Gemeinschaft als Ziel

Deutschland

29. Dez 2022

Als Mitarbeiterin im Bereich der Seniorenpastoral im Wendelinusheim pflegt Sandra Kuhn ein vertrautes Miteinander mit den Steyler Mitbrüdern. Die Redaktion von Steyler aktuell hat mit ihr über die Zukunft gesprochen.

Gemeinschaft als Ziel

Wie ist aus Ihrer Sicht die Situation in St. Wendel?
In St. Wendel ist etwas in Bewegung gekommen. Das Ergebnis der Befragung von Mitarbeitenden und Mitbrüdern und der Wechsel der Pflegdienstleitung haben viele Fragen aufgeworfen, wie es nun weitergehen wird. Die kommissarische Pflegedienstleitung steht vor einer großen Aufgabe. Es gab einige Punkte die bei der Befragung zur Sprache kamen und umgesetzt werden müssen. Als pastorale Begleiterin bin ich nun dem Rektor des Hauses, Pater Heinz Schneider SVD, direkt unterstellt. Seit der Organisationsänderung, die Missionshaus und Wendelinusheim unter eine Leitung gestellt hat, ist P. Schneider im Wendelinusheim sehr präsent geworden. Wir sind kein Altenheim wie andere, denn bei uns ist Spiritualität wichtig. Von den 60 Mitbrüdern ist etwa ein Drittel aktiv bei meinen wöchentlichen Angeboten wie Rosenkranzgebet, Andachten oder Bibelteilen dabei. In unseren Gruppen, besonders in der Bibelgruppe, sind großes Vertrauen und ein gutes Miteinander entstanden. Ich bin in Teilzeit tätig und vor allem nachmittags im Haus. Da mein Arbeitsumfeld stetig wächst, kommen die Einzelgespräche, die besonders wichtig sind, auch schon mal zu kurz, was ich sehr bedauere, da es mir sehr wichtig ist, die Mitbrüder aufzufangen und ein schönes Miteinander zu schaffen. Man könnte eine "Kreativ Woche" gestalten, bei der jeder zu Wort kommt und sich Gedanken machen kann „Wie könnten die Veränderungen im Wendelinusheim aussehen: In meinem Alltag? In meiner Freizeit?“

Was macht das Pastoralteam?
Zum Pastoralteam gehören neben dem Rektor, P. Heinz Schneider SVD, der Beauftragte für Seniorenpastoral, P. Vinh Vu SVD, sowie die Sekretärin des Rektors (für Sitzungsprotokolle) und ich. Wir bemühen uns, das spirituelle sowie das alltägliche Zusammenleben so zu gestalten, dass es den Mitbrüdern gerecht wird und dass möglichst alle, auch die demenziell veränderten, nach ihrem Ermessen am Ordensleben und generell am alltäglichen Leben im Wendelinusheim teilhaben können, ganz im Sinne der SVD Konstitution (414): „ Krankheit und Alter dürfen uns nicht daran hindern, unser Leben weiterhin als missionarischen Dienst zu sehen und die Aufgabe wahrzunehmen, die wir im Volke Gottes noch zu erfüllen haben. In diesem Lebensabschnitt ist das Gebet dann die missionarische Aufgabe.“ Das Konzept der Seniorenpastoral hat das Ziel, aus dem Miteinander der Bewohner ein Füreinander im Sinne gegenseitiger Weggefährtschaft, getragen von Achtung und Zuwendung, zu machen. „Miteinander leben - Miteinander beten - Gemeinsam im Glauben reifen“. Dazu versuchen wir die Mitbrüder schon bei der Planung einzubeziehen, sie dürfen die Angebote mitgestalten, sowie auch das Mitgestalten von Andachten und Impulsen, für das Rosenkranzgebet ... und noch vieles mehr.

