Gebetsanliegen des Hl. Vaters März 2010

März 2010

Wir beten, dass die Weltwirtschaft nach den Kriterien der Gerechtigkeit und der Gleichheit verwaltet wird und die wirklichen Bedürfnisse – vor allem der ärmsten Völker – berücksichtigt werden.

Diese Gebetsmeinung trifft den Nerv der Zeit. Seit dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 und den daraus folgenden Bank- und Firmenpleiten beschäftigen sich Medien und Gemüter mit Wirtschafts- und Finanzfragen. Die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich bis in den kleinsten Weltwinkel hinein auf Volkswirtschaften, soziale Institutionen, Arbeitsmärkte und das Gesundheitswesen ausgewirkt. Viele Tausende in aller Welt haben den Arbeitsplatz und ihre Wohnung verloren oder mussten durch Kurzarbeit drastische Gehaltskürzungen in Kauf nehmen. Gerade private Kleinanleger, die ihr Geld als Altersvorsorge angelegt hatten, haben alles verloren und stehen ohne Zusage für eine Entschädigung da.

Seitdem sind viele Menschen wieder nachdenklicher geworden. Mir scheint, dass die Ära des reinen Individualismus sich dem Ende zuneigt. Die Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, wohin ein zum Exzess betriebenes Kreisen um sich selbst und den eigenen Profit, riskante Marktspekulationen und eine rein profitorientierte Globalisierung führen. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Nicht selten bedienen jene sich selbst skrupellos, die Zugang zu Macht und Geld haben, und das häufig noch auf Kosten der Steuerzahler. Angesteckt vom Bazillus „Gier" hatten auch viele Mitbürger dies für sich selbst als erstrebenswertes Ziel angesehen und in ihrem privaten Umfeld, im kleinen Rahmen, mitgemacht. Wie sonst könnte „Mediamarkt" damit werben: „Geiz ist geil." Jetzt spüren wir, wohin das führen kann. Wir regen uns zu Recht auf, dass Manager auch dann noch hohe Rendite und Gehälter sowie gigantische Abfindungen einstreichen, wenn sie durch ihre Entscheidungen eine Bank oder einen Betrieb in den Konkurs getrieben haben. Einfachen Bürgerinnen und Bürgern werden Lohn und Eigentum gepfändet, wenn sie weit weniger Schulden machen.

Man muss ganz klar sehen, dass wir es hier mit einer Kulturkrise zu tun haben. „Systeme und Methoden, die Art, wie Menschen miteinander leben und wirtschaften, dies alles funktioniert und stimmt nicht mehr", stellt der Diplom-Volkswirt Volker Wörl fest. Es wird deutlich, dass sich Entscheidungen in Politik und Wirtschaft am Wohl der Menschen orientieren müssen, dass sie zu mehr Lebensqualität und nicht nur zu Gewinnmaximierung und höherem Lebensstandard beitragen dürfen. Die Politik muss Wirtschaft und Finanzen Vorgaben machen, sie regulieren und nicht weiter zulassen, dass Interessen von Wirtschafts- und Finanzwelt die Politik bestimmen. Wir müssen uns mit dem „Moraldefizit" vieler Banken und Großaktionäre beschäftigen, uns aber auch dem eigenen Defizit und der Notwendigkeit von mehr Gerechtigkeit und Solidarität stellen. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass zwei Milliarden Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen und führende Manager extreme Bezüge einstreichen. Der renommierte Wirtschaftsjournalist Volker Wörl stellt fest: „Die Finanzkrise beweist, dass der Kapitalismus, so wie er in den letzten Jahrzehnten praktiziert wurde, menschenfeindlich, gefährlich, unmoralisch, in gewisser Weise sogar selbstmörderisch ist." Er erläutert in seinem Buch „Die Quittung: Die Finanzkrise und was wir daraus lernen können", dass sich in vielen Lebensbereichen bei uns etwas ändern muss. Er ist aber auch davon überzeugt, dass wir alle etwas ändern können. Es ist die Frage, ob wir bereit sind, aus unseren Fehlern zu lernen und sie zu korrigieren - im eigenen Leben und dem der Gesellschaft.

Gabriele Hölzer SSpS in die Anregung 2/2010

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