Gebetsmeinung des Papstes im November

November 2018

Wir beten zu Gott, unserem Vater, dass die Sprache des Herzens und der Dialog stets Vorrang haben vor Waffengewalt.

Das ist eine Gebetsmeinung, die zwei große Gegensätze in sich birgt. Da ist von der Sprache des Herzens die Rede. Das klingt sehr christlich, fast ein wenig verklärt. Und dann stellt unser Papst die Sprache des Herzens vor den Einsatz von Waffen, anders formuliert: die Sprache der Gewalt. Dabei gibt es kaum einen größeren Kontrast als den zwischen der Sprache des Herzens und der Sprache der Gewalt.

Marcel Reich-Ranicki, der als Literaturpapst bezeichnet wurde, sagte einmal in einem Vortrag, dass es kaum ein Substantiv gibt, dass die Menschen in Europa so oft und in so vielen Verbindungen gebrauchen wie das Wort Herz. Zahllose tiefgründige Redewendungen über das Herz prägen unseren Sprachgebrauch, das Herz kann poltern, sich überschlagen, hüpfen, glühen, entflammen und sprechen. Die Psychosomatik kennt den Zusammenhang zwischen echten Herzkrankheiten und seelischem Leid. Und auch wenn wir einen Blick in die Vergangenheit werfen, dann nimmt das Herz in der Philosophie und der Literatur eine zentrale Stelle ein: als Sitz des Lebens, als Ort der Gefühle, als Sitz der Seele, als Zentrum der Person. Und für Blaise Pascal ist das Herz das Organ, mit dem der Mensch Gott spürt. Dem Herzen wird so einiges zugetraut.

Wer in der Sprache des Herzens spricht, der spricht in der Sprache der Liebe. Denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund – so Jesus im Matthäusevangelium (Mt 12,34). Die Liebe vertreibt die Furcht und überwindet Hass und Wut. Wer die Sprache des Herzens zu sprechen weiß, der spricht und handelt voller Liebe. Die Gedanken und Gefühle des Menschen werden von der Sprache der Liebe gelenkt. Aber hat die Sprache der Liebe eine Chance, den Einsatz von Waffen zu verhindern? Wenn das Herz so mächtig ist, dann ...

Wenn Menschen mit dem Gedanken sympathisieren, zu den Waffen zu greifen, hat dann Sprache der Liebe überhaupt noch eine Chance? Warum wird nicht nach Alternativen zur Gewalt gesucht, warum sonst werden Gesprächsangebote ausgeschlagen? Und ist der Mangel an Redebereitschaft nicht auch schon ein Zeichen dafür, dass die Betroffenen den bewaffneten Konflikt irgendwie wollen? Dass sich genug Wut, Ärger, Unzufriedenheit und Frust angestaut hat, um jedes Gesprächsangebot auszuschlagen? Und dann sollte man nicht vergessen, dass auch der Dialog schnell gewalttätig und zu einer Art von verbalem Schlagabtausch abrutschen kann, wenn im Grunde nur Beleidigungen und verbale Drohgebärden ausgetauscht werden.

Die Antwort finden wir bei Paulus, in seinem Hohelied der Liebe: Die Liebe überwindet alles. Damit ist alles gesagt. Wer in der Sprache des Herzens spricht, der überwindet die drohende Eskalation der Gewalt. Und hier kommen wir Beter ins Spiel, denn nicht jedes Herz kennt die Sprache der Liebe. In diesem Monat ist es unsere Aufgabe, dafür zu beten, dass die Sprache des Herzens auch von denen gehört wird, die eigentlich eine andere Sprache sprechen wollen, deren Herz verletzt oder verhärtet ist. Die Sprache der Liebe wird die Gewalt stoppen. Beten wir also darum, dass vor jedem Ausbruch von Gewalt der Sprache des Herzens Raum gegeben und sie gehört wird!


Simone Nefiodow, Dipl.-Theologin

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