Sandra Kuhn mit Pater Kuhn
Hauskapelle

Welche Angebote gibt es für Mitbrüder?
Wenn ich so darüber nachdenke, wird sehr viel angeboten. Es beginnt mit einem Begrüßungsnachmittag für neue Mitbrüder. Individuelle Hausführungen, damit sie sich schneller zurechtfinden und wohlfühlen können. Es gab mal eine sogenannte „Nikodemusrunde“, bei der viele Wünsche und Anliegen der Mitbrüder miteinander thematisiert, gemeinsam geplant und ausgewertet wurden. Sie ist leider ein wenig eingeschlafen. Vielleicht sollten wir sie wieder ins Leben rufen?! Neben den regelmäßigen Bibel- und Gebetstreffen gibt es immer wieder mal Konzerte z.B. mit Saxophon und Gitarre, wir hatten eine große Missionsausstellung und nicht zu vergessen die tolle Ausstellung über Pater Büttgens Werke, die Bruder Franz Schneider für uns ermöglichte, oder einzelne Missionstage, an denen Mitbrüder noch einmal aus ihrer Mission berichten können. Am 1. November gab es, wie jedes Jahr, eine Gräbersegnung auf dem Friedhof. Für alle, die dort nicht mehr hingehen können, wird seit letztem Jahr in der Kreuzkapelle eine Andacht gehalten von Pater Vinh und mir. Dabei hat jeder die Möglichkeit, eine Kerze der Hoffnung anzuzünden, zum Gedenken an die verstorbenen Mitbrüder, Angehörige oder Freunde. Wir begleiten die Mitbrüder auch spirituell in ihrer Todesstunde, damit sie in Würde von der Welt, ihren Mitbrüdern und auch Angehörigen gehen können. Für die dementen Mitbrüder gibt es Kreativ- Tage: Wir haben zum Beispiel ein Insektenhotel gemeinsam gebaut, dass seinen Platz im Innenhof gefunden hat, einen großen Gebetswürfel für den Speiseaal „Betanien“ gestaltet, demnächst werden wir gemeinsam ein Kreuz mit Mosaiksteinen entstehen lassen. Wir nennen es unser Lebens- und Glaubenskreuz. Gemäß einem Gebet von Edith Stein: „Bin aus Deinem Mosaik ein Stein. Wirst mich an die rechte Stelle legen, Deinen Händen bette ich mich ein“. Natürlich ist das Wort vom Mosaikstein nur ein Bild. Es bringt aber gut zum Ausdruck, was der Sinn des Lebens ist, nämlich seinen einmaligen und unverwechselbaren Platz im Ganzen zu gewinnen, dem Ganzen und Gott so zu dienen und dadurch das Ganze erst zum Ganzen werden zu lassen. Denn dieser Stein würde fehlen. Gottes Mosaik ist lebendig, so lebendig, wie wir es sind. Und unser Leben und unser Glauben als lebender Baustein legen wir täglich in Gottes Hand.

Auch Nelly, unser Begleithund, der mit einer Mitarbeiterin aus der Pflege regelmäßig ins Haus kommt, wird sehr geliebt. Beim Nelly-Aktiv-Tag sind fast alle dabei, auch die Mitbrüder die man sonst nicht aus ihrem Zimmer bewegen kann. Ein gemeinsames Kaffeetrinken im Innenhof an warmen Tagen oder im Wendelinussaal an kalten und regnerischen Tagen für alle, die möchten, bei dem gesungen wird, einfach die Gemeinschaft gelebt wird, wäre toll. Das möchten wir in Zukunft einmal im Quartal organisieren. Die Turngruppe, dann die Aktivitäten der Alltagsbegleitung der Spieleabend, das Singen in kleiner Runde und den Filmnachmittag nicht zu vergessen. Man müsste das alles mal aufschreiben, vielleicht einen Jahresplan machen. In Steyler aktuell berichten wir häufig über unsere Aktionen.

