Gebetsanliegen des Hl. Vaters im Juli 2010

Juli 2010

Wir beten, dass die Wahl der Regierenden in allen Ländern der Welt gerecht und transparent stattfindet und die freie Entscheidung der Bürger respektiert wird.

Freie Wahlen sind heute in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Alles, was zu einer freien Wahl gehört, wird in unserem Land nicht behindert: Es sind Parteien vorhanden und keine Einheitspartei. Die Parteien können vor den Wahlen ihre Kandidaten aufstellen und in aller Freiheit ihren Wahlkampf führen. Dabei dürfen sie die Regierung nach Strich und Faden kritisieren, solange sie auf dem Boden des Grundgesetzes bleiben.

„Wahlen“ unter dem Nazi-Regime
Wir wollen uns freuen und Gott danken, dass das so ist. Denn die Älteren von uns erinnern sich noch gut, dass es nicht immer so war. Adolf Hitler kam zwar selbst durch freie Wahlen an die Macht (wobei er am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler durch Präsident Hindenburg ernannt wurde), wandelte aber dann in kurzer Zeit die Demokratie in eine Diktatur um. Es gab keine freien Wahlen mehr. Nicht nur weil die Parteien abgeschafft wurden - außer natürlich der NSDAP. Auch bei der Wahl selber konnte man nur mit Ja oder Nein stimmen. Und für die, welche mit Ja gestimmt hatten, gab es Ja-Nadeln, die man mit Stolz am Revers trug. Und wehe dem, der nicht nach der Wahl seine Ja-Nadel zeigen konnte! Es waren also weder geheime noch freie Wahlen.
Das „tausendjährige Reich" war Gott sei Dank nach zwölf Jahren vorüber. Aber im Osten unseres Vaterlandes bildete sich eine neue Diktatur mit „Wahlen“, die nicht mehr als eine Farce waren. Die ersten freien Wahlen in der DDR fanden erst nach dem Fall der Mauer und dem Sturz des Regimes statt, und zwar am 18. März 1990. Es sind 20 Jahre her, und der deutsche Bundestag hat in diesem März eine Gedenkfeier gehalten. Für die DDR-Bürger waren dies die ersten freien Wahlen seit einem halben Jahrhundert. Ein halbes Jahr später gab es die DDR nicht mehr.
Das ist die Entwicklung in Deutschland. In vielen anderen Ländern der Erde wird bei der „Wahl der Regierenden“ „die freie Entscheidung der Bürger“ durchaus nicht „respektiert“ (Text der Gebetsmeinung). Daher sind freie Wahlen ein wichtiges Gebetsanliegen.

Das Beispiel Afghanistan
Doch freie Wahlen haben ihre Probleme. Denken wir an Afghanistan, wo deutsche Soldaten kämpfen und sterben. In Afghanistan haben offenbar alle Parteien Wahlfälschungen begangen. Dass Hamid Karsai als Staatschef wiedergewählt wurde, hat er nach dem Urteil westlicher Beobachter massiven Bestechungen und Wahlfälschungen zu verdanken. Und doch drückt der Westen beide Augen zu, weil er Karsai braucht. Doch auch viele Afghanen zeigen sich mit dem auf so dubiose Weise gewählten Karsai gar nicht so unzufrieden, weil sie glauben, dass dieses zerrissene Land eine starke Hand braucht. Und weil die Herrscher Afghanistans traditionell nie durch freie Wahl der Bürger an die Macht kamen. Wie sollten auch die Analphabeten in den entlegenen Bergdörfern zu einem politischen Urteil und zu freien Wahlen fähig sein?
Das Beispiel zeigt wohl, dass es vielleicht Länder geben mag, die erst noch für eine Demokratie westlichen Stils mit freien Wahlen vorbereitet werden müssen. Wir sollten nicht so naiv sein und meinen, alle Länder mit unserer Form der Demokratie beglücken zu müssen.

Wie geht man mit den politischen Gegnern um?
Ein Kriterium ist hier, wie die Regierenden mit ihren politischen Gegnern umgehen. Wenn diese vor der Wahl am fairen Zugang zu den Medien gehindert werden (wie in Russland), wenn sie verfolgt werden (wie im Iran und vielen anderen Staaten), dann ist das in jedem Fall ein Kriterium der Ablehnung.
Eine Möglichkeit, Wahlbetrug aufzudecken, sind die Wahlbeobachter, welche die demokratischen Staaten zu den Wahlen entsenden, die gefährdet sind. Sie können Unregelmäßigkeiten zwar oft nicht verhindern, sie können sie aber vor der Weltöffentlichkeit anprangern. Und das beeindruckt dann schließlich selbst einen Mugabe in Simbabwe und einen Kibaki in Kenia.

Karl Neumann SVD in die Anregung 4/ 2010

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