Gutes Leben – Afrikanische Perspektiven

12. Dez 2020

„Ich bin, weil wir sind“ prägt die Vorstellung von „gutem Leben“ in Afrika, erklärte Dr. Christiana Idika im Vortrag der Akademie Völker und Kulturen am 11. Dezember.

Afrika ist ein riesiger Kontinent mit großer Vielfalt an Kulturen, Völkern und Religionen. Daher erklärte Dr. Christiana Idika gleich zu Anfang ihres Vortrags über afrikanische Sichtweisen von gutem Leben, dass sie als Frau, dazu Ordensfrau, Katholikin aus Nigeria und Angehörige des Igbo-Volks, die jetzt in Deutschland lebt und forscht, ihre Überlegungen anstellt.

Woran soll man „gutes Leben“ messen? Die Kriterien von Wirtschaftskraft und nationalem Reichtum und Wohlstand reichen dafür nicht aus; da erscheinen viele afrikanische Länder als arm und es erscheinen Probleme wie Korruption, Gewalt, Kriminalität und illegale Migration. Aber es gibt auch Umfragen, die ergeben, dass gerade in Nigeria oder Malawi die Menschen am glücklichsten seien. Wie lassen sich solche Widersprüche verstehen?

Wichtig ist es, die Geschichte in Erinnerung zu rufen. Dabei können sich die vielen Völker Afrikas auf lange Traditionen beziehen, die noch im Gedächtnis vorhanden sind. Der Kolonialismus brachte gewaltige Störungen in diese Traditionen und Zusammenhänge, aber auch die Suche nach politischer Unabhängigkeit und post-kolonialer Eigenständigkeit bis in unsere Tage stellen mehr neue Anforderungen als sie Lösungen erreicht haben.

Wesentlich ist die Haltung der Afrikaner, das Leben prinzipiell mit dem Heiligen in Verbindung zu sehen. Dieses Heilige hat eine immaterielle und eine materielle Dimension, die man zwar unterscheiden, aber nicht wirklich trennen kann. Daher wird ein Leben „gut“, wenn der Mensch im Wohlstand und Reichtum leben kann, aber wesentlich auch im Zusammenhang mit seiner Familie und sozialen Gruppe steht. Die Vorstellung von einem alleinstehenden Individuum, einem „Ich“ europäischen Zuschnitts, bleibt eher fremd; die Grundhaltung geht in die Richtung des „ich bin, weil wir sind“. Afrikanische Gesellschaften sind grundsätzlich kommunalistisch ausgerichtet.

Afrikanische Gesellschaften sind stark patriarchalisch geprägt und Menschsein wird oft von der „Männlichkeit“ her verstanden. Damit jemand seinen Mann stellen kann, muss er Beharrlichkeit, Produktivität, materiellen Erfolg, Fleiß und Leistung vorweisen und beweisen. Wo das nicht gelingt, kann es zu Ereignissen kommen wie in einer Geschichte, die Dr. Idika von einem Gottesdienst berichtet: Eine Frau tritt vor die Gemeinschaft und betet als Witwe, obwohl ihr Mann in der Gemeinde anwesend ist. Als er sie diesbezüglich zur Rede stellt, dass er doch noch nicht tot sei, weist sie ihn zurecht, dass es eben kein Leben – unter diesen Kriterien – ist, das er ihr bietet. Damit steht wohl auch im Zusammenhang, dass Protest (z. B. gegen die Regierung) oft auch mit Humor betrieben wird und Spaß zu machen scheint.

Dr. Idika engagiert sich im Bereich von Bildung und sieht darin einen wesentlichen Beitrag für die Gestaltung des Zusammenlebens. Dabei geht es um eine ganzheitliche Sichtweise, die den Zusammenhalt und die Bildung des Wir stärkt. Dafür braucht es auch weiterhin große Anstrengungen und Investitionen, damit die Menschen lernen, Verantwortung für sich selbst und das Wir ihrer Gemeinschaften zu übernehmen.


Christian Tauchner SVD

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