Allgemeine Gebetsmeinung des Papstes - Mai 2015

Mai 2015

Wir beten zu Gott, unserem Vater, dass wir, indem wir die Kultur der Gleichgültigkeit verwerfen, für unsere leidenden Nächsten sorgen, besonders die Kranken und Armen.

P. Christian Tauchner SVD

Von Kultur ist die Rede. Es geht bei Kultur darum, wie wir unser Zusammenleben gestalten. Viel von dieser Gestaltung ist uns bewusst, wir haben weite Spielräume dafür und können entscheiden, welche Werte wir in unser Zusammenleben einbringen wollen und welche guten (oder schlechten) Traditionen wir verändern wollen. 

Die Gebetsmeinung des Papstes geht davon aus, dass unsere Kultur von Gleichgültigkeit geprägt sei. Gemeint ist das wohl eher negativ; es heißt ja auch, dass wir deswegen uns nicht mehr um die leidenden Nächsten kümmern. Gleichgültigkeit könnte ja auch heißen, dass jedem die gleiche Gültigkeit zukommen könnte, der gleiche Wert, der gleiche Anspruch auf Zugang zum guten Leben. Gemeint ist aber der Egoismus, der Rückzug auf die eigene angestrebte (und eventuell sogar schon erreichte) Glückseligkeit und Zufriedenheit, die für andere Menschen keinen Platz mehr frei hat.

Bei immer mehr Menschen steht die Angst vor dem Verlust von eigenen Lebensmöglichkeiten, von Sicherheiten und Annehmlichkeiten, hinter solcher Abwendung von anderen. Vielfach drängen sich die Anforderungen an das eigene Leben, das Kreisen um die eigene Bequemlichkeit, Lust, Erfolg, aber auch der Druck von erfolgsorientiertem Berufsleben so in den Vordergrund, dass man die mühsamen Beziehungen zu armen und leidenden Menschen nicht mehr aufrechterhalten kann und will. Die überschwänglichen Liebesbezeugungen gegenüber den in Altenheime abgeschobenen Müttern am Muttertag sind ein Zeichen und Beweis für diesen Zustand unseres eigenen Lebens.

Vielleicht ist mit Kultur der Gleichgültigkeit auch gemeint, dass wir unser Zusammenleben immer mehr so gestalten, dass der Sinn des Lebens nicht mehr von Beziehungen, Begegnungen und dem gemeinsamen Bewältigen von Freud und Leid entsteht. Es geht immer mehr nur um mich und meine persönlichen Interessen. Vielleicht werden wir heutzutage immer weniger fähig, sinnvolle Beziehungen zu anderen Menschen überhaupt herzustellen, schon gar nicht belastende Beziehungen. Vielleicht wird damit die Einsamkeit, die Vereinzelung, immer größer.

Da ist dann kein Platz mehr für leidende Menschen um mich herum. Noch geht es mir ja gut, noch kann ich mir ein glückliches Leben voller Unternehmungen, Erfolg und Erfüllung sichern. Wenigstens nach Kräften danach streben, darum kämpfen. Leidende Menschen, Kranke und Arme stellen so einen Lebensstil immer wieder in Frage. Der glückliche Prinz Siddharta Gautama wurde in seinem glücksorientierten Lebensmodell unsicher, als er einem Alten, einem Leidenden und einem Toten begegnete, heißt es in der Geschichte. Die Begegnung mit einem Asketen wies ihm den Weg und über die Meditation gelang es ihm die Gründe für das Übel in der Welt zu durchschauen. Wesentlich für das sinnvolle Leben im Buddhismus ist die Meditation, die den Lebensdurst und die Vorläufigkeit des Glücks so tief durchschaut, dass der Mensch zur wirklichen Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber kommt, sei es Freude oder Leid, Reichtum oder Armut, Jugend oder Alter.

Anders zeigt sich da wohl die Auffassung Jesu, gerade in den Armen, Kranken, Gefangenen und Obdachlosen Gott selber zu sehen (siehe Mt 25,31-46). Provozierend hält Jesus fest, dass in der Beziehung gerade zu diesen Menschen der Jünger Jesu sein Heil und seinen Lebenssinn findet. Nicht Gleichgültigkeit, schon gar nicht das Übersehen und Nichtbeachten, nicht der Egoismus und die eigene Seligkeit stehen bei ihm im Zentrum, sondern andere Menschen – wie die Kranken und Armen der Gebetsmeinung. Die Gestaltung unseres Zusammenlebens, unsere Kultur, braucht wieder eine neue Ausrichtung auf diese Werte Jesu.


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