Gebetsmeinungen des Papstes - Oktober 2015

Oktober 2015

Wir beten zu Gott, unserem Vater, für alle, die dem modernen Menschenhandel unterworfen wurden, dass ihrer Menschenwürde Rechnung getragen wird.

Anfang September in Deutschland über Menschenhandel nachzudenken stellt mich in einen besonderen Kontext, der sich von dem unterscheidet, was der Papst in der Gebetsmeinung im Blick hatte.

Im Zusammenhang mit den Flüchtlingen aus Syrien zeigen viele Menschen (und bei weitem nicht nur Christen) eine unglaubliche Solidarität und „Willkommenskultur“, hinter der die Politiker weit zurückhinken und die sie im Grund zutiefst verunsichert. Dabei ist auch von Menschenhändlern die Rede und man will ihnen das Handwerk legen – und das Ereignis auf der Autobahn im Burgenland/Österreich schreit danach. Eine sehr zwiespältige Angelegenheit, wenn man doch auch sehen muss, dass unsere Staaten kaum legale Möglichkeit eröffnen, sich auf gesetzeskonforme Weise in unsere Länder in Sicherheit zu bringen und die „Menschenhändler“ die einzigen sind, die ihnen eine Überlebensmöglichkeit eröffnen.

Mir fällt dazu eine „Tatort“-Folge vor nicht so langer Zeit ein, in der ein feiner älterer Herr schließlich doch als „Menschenhändler“ überführt wird und der Kommissarin vorwirft: „Früher, als wir Menschen aus Ostdeutschland herüberschmuggelten, waren wir Helden; jetzt tun wir das Gleiche und wie damals nehmen wir Geld dafür, aber jetzt betrachtet ihr uns als Kriminelle!“. Da ist etwas dran.

In einem internen Dokument der Steyler Missionare nach dem Generalkapitel 2006 heißt es zum Thema Sklaverei und Menschenhandel: Heute ist der Menschenhandel, nach dem Waffen- und dem Drogenhandel, das drittgrößte illegale Geschäft auf der Welt: Ein Geschäft, das jedes Jahr 27 Milliarden Dollar umsetzt … Im Schnitt ist der Preis für einen Sklaven heute niedriger als der Preis für ein Handy“ (Im Dialog mit dem Wort #9, Rom, 2009).

Wer ist eigentlich ein „Menschenhändler“? War Mose im Alten Testament ein Menschenhändler, der die Sklaven aus Ägypten in die Freiheit führte? War es Rahab, die die Späher aus der Stadt entkommen ließ (Jos 2 und Mt 1,5)?

Vielleicht geht es für die Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Menschenhändlern darum, ob die Menschen in ihren Händen in die Freiheit oder in eine größere Abhängigkeit gelangen. Viele Frauen werden aus osteuropäischen Ländern oder aus Nigeria in unsere westliche Länder gebracht, um hier als Prostituierte (zumindest in Österreich übrigens eine der wenigen Möglichkeiten, legal eine Arbeitserlaubnis zu bekommen!!!) ausgebeutet zu werden. Oder Frauen aus den Philippinen in die Golfstaaten… Der Traum von der Freiheit und vom guten Leben lässt sich nicht verwirklichen. Von der Menschenwürde, die in der Gebetsmeinung angesprochen wird, ist auch keine Rede – und zu fragen ist immer noch, wie es um die Menschenwürde der Flüchtlinge aus Syrien bestellt ist, nicht nur in Ungarn, sondern auch in Österreich und in Deutschland.

Zu Recht fragen sich viele, wie es um die gesellschaftlichen Werte und um die Zivilisation Europas bestellt ist. Die Menschenwürde aller Menschen ist das Zünglein an der Waage. Das Gebet der Christen möge dazu beitragen, dass nicht die Barbarei, auch unter Anrufung unserer Gesetze, weiterhin die Oberhand gewinnt.


P. Christian Tauchner SVD

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