Februar 2015
Wir beten zu Gott, unserem Vater, für alle Gefangenen, insbesondere für jugendliche Straftäter, dass sie bereit sind, ihr Leben in Würde zu erneuern.
Welchen Sinn haben Gefängnisse? Am Stammtisch weiß man schnell, dass „sie“ dort drinnen noch das lernen, was sie vorher noch nicht gewusst haben – das Gefängnis also als ein Ort, an dem Menschen nicht gebessert werden, sondern sich tiefer in ihre kriminelle Geschichte verstricken. Wer aus dem Gefängnis herauskommt, besonders nach längeren Strafen, findet sich meistens vor gewaltigen Problemen, um sich im „normalen“ Leben wieder zu orientieren.
In manchen Ländern werden Gefängnisse vor allem als Möglichkeit gesehen, die Gesetzesbrecher einfach von der Gesellschaft fern zu halten. Sie sollen keine Gelegenheit haben der Gesellschaft zu schaden, eine Veränderung ihrer Persönlichkeit und ein Gesinnungswandel der Täter interessieren nicht. Die USA sind ein solches Land – zufällig auch weltweit das Land mit dem höchsten Bevölkerungsanteil im Gefängnis: 7,41 von 1000 Einwohnern sitzen in Haft (die nächst höchsten Quoten weisen Russland mit 5,32‰, Weißrussland mit 5,06‰ und Kuba mit 4,91‰ auf; in Deutschland sind es 0,97‰). In den USA ist das Betreiben von Gefängnissen außerdem noch ein lukratives Geschäft, das an private Firmen ausgelagert wird.
Die Kirche stellt in ihrer Soziallehre einen anderen Zugang dar, der vielleicht utopisch klingt: „Die Strafe dient nicht allein dem Ziel, die öffentliche Ordnung zu schützen und die Sicherheit der Personen zu gewährleisten: Sie wird außerdem zu einem Instrument, das der Besserung des Schuldigen dient, einer Besserung, die auch den moralischen Wert einer Sühne annehmen kann, wenn der Schuldige seine Strafe willig annimmt. Das anzustrebende Ziel ist ein zweifaches: zum einen die Wiedereingliederung der verurteilten Personen zu fördern; zum anderen eine Gerechtigkeit der Versöhnung zu verwirklichen, die geeignet ist, die durch die verbrecherische Handlung zerstörten Beziehungen des harmonischen Zusammenlebens wiederherzustellen“ (Kompendium der Soziallehre, #403).
Wer sich dem Gebetsanliegen des Papstes anschließt, wird sich also fragen dürfen: Welche Chance geben wir der Einsicht in Verfehlungen, in Verbrechen, in Gerechtigkeit? Ist unser Staat und Rechtssystem so angelegt, dass es um die Herstellung von Gerechtigkeit geht (oder reicht uns die formelle Erfüllung des Gesetzesbuchstabens)? Kann es auch für schwere Verfehlungen und Verbrechen Sühne geben? Ist Reue möglich? Kann es daher auch Versöhnung geben?
Mehr noch: Kann sich ein Mensch ändern? Haben wir als Gesellschaft ein Interesse daran, dass „Rechtsbrecher“ sich wieder in die Gesellschaft integrieren („in Würde ihr Leben erneuern“)? In welche Gesellschaft – eine die auf Gerechtigkeit aufgebaut ist? Wird ihnen von unserer Seite Verzeihung, Annahme und Aufnahme angeboten?
Das Gebetsanliegen spricht von einer „Erneuerung des Lebens in Würde“: Ein Anliegen, das wohl jedem Menschen gilt und für das man gar nicht ins Gefängnis kommen müsste, um es sich vornehmen zu können. Für Christen gibt es darüber hinaus noch weitere Orientierungen: Die eigene „Gerechtigkeit“ sollte wohl mehr sein als das Fehlen von Straffälligkeit (vgl. Lk 18,9-14). Die Rede vom Weltgericht verschärft die Perspektive noch: Jesus identifiziert sich mit denen, die im Gefängnis sitzen (zu Recht oder Unrecht wird dabei nicht gefragt!). Im Kompendium der Soziallehre heißt es daher auch: „Das Umfeld der Strafanstalten [bietet] ein bevorzugtes Gebiet, auf dem sich das christliche Engagement für den sozialen Bereich wieder einmal bewähren kann: «Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen» (Mt 25, 36)“ (Kompendium der Soziallehre, #403).