Was sind Ihre Ziele, Frau Kuhn?
Für mich ist ganz wichtig, dass es mehr Flexibilität gibt, dass Mitbrüder, die zu den Angeboten mitgehen wollen, unterstützt und dies auch ermöglicht wird, dies war leider in der Vergangenheit oft nicht möglich; und dass besonders die „fitten“ Mitbrüder ernst genommen werden, in dem, was sie sich wünschen. Das Wendelinusheim ist zwar die letzte Mission für viele Mitbrüder, es finden jedoch dort neben der Pflege viele kreativen Aktivitäten statt, bei denen die Mitbrüder ihren Lebensabend mit Freude und Würde im Sinne der Menschlichkeit und des Ordens verbringen können. Dieses Bewusstsein sollte auch durch die Oberen gestärkt werden. Es braucht die Unterstützung der Oberen. Ich weiß von Mitbrüdern, die nicht gerne nach St. Wendel kommen möchten. Diese Mitbrüder sollten sich trotzdem St. Wendel mal anschauen. Es gibt aber für die „Neuen“ Mitbrüder andere Aufgaben, als nur „Zelebrant“ zu sein. Vielleicht gibt es nicht mehr die Fülle der Aufgaben, die sie bisher hatten, aber dafür neue, dem Alter und der Zeit angepasste Möglichkeiten. Jeder einzelne ist uns wichtig, und dass sie ganz bestimmt eine wertvolle Bereicherung für die kognitiv beeinträchtigten Mitbrüder wären. Es wäre ein großer Gewinn, wenn wir hier einen großen Gemeinschaftsraum hätten, wo man sich ungezwungen treffen und sich in seiner Kreativität mit verschieden Angeboten entfalten könnte, gemeinsam gärtnern könnte, z. B. in unserem Innenhof.
Es gibt Mitbrüder, die in Leitungsfunktionen tätig waren und immer Entscheider waren. Wie kann man diese dabei unterstützen, ihre neue Lebensphase zu akzeptieren? Wie kann die Pastoral dabei helfen, das anzunehmen? Dieses Problem betrifft letztlich jede/-jeden, der in den Ruhestand geht. Probleme lösen kann man nur über Vertrauen. Ich betrachte die Mitbrüder als meine Kollegen und versuche immer, sie einzubeziehen und ihre Begabungen weiterhin zu fördern und soweit es geht zu erhalten. Manche kümmern sich sehr mitbrüderlich um andere. Wie wichtig jeder einzelne ist, das spürt man.

Gemeinschaft im Innenhof
Bruder Rudi Zilien SVD

Wie sollte es idealerweise weitergehen in St. Wendel?
Der Rahmen sollte neu gesetzt werden, die Statuten neu formuliert und für die Umsetzung gesorgt werden. Ich fände es auch sehr gut, wenn ein geschulter Externer einen Blick auf die Abläufe werfen und eventuell unterstützen würde. Wir sollten über die gegenseitige Erwartungshaltung reden und sie klären. Wir könnten in Eigeninitiative manches einfach mal versuchen. Im neuen Gemeinschaftsbüro bin ich jetzt präsenter für die Mitbrüder, aber auch für die Mitarbeitenden, das finde ich eine positive Entwicklung. Wir müssten das Missionshaus St. Wendel eigentlich ganz umstrukturieren und nicht als reines Pflegeheim sehen. Eine Art „Wunschliste“ von Dingen zu erstellen, die schön wären, zu machen oder zu haben, wäre vielleicht ein Anfang.

Die Mitbrüder könnten die Gemeinschaft als ein Ziel betrachten. Eine Hausversammlung wäre nützlich zu der Frage „Was wollen wir verändern?“ Wir können sicher nicht alles umsetzen, aber wir möchten die Wünsche der Mitbrüder wahrnehmen. Dazu braucht es gemeinsame Überlegung und Planung. Es gibt viel guten Willen. Das Haus ist sehr gepflegt und muss den Vergleich mit anderen Alteneinrichtungen nicht scheuen. Es wäre schön, wenn dies mehr geschätzt würde. Wir sind für einander da und versuchen gemeinsam die Probleme zu lösen.

Interview: Redaktion von Steyler aktuell
Fotos: Aus dem Steyler Archiv

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