Juni 2015
Zu Gott unserem Vater beten wir für die jungen Männer und Frauen, in denen der Wunsch reift, als Priester oder Ordenschrist ihr Leben zu gestalten, dass sie dem Ruf Jesu vertrauensvoll folgen. Möge die Begegnung mit Christus junge Menschen zum Priesterberuf oder zu einem Leben im Orden führen.
Die folgenden Zeugnisse zeigen, wie unterschiedlich der Ruf Gottes verstanden und vernommen werden kann:
Ein afrikanischer Priester, Pfarrer Sebastian Boccovi, 45 Jahre alt, berichtet aus Lome / Togo von einem ungewöhnlichen Geschehen: Ich kam an einem Herz-Jesu-Freitag morgens nach der Frühmesse am Eingang der Kirche zur Welt. Seit diesem Ereignis machten weder meine Eltern noch mein Heimatpfarrer einen Hehl daraus, dass ich unbedingt Priester werden sollte. Für sie waren diese Umstände meiner Geburt ein eindeutiges Zeichen meiner Hingabe an Gott. So wuchs ich mit diesem Vertrauen heran und ging nach der Grundschule sofort ins kleine Priesterseminar und nach dem Abitur weiter zum großen Priesterseminar. Ohne darauf stolz sein zu müssen, gehöre ich zu den wenigen Priestern im Erzbistum, die täglich fast vierundzwanzig Stunden ansprechbar sind. Manche Gläubigen wundern sich, dass ich mehr Zeit in der Kirche verbringe (zum privaten Gebet, zum Glaubensgespräch oder zu charismatischen Gottesdiensten) als in meiner Priesterwohnung. Ich bin sozusagen von meinem Mutterleib an Gott hingeben. In der Kirche wurde ich geboren. In der Kirche werde ich sterben. Die Kirche ist mir Mutterschoß für Leben und Tod.
Ein anderes Beispiel: Schwester Rita Lassa Ali, Franziskanerin, berichtet aus der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui von ihrem Berufungsweg: Ich war ein sehr lebendiges Mädchen, vielfältig begabt und nach Angaben zahlreicher Menschen „ein sehr hübsches Mädchen“. Meine Mutter machte sich Sorgen, was aus mir werden könnte: ich wäre zu schlau für einen Ehemann und zu klug für ein Klosterleben. Gerade Nonnen würden Mädchen, die alles nachfragen und jede Kleinigkeit in Frage stellen, nicht besonders mögen. Als ich nach meinem Abitur eines Tages erzählte, ich spüre in mir den Drang in einen Orden einzutreten, ist meine Mutter beinahe umgefallen. Sie traute ihren Ohren nicht. Seit zwanzig Jahren bin ich jetzt schon Ordensschwester und freue mich sehr, fern von meiner Heimat Togo, hier in Zentralafrika mein Leben für die hiesige Bevölkerung einsetzen. Als Suchende und Fragende geht es in meiner Antwort auf den Ruf Gottes um mehr als ein „Ja und Amen!“, es ist eine freie und selbstbestimmte totale Hingabe ohne „Wenn und Aber“. Für meine Mutter sind mein Lebensweg und meine Berufungsgeschichte ein Stück Wunder Gottes in ihrem eigenen Leben geworden.
Bruder Friedrich Postberg SVD, 79 Jahre alt, heute in Sankt Augustin bei Bonn, erzählt aus seiner Erinnerung: Ich war 21 Jahre alt und als Pflastersteinmacher berufstätig, als ich den Ruf Gottes gespürt habe, Ordensbruder zu werden. Der Anstoß kam lediglich von meinem Heimatpfarrer. Aber es war mein freier Entschluss. Viele Menschen im Dorf, darunter auch meine leibliche Schwester, konnten meine Entscheidung nicht nachvollziehen. Sie dachten, ich sollte besser Priester werden. Da hat man doch einen Status in Kirche und Gesellschaft. Aber das war nicht mein Weg, dazu fühlte ich mich nicht berufen. Meine Eltern allerdings haben mich verstanden und zu mir gehalten. Mein Vater kam mich immer wieder besuchen während meiner Ausbildung in Sankt Augustin. Nach meiner ewigen Profess arbeitete ich viele Jahre in Ecuador, Lateinamerika, habe verschiedene Aufgaben übernommen und war unter anderem jahrzehntelang Provinzökonom. Mit Dankbarkeit schaue ich auf diese Jahre der Gnade zurück und voller Hoffnung und Freude auf meinen baldigen 80. Geburtstag. Das ist in Kürze meine Geschichte, mein Lied.
Wie unterschiedlich die Lebenswege der Menschen, so sind auch ihre Berufungsgeschichten. Dabei stellen sich die konkreten Lebensumstände sowie die religiöse Sozialisation als wichtige Grundlagen für jede Berufung heraus. Bei manchen läuft es ziemlich glatt und linear, sie wussten von Geburt an, wozu sie berufen sind. Bei anderen wiederum geht es über vielerlei Wege und Umwege. Im Grunde genommen ist es immer der Weg Gottes mit den Menschen und dieser Weg ist meistens unergründbar und faszinierend. Manches bleibt auch rätselhaft: wieso der eine zum Ziel kommt und der andere nicht, ist bisweilen ein Geheimnis, das sich vielleicht nie vollständig erklären lässt.
Neben der allgemeinen Berufung in die Gemeinschaft der Glaubenden durch die Taufe beruft Gott auch immer wieder Menschen zu einer besonderen Hingabe und Aufgabe. Dies geschieht heute noch trotz der spürbaren Krise des Mangels an Priester- und Ordensberufungen in manchen Ländern. Gott ruft Menschen aller Altersstufen und Lebensstände in seinen Dienst. Die Gesellschaft sowie die Kirche haben es bitter nötig: Menschen, die auf Ehe und Familie verzichten und ihr persönliches Leben ganz und gar dem Dienst an ihren Mitmenschen widmen. Mögen viele Menschen, wie der junge Samuel im Alten Testament den Ruf Gottes vernehmen und bejahen: „Rede, Herr, dein Diener hört“ (1Sam 3,11). Mögen sie, wie Maria, ihre Bereitschaft erklären, von Gott wie ein Instrument gebraucht zu werden für das Wohl der Menschheit: „Siehe, ich bin die Dienerin des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38).
Mit Papst Franziskus beten wir für alle, die zum Dienst in der Kirche berufen sind: dass sie aus dem Wort Gottes leben und Kraft für ihre Aufgaben finden.
Im neuen Gotteslob ist dieses Anliegen in folgendes Gebet gefasst:
Gott, du bist treu. Die Kirche lebt aus dem Reichtum der Begabungen und Charismen, die du schenkst. Wir danken dir für alle, die deinen Ruf vernommen haben und den Weg der Nachfolge gegangen sind. Wir danken dir für alle, die heute deinen Ruf hören und ihm folgen. Wir bitten dich: Schenke den Suchenden Zeichen deiner Nähe. Mache junge Menschen hellhörig für deinen Ruf, einen geistlichen Beruf zu wählen, damit die Kirche zu jeder Zeit das Evangelium kraftvoll lebt und kündet.“ (GL 678,3).