01. Jul 2006
Wir beten, dass die verschiedenen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften in der Weltkirche ein friedliches Miteinander anstreben.
In der theologischen Diskussion in den 60er Jahren über die Verpflichtung der Kirche, sich in den Fragen um Frieden, Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte aktiv zu engagieren, weil das als Wesensteil ihrer Sendung in der Welt von heute gelte, hat der bekannte Theologe Edward Schillebeeckx einmal die Frage gestellt: Warum sollte es denn die Aufgabe der Kirche sein, diese unsere gegenwärtige Welt in Ordnung zu bringen? Er selber hat dieses Warum von der christlichen Grundthese der Menschwerdung Gottes her beantwortet und als verpflichtend für ein echtes Christsein herausgestellt.
Die Frage selbst aber wird immer wieder neu gestellt, weil es hier darum geht, wieweit die Kirche sich in die sozial-politischen Gegebenheiten in dieser Welt einmischen soll oder überhaupt darf. Ist es nicht die Aufgabe von Religion, sich um geistige Dinge zu kümmern und sich daher aus irdischen Dingen herauszuhalten?
Papst Benedikt XVI. hat diese Frage erneut in seiner ersten Enzyklika im Zusammenhang von Caritas und der Frage nach Gerechtigkeit neu aufgegriffen.
Mir wurde diese Frage einmal so gestellt: Bei der Gelegenheit eines Besuches in der Pfarrei eines indischen Mitbruders lud der mich ein, mit ihm einen Sadhu zu besuchen, der nahe bei seiner Missionsstation in einem Ashram wohnte. Der Mann, so versicherte mir mein Mitbruder, sei sehr gelehrt und freue sich über jedes religiöse Gespräch mit Menschen, die ein Gespür und eine Offenheit für Gott und das Jenseits zeigten. Ich stimmte gerne zu und so trafen wir den heiligen Mann, wie man ihn nannte, in seiner Hütte splitternackt ausgestreckt auf seinem Lager.
Nach den üblichen Begrüßungen kam der Sadhu dann aber gleich zu Sache. Er sagte mir: Was immer Sie über mich denken werden, die Christliche Religion ist nach meiner Meinung ja eigentlich keine Religion, wenigstens nicht wie sie sich hier in Indien vorstellt. Wenn ihr Christen eine Mission eröffnet, dann baut ihr sehr bald eine Schule, dann ein Krankenhaus, dann ein Waisenhaus und in letzter Zeit Sozialstationen. Das sind sicher gute und anerkennenswerte Taten und Werke, die ich weder verkleinern noch angreifen will, aber meine Frage ist: Was haben denn diese Werke mit Religion zu tun? Religion hat doch nichts mit dieser Welt zu tun. Ihr geht es doch um die Welt hinter dieser Welt, um das Jenseitige, das Göttliche. Religion ist eine mystische Angelegenheit, worin es um Gott und das Heilige geht und nicht um materielle Dinge."
Obwohl mit klar war, dass er mich provozieren wollte, denn im Letzten war seine Ansicht nicht so radikal wie vorgetragen, fühlte ich mich von seinen Worten herausgefordert. Es wurde mir wieder ganz klar, worin sich der jüdisch-christliche Glaube bewusst von anderen Religionen unterscheidet. Im christlichen Glauben kommt Gott auf die Erde. Er zieht uns nicht heraus aus der Welt, damit wir ihm nahe seien, nein er kommt mitten in unsere Welt, mitten in unser Leben hinein. Und wo Gott aufscheint, da will er Leben geben, will er alles freisetzen, was Leben behindern kann, da will er alles zur Vollendung führen.
Das Reich Gottes, das Jesus als angekommen verkündete, ist wohl auch für diese Welt gedacht und nicht nur allein für die Welt, die da kommen wird. Wo Gottes Reich erscheint, da wird Leben, da werden die Menschen zur vollen Entfaltung gerufen. Wenn Gottes Ehre der "entfaltete Mensch" bedeutet, wie es der Kirchenvater Irenäus gesagt hat, dann zielt alle Verkündigung der Botschaft Jesu auf diese Entfaltung hin und zwar schon jetzt. Wir werden das Evangelium nur dann richtig verkündigen, wenn es die Entfaltung und Entwicklung des ganzen Menschen im Auge hat. Deshalb verlangt unsere Missionsarbeit, dass wir uns neben dem geistigen Wohl auch um das leibliche Wohl den Menschen kümmern, sonst bleibt unsere Arbeit unvollkommen und wird nicht zum Zeugnis der Gegenwart des Reiches Gottes, wie Jesus es gesehen und durch seine Handlungen gegenwärtig gemacht hat.
Der Hindu in der erwähnten Geschichte kann das nicht verstehen, denn für ihn liegt das Heil des Menschen nicht in der Umwandlung der gegenwärtigen Welt in die vollkommene Welt hinein, wie Gott sie vorausbestimmte, als er sie schuf, sondern für ihn kann Heil nur heißen, dieser Welt zu entfliehen, von ihr erlöst zu werden, sie hinter sich zu lassen; sich auf diese Welt einlassen, sie umgestalten auf die Neue Welt hin kann nicht Aufgabe des religiösen Menschen sein, denn die Welt kann man nicht erlösen, sondern man muss ihr entfliehen, wenn man Heil finden will.
Dem gegenüber hat das letzte Konzil bewusst betont, dass alles, was wir hier auf Erden an Gutem getan haben, in der Neuen Welt umgewandelt sichtbar werden wird.
"Zwar werden wir gemahnt, dass es dem Menschen nichts nützt, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst jedoch ins Verderben bringt, dennoch darf die Erwartung der neuen Erde die Sorge für die Gestaltung dieser Erde nicht abschwächen, auf der uns der wachsende Leib der neuen Menschheitsfamilie eine umrisshafte Vorstellung von der künftigen Welt geben kann, sondern muss sie im Gegenteil ermutigen. ... Alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen nämlich, die Güter menschlicher Würde, brüderlicher Gemeinschaft und Freiheit, müssen im Geist des Herrn und gemäß seiner Gebote auf Erden gemehrt werden, dann werden wir sie wiederfinden, gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt.... Hier auf Erden ist das Reich Gottes schon im Geheimnis da; beim Kommen des Herrn erreicht es seine Vollendung." (Kirche in der Welt von heute, 39).
Genau darum geht es in der Gebetsmeinung: Da alle Menschen geschaffen und berufen sind, in der Neuen Welt ihre endgültige Erfüllung zu finden, sind auch alle aufgefordert, jetzt schon an der ganzheitlichen Umformung der Welt in das Reich Gottes hinein mitzuwirken. Die Christen, die von ihrem Glauben her um die Berufung aller Menschen wissen, sind in dieser Gebetsmeinung bewusst angesprochen, dafür zu beten, dass alle Menschen, ob Christen oder nicht, durch Gottes Geist sich dieser Aufgabe auch bewusst werden und sich tatkräftig dafür einsetzen.
Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung Juli 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 4/2006, Steyler Verlag, Nettetal