Gebetsmeinung des Papstes im November

November 2019

Wir beten zu Gott, unserem Vater, dass im Nahen Osten, wo unterschiedliche religiöse Gemeinschaften den gleichen Lebensraum teilen, ein Geist des Dialogs, der Begegnung und der Versöhnung entsteht.

Wussten Sie, dass es eine vergleichsweise neue Forschungsrichtung gibt, die sich Vergebungsforschung nennt? Es gibt schon seit Jahren Forschungsprojekte innerhalb der Psychologie und auch in der Schulmedizin, die genau das zum Thema haben: die Bedeutung von Vergebung und Versöhnung und deren Heilungspotential. Es werden Ratgeber publiziert, die Gesundheit durch Vergebung versprechen, konkrete Anleitungen zum Vergeben werden beschrieben, es ist Thema in der Glücksforschung, und auch in den verschiedenen Schulen der Psychotherapie taucht immer öfter das Thema Versöhnung auf. Eigentlich eine spannende Entwicklung, denn auf der anderen Seite nehmen Fanatismus, Gewalt und Krieg – ein deutliches Erkennungszeichen für Streit, Hass und Rache, also das Gegenteil von Versöhnung – weltweit zu.

Und die nächsten Projekte sind schon geplant: Kinder und Jugendliche, die in einem gewalttätigen Umfeld aufgewachsen sind, und vom Krieg gebeutelte Opfer sollen durch Therapeuten lernen zu vergeben und sich zu versöhnen, damit sie heilen können und wieder gesund werden. Und auch um zu verhindern, dass der Hass an die nächste Generation weitergegeben wird.

Auch interessant finde ich, dass, obwohl die Wissenschaft das Potential von Versöhnung erforscht und damit wissenschaftlich untermauert hat, die Versöhnung mit Gott dabei in den seltensten Fällen ein Thema ist. Und dass die Patienten zwar die Ratschläge und Hilfestellungen der Mediziner und Therapeuten annehmen und sich versöhnen, aber den Weg in den Beichtstuhl finden viele dennoch nicht.

Und es geht nicht ohne Gott. Die griechische Bedeutung des Wortes Versöhnung ist „ein vollständiger Wechsel" oder „Wendung zwischen Personen zu einer positiven Grundhaltung“. Für die große Mehrheit der Menschen geht dieser Wechsel nur mit und durch Gott. Die Versöhnung, die Gott uns ermöglicht, hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Paulus schreibt im Epheserbrief, dass Juden und Heiden durch Christus miteinander versöhnt sind. Durch Christus sind wir mit Gott versöhnt. Diese Versöhnung, die Christus für uns erwirkt hat, wirkt sich auf alle Dinge im Himmel und auf der Erde aus, denn Gott hat sich in Christus mit der Welt versöhnt. Sind wir Christen uns eigentlich bewusst, was für ein unbegreifliches, fast schon unglaubliches Geschenk das eigentlich ist, und was das bedeutet?

Personen, die Hilfe bei einem Therapeuten suchen, wollen Veränderung und sind bereit, sich helfen zu lassen. Sie haben ein offenes Ohr und den Willen, an sich zu arbeiten, und damit haben sie die innere Bereitschaft, an sich etwas zu verändern. Aber was ist mit den Vielen, die festsitzen in ihrer Welt voller Gewalt und Hass? Die nicht hören wollen, die für Veränderungen nicht bereit sind, die im Gegenteil Gewalt und Rache leben wollen? Selbst Christus, der die Versöhnung zwischen den Sündern und Gott gepredigt und praktiziert hat, ist damit nicht auf Zustimmung oder Unterstützung seiner Zeitgenossen gestoßen, sondern man hat ihn im Gegenteil dafür heftig kritisiert. Heutzutage ist es nicht viel anders. So einfach ist das mit der Versöhnung nicht.

Es geht nicht ohne Gott, und es geht nicht ohne das Gebet. Und damit sind wir beim Thema der aktuellen Gebetsmeinung: dass wir darum beten, dass die Menschen im Nahen Osten einen Geist des Dialogs, der Begegnung und der Versöhnung entstehen lassen. Wenn täglich so viel Gewalt und Hass gelebt und gepredigt wird, dann ist das Gebet unverzichtbar, um einen Wandel herbeizuführen und einen Weg zu ebnen, auf dem Dialog und Versöhnung möglich sind. Wie kann es für die Mehrheit der Menschen einen Weg aus dem Kreislauf der Gewalt geben, wenn nicht dafür gebetet wird? Auf Rache zu verzichten, den erlebten Schmerz und die Demütigung nicht mit Gewalt zu beantworten, das, so zeigt zumindest die Geschichte der Menschen, scheint alles andere als leicht zu sein. Diese Menschen brauchen die Hilfe von oben, sie brauchen Gnade und Kraft von Gott. Also lassen Sie uns gemeinsam in diesem Anliegen beten.


Simone Nefiodow, Pastoralreferentin

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