November 2015
Wir beten zu Gott, unserem Vater, für uns, dass wir in persönlicher Begegnung und in wohlmeinendem Dialog mit Andersgläubigen unserer Glaubensüberzeugung treu bleiben.
Vollgepackt mit bedeutungsvollen Wörtern und Begriffen fordert die Gebetsmeinung des Papstes für November unbedingt auf, sich vor dem Gebet zunächst einmal Gedanken zu machen. Es geht Papst Franziskus und dem Gläubigen sicher nicht um eine Aufforderung zum Fundamentalismus, auch wenn jeder Begriff der Gebetsmeinung in diese Richtung missverstanden werden könnte.
Was heißt Treue (im Glauben)? Was ist damit gemeint, wenn man sich selber, seinen Meinungen, „unserer Glaubensüberzeugung“ treu bleibt? Die Treue meinem Partner gegenüber heißt ja nicht, dass ich glaube, ich wäre so wie damals, vor Jahrzehnten, als wir uns die Treue versprochen haben, sondern sie ist doch hoffentlich gewachsen durch alle Veränderungen, die sich in mir und meinem Partner eingestellt haben. Treue ist also gerade nicht das starre Bestehen auf einer Momentaufnahme aus vergangenen Zeiten, sondern das vertrauensvolle Mitgehen mit einer Entwicklung hinein in ein vertieftes Verständnis – auch der eigenen Glaubensüberzeugung. In Glaubensfragen kann der Katechismus der Kindheit gut gewesen sein, aber die Treue zu diesem Glauben von Seinerzeit heißt, dass ich heute vieles anders und besser sehe. Gerade weil ich der Glaubensüberzeugung treu geblieben bin, hat sie sich geändert.
Was heißt Glaubensüberzeugung? Wieder geht es nicht um die unumstößliche Formulierung von Glaubenssätzen, sondern um Beziehung. Der Glaube ist die Reflexion auf eine Beziehung, die kreativ gestaltet wird. Für mich ist das gerade auch das Angenehme und Überzeugende an Papst Franziskus, dass er nicht vom Kirchenrecht und oft windigen Aussagen beim Angelus ausgeht, um seinen Überzeugungen Ausdruck zu geben, sondern in seiner jesuitischen Tradition ganz schlicht und elementar auf Jesus zurückkommt und aus dieser Beziehung zum Menschen Jesus dem Christus einen frischen Wind in die Kirche bringt.
Schließlich Dialog: Dies Wort in aller Munde wird doch oft schlecht verstanden und angewandt. Als ob Dialog heißen wollte, es ist alles gleichgültig, als könnte man alles verhandeln und nach Belieben oder gutem Willen neu formulieren. Als würde Dialog erst möglich, wenn man die strittigen Punkte und Positionen außer Kraft setzt (zum Beispiel, religiöse Überzeugungen aus der Öffentlichkeit verbannen, wie oft vorgeschlagen wird). Der Dialog setzt voraus, dass es Standpunkte und Ausgangspunkte gibt. Er setzt auch voraus, dass ich davon überzeugt bin, noch nicht am Ende zu sein, sondern mich noch bewegen zu wollen. Dass sich also meine Identität noch wandeln kann, um noch fester meine Identität zu werden, weil es sich um eine lebendige Identität handelt.
In diesem Sinne sind wir also eingeladen, um feste wandelbare Treue zu Glaubensüberzeugungen zu beten, die wir immer noch nicht so gut kennen, dass wir sie im Licht des Heiligen Geistes nicht noch besser verstehen könnten. Das alles aber in der persönlichen Begegnung, im wohlwollenden Dialog und in Geschwisterlichkeit mit anderen Menschen. Wahrscheinlich besteht ja darin überhaupt erst die Herausforderung an den Beter: Dem anderen Menschen begegnen zu wollen, ihn als Gläubigen – als anders Gläubigen – wahrzunehmen. Anregend sollte wirken, die kurze Erklärung des II. Vatikanischen Konzils über die nicht-christlichen Religionen „Nostra Aetate“ noch einmal zu lesen; vor gerade 50 Jahren (am 28. Oktober 1965) wurde sie feierlich verkündet.