Gebetsanliegen des Hl. Vaters im April 2010

April 2010

Wir beten für alle Menschen, die mit Fundamentalisten und Extremisten konfrontiert werden, dass sie ihnen mit Respekt Toleranz und Dialogbereitschaft unter den Religionen entgegenstellen.

Dies ist eine eigenartige Gebetsmeinung, da Gott darin gar nicht vorkommt. Was wird hier von ihm erwartet? Was erbitten wir für uns und was für die anderen? Das scheint mir hier nicht klar ersichtlich zu sein.

Es geht um fundamentalistisches und extremistisches Bestreben auf der einen Seite, dem mit Respekt, Toleranz und Dialog auf der anderen Seite begegnet werden soll. Was ist eigentlich Fundamentalismus? Meist meinen wir damit unterschiedslos konservative religiöse Gruppen, gewalttätige Mitglieder einiger Volksgruppen mit mehr oder weniger religiöser Motivation, oder Terroristen. Wir denken dabei an die Taliban, die Eta, an fundamentalistische Moslems, Hindus und Juden. Diesen Begriff haben jedoch christliche Gruppen in den USA zuerst für sich selbst gebraucht, die sich gