Gott kommt in unser Haus

Das traditionelle Haus (Rumah Adat) ist der Dreh- und Angelpunkt des Lebens der gesamten Dorfbevölkerung. Es stiftet eine gemeinsame Identität, die bestimmten Kulturen und Stämmen innewohnt. Rumah Adat steht im Zentrum eines Netzes von Mythen und Religion, sozialen Beziehungen und Aktivitäten, Bräuchen, Tabus und Gesetzen, die die Dorfbewohner zusammenhalten.

Indonesien, ein Land mit mehr als 17.000 Inseln und 700 Muttersprachen und einer Bevölkerung von mehr als 272 Millionen, verfügt über eine breite und vielfältige Kunst und Kultur, auch im Zusammenhang mit der traditionellen Architektur. Mit ihrer eigenen einzigartigen und unverwechselbaren Form von Rumah Adat werden die diversen ethnischen Gruppen in Indonesien miteinander verbunden.

Eines davon ist das traditionelle Haus des Lio-Stammes, der sich auf der Insel Flores in der Provinz Ost-Nusa Tenggara befindet. Der Lio-Stamm ist der älteste Stamm auf der Insel Flores. Neben dem Lio-Stamm gibt es auch den Ende-Stamm, beide gehören zum zivilen Verwaltungsgebiet von Ende. Die Lebensgrundlage dieses Volkes sind hauptsächlich Landwirtschaft und Fischerei. Der Lio-Stamm hat verschiedene Elemente, die traditionelle Siedlungen ausmachen. Das sind Sao Ria (großes Wohnhaus), Sao Keda (Haus der Zusammenkunft), Kanga (Kreisarena), Tubu Musu (Steinmonument), Rate (Friedhof) und Kebo Ria (Scheune). Die traditionellen Gebäude weisen unterschiedliche Struktur- und Konstruktionsformen entsprechend deren Funktion auf.

Der Bau der diesjährigen Weihnachtskrippe in Sankt Augustin greift das Motiv „Sao Keda“ auf. Dieses traditionelle Gebäude mit einem hohen Strohdach ist ein Ort der Begegnung sowohl für das soziale Leben der Dorfbewohner als auch für das religiöse Leben. Es ist auch eine Art der Versammlungshalle, wo Beratungen und Zeremonien abgehalten werden, die von den Ältesten des Stammes (Mosalaki) geleitet werden. Weiterhin ist Sao Keda nicht nur ein Versammlungsort, sondern auch ein Ort zur Aufbewahrung von Reliquien und mystischen Gegenständen der Vorfahren. Daher ist Sao Keda ein Symbol für die Heiligkeit des Stammes, das wesentliche soziale und religiöse Werte verkörpert. Gewöhnlich liegt Sao Keda auf dem höchsten Punkt des Dorfes. Es blickt auf den Berg, da die Lionese glauben, dass der erste Mensch, der dieses traditionelle Haus hinterlassen hat, aus dem Berg kam.

Die Struktur von Sao Keda besteht aus drei Teilen. Erstens, das Fundament (Leke Lewu). Für das Fundament verwendet man ovale Steine, die vertikal stehend installiert werden. Der Bühnenboden wird mit Steinen abgedeckt. Der Zweck der Fundamentherstellung ist die Vermeidung von Rissen während eines Erdbebens. Die Form des Bühnenbodens zielt darauf ab, die Luftzirkulation unter dem Boden zu ermöglichen, so dass Feuchtigkeit auf dem Boden vermieden werden kann. Zweitens, der Holzfußboden aus Brettern, der als Maga bezeichnet wird. Drittens, die Dachkonstruktion. Die Struktur der Pferde auf dem Dachstuhl wird Jara genannt. Das Dach ist mit trockenem Grass (Ki) und Fasern (Nao) bedeckt.

Mit dem Krippenmotiv vom traditionellen Haus von Sao Keda der Lionesen wird ausgesagt: Gott kommt in unser Haus. Fürchtet euch also nicht. Der Herr kommt zu jedem/r von uns. Er kommt in unser „Herzenshaus“; deswegen braucht man inmitten der diversen Bedrohungen des Lebens keine Angst mehr zu haben. Der große Mystiker des Abendlandes Meister Eckhart fordert uns jedoch auf, nachzudenken, wenn er sagt: „Gott ist immer in uns, nur wir sind so selten zuhause.“ (P. Fidelis Regi Waton, P. Agateus Ngala & Frt. Yohanes Paji).

Text: Pater Dr. Fidelis Regi Waton SVD
Fotos: Pater Václav Mucha SVD