Missionsgebetsanliegen des Hl. Vaters im August 2010

August 2010

Wir beten, dass die christlichen Kirchen bereit sind, ihre Türen all jenen zu öffnen, die durch Diskriminierung wegen ihrer Rasse oder Religion, durch Hunger und Kriege gezwungen sind, in andere Länder auszuwandern.

Ist es nicht eigenartig, dass wir diese Fürbitte so formulieren? Das ist also unsere Not: die Kirche bekennt, sie ist nicht die Wohnung aller, sie ist nicht bereit, allen die Tür zu öffnen, mehr noch: ihre Türen stehen nicht offen!

Wenn wir dem Zeugnis der Heiligen Schrift glauben, dann ruft Gott uns leidenschaftlich auf, einander Raum zu schenken - tagtäglich -, Fremde willkommen zu heißen, sie teilnehmen zu lassen an unserem Leben. Er ruft uns auf, konkrete Wege zu finden, Fremden Gastfreundschaft zu schenken, ungeachtet der Kosten. Gott ruft uns heraus aus den Räumen, in denen wir uns so komfortabel eingerichtet haben. Das ist eine unbequeme Wahrheit.

Im Buch Levitikus heißt es: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen." (Lev 19,34) Die Israeliten haben am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Fremde zu sein, im Exil zu leben, das Leid der Entwurzelung zu erfahren, so dass sie nicht mehr fähig waren, das Lied des Herrn zu singen: „Wie können wir singen die Lieder des Herrn, fern, auf fremder Erde?" (Ps 137,4) Die Erfahrung des Lebens in der Fremde führte dazu, dass viele Gesetze erlassen wurden, wie Gastfreundschaft gewährt werden soll und was mit dem geschieht, der sie nicht gewährt. Die Strafe kommt einer Exkommunikation gleich (Dtn 27,19)! Es scheint da einen Zusammenhang zu geben: Einen Fremden aufnehmen (oder auch nicht) bedeutet Gott aufnehmen (oder auch nicht).

Jesus, der selbst keinen Platz hat, um sein Haupt hinzulegen, der in seiner Heimatstadt nicht akzeptiert ist, betont immer wieder, dass wir andere so willkommen heißen, wie Gott uns willkommen heißt. Er kehrt das Gesetz der Gegenseitigkeit (ich grüße dich, du grüßt mich, ich lade dich ein, du lädst mich ein...) um in das Mandat uneingeschränkter Gastfreundschaft denen gegenüber, die sie nie erwidern, geschweige denn, „bezahlen" können. Er stellt die Welt auf den Kopf - sehr zur Irritation und zum Ärgernis seiner Zuhörer!

  • Da hilft der Fremde, der Samariter, dem unter die Räuber Gefallenen. (Vgl. Lk 10)
  • Da berichtet Jesus, was geschieht, wenn die eigenen Ressourcen nicht bereitwillig mit den Armen geteilt werden. (Vgl. die Parabel vom reichen Mann und Lazarus, Lk 16)
  • Da entscheidet sich Jesus; er geht ins Haus des Zollpächters Zachäus - „ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein" -, um mit ihm zu essen und ihm zuzusprechen: „Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden." (Vgl. Lk 19)
  • Er verheißt allen Anteil an seinem Leben, die ihn (obwohl sie es nicht wussten!) willkommen geheißen haben in dem letzten seiner Brüder und der letzten seiner Schwestern, nämlich den Fremden, Armen und Ausgestoßenen. (Vgl. Mt 25)

Wir haben keinen Mangel an Fremden, die wir willkommen heißen und aufnehmen können in unsere „Wohnung". Die globale Migrationsbewegung stört das Leben, das wir eingerichtet haben, sie ist eine enorme Herausforderung. Die Staaten antworten mit immer strengeren Gesetzen, die die Migranten in unserer Mitte isolieren und dafür bestrafen, dass sie ihr Heimatland verlassen haben, verlassen mussten. Oft wird ihre Menschenwürde verletzt.

Wenn wir Fremde willkommen heißen, ihnen Gastfreundschaft schenken und solidarisch mit ihnen sind, wenn wir auf ungerechte Gesetze hinweisen, dann verrichten wir Gottes Werk. Gastfreundschaft ist keine gesellschaftliche Nettigkeit, ist alles andere als bequem, Gastfreundschaft ist eine Herausforderung. Sie erfordert eine Art göttlicher Betroffenheit, eine verschwenderische Offenheit für Fremde wie für Nachbarn und sogar gegenüber Feinden. Unsere Regierungen beurteilen diese Haltung vielleicht als gefährlich, aber in Gottes Augen steht Gastfreundschaft über der eigenen Sicherheit.

Eine amerikanische Schwester, die sich dafür einsetzt, dass afrikanische Flüchtlinge in Kalifornien eine neue Heimat erhalten, erzählt folgende Begebenheit. Einer der Flüchtlinge hatte entdeckt, dass die katholischen Kirchen die meiste Zeit verschlossen sind. Er fragte besorgt: „Wo werden Reisende während der Nacht schlafen?"

Sind echte Gastfreundschaft und ein herzliches Willkommen möglich, wenn wir unsere Besitztümer schützen müssen? In einem Gedicht von D. H. Lawrence, in Anlehnung an Gen 18, heißt es (frei übersetzt):

Was ist es, das Klopfen?
Was ist es, das Klopfen an die Tür des Nachts?
Es ist jemand, der uns Unheil bringt.
Nein, nein, es sind drei fremde Engel.
Lass' sie herein, lass' sie herein.

Für die Kirche, die wir sind, ist es eine Herausforderung, aber auch ein großes Privileg, Wege zu finden, Gottes bedingungsloses Willkommen, seine grenzenlose Liebe zu allen Menschen in unserer zerrissenen Welt zu inkarnieren. Wenn wir unsere Türen öffnen, werden wir erfahren, dass wir Gott in unser Leben eingeladen haben. Und Gott, den wir nicht erkannt haben, wird beginnen, für uns zu sorgen. Er wird sich gürten, uns zu Tisch bitten und uns bedienen. (Vgl. Lk 12,37) Unvorstellbare Zuwendung Gottes!

Ilse Beckmann SSpS in die Anregung 4/ 2010

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