir Ziele gesetzt?
Meine Zielsetzung ist wie beim Cursillo: eine Spiritualität, die offen ist für Veränderung, für persönliche Wege, für das eigene Wachsen und die Achtsamkeit. Diese Themen werde ich einbringen, um ein Bewusstsein zu schaffen für die Phasen und den Weg des spirituellen Wachstums. Das ist für mich die Grundlage, die uns helfen könnte, die gegenwärtige Blockade in der Kirche, die zumindest im europäischen Kontext ja ganz stark da ist, zu überwinden. Es ist mir ganz wichtig, ein Bewusstsein zu fördern, das die Menschen nicht hindert, sondern gerade dabei unterstützt, ihren persönlichen Weg der Reifung und Entwicklung zu gehen. Sie dabei zu begleiten, zu fördern und mitzugehen. Nicht als die, die schon alles wissen, oder die sagen, so, du musst aber in diesen vorgegebenen Rahmen passen, nein, sondern als Begleiter, als Ermöglicher, als Befähiger, Unterstützer sozusagen.

Wir sind gespannt. Viel Erfolg dabei und Gottes Segen für die neuen Aufgaben.

Interview: Renate Breuer
Fotos: Jetzt-Gemeinschaft

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