Entscheidung für offene Türen

Deutschland

05. Jun 2022

Geist Gottes geleitet in die Gemeinschaft. Das ist ein Aspekt der christlichen Botschaft, die uns am Pfingsten deutlich wird. Es ist der Geist, der lebendig macht und zur Fülle des Lebens führt.

Entscheidung für offene Türen

Wir feiern Pfingsten, das Geschenk des Heiligen Geistes. Wenn wir auf die Situation der Jüngerinnen und Jünger Jesu nach Ostern blicken, dann war die nicht ganz einfach. Der Tod Jesu lässt seine Anhänger sehr verunsichert zurück und die Auferstehung gewinnt erst langsam Raum in ihrem Bewusstsein. Diese Erfahrung, die – wie es das Neue Testament darstellt – durch verschiedene Begegnungen mit dem „Auferstandenen“ genährt wird, bewegt sich zunächst im internen Kreis der Anhänger Jesu. Man trifft sich und spricht über das, was sich seit Karfreitag ereignet hat. Der Getötete ist weiterhin mitten unter ihnen präsent. Diese ganz besondere Weise seiner Präsenz eröffnet Leben. Der Tod Jesu hat sie nicht auseinandergetrieben, aber sie bleiben in ihren Räumen, die sie ängstlich verschließen (Joh 20,19). Sie sind vorsichtig, wollen nicht wie Jesus gefoltert und gekreuzigt werden. Und er kommt zu ihnen, sie erfahren ihn mitten unter sich – lebendig, mit einem Auftrag für sie.

An Pfingsten wird das alles klarer. Plötzlich weht ein anderer Geist, der die Verzagtheit überwindet und erstaunlichen Mut verleiht. Die Türen werden geöffnet, die Jüngerinnen und Jünger gehen raus und beginnen zu reden, und zwar in aller Öffentlichkeit. Die, die ängstlich verstummt waren, beginnen zu sprechen. Das ist riskant, denn mit ihren Worten werden sie als Anhänger Jesu erkennbar und könnten ebenfalls getötet werden. Aber sie scheuen das Risiko nicht. Sie wollen keine Mauern mehr, die abgrenzen. Sie entscheiden sich für offene Türen.

Und sie haben sich auf den Weg gemacht, um sein Wort allen weiterzusagen – mit ihrem Leben und mit ihren Worten. Daraus ist Kirche geworden, vom Geist geleitete Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger Jesu, die aus der Erinnerung daran lebt, dass er kurz vor seinem Tod am Kreuz seine Anhänger zu jenem letzten großen Mahl eingeladen hat, in dem er sich selbst zum Geschenk machte. Dieses Geschenk – sein Leib und sein Blut – verleiht alltäglich Orientierung, Beharrlichkeit und Mut.

So werden Pfingsten und die uns in der Bibel überlieferte Erinnerung an die Anfänge des Christentums zu wesentlichen Orientierungspunkten für unser eigenes christliches Leben, gerade heute. „Der Zustand der katholischen Kirche erinnert heute in vielem an die Situation kurz vor der Reformation. Als die unvorstellbar große Zahl an Fällen sexuellen und seelischen Missbrauchs aufgedeckt wurde, hat dies die Glaubwürdigkeit der Kirche erschüttert, und es stellten sich viele Fragen, die sich auf das gesamte System der Kirche bezogen. Die geschlossenen und leeren Kirchen während der Zeit des Coronavirus habe ich als prophetisches Warnzeichen wahrgenommen: So kann der Zustand der Kirche bald aussehen, wenn sie nicht eine Verwandlung durchmacht.“ (Tomáš Halík)

Verwandlung hat auch damit zu tun, dass wir neu entdecken, wie wir unser Leben mit anderen teilen können (102. Katholikentag). Dazu hilft es, auf die Verheißung Jesu zu schauen, nach der die Jüngerinnen und Jünger, die er sendet das Geschenk des Heiligen Geistes erhalten werden, ohne den sie nichts sagen können (Apg 1,8: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“).

Text: Pater Martin Üffing SVD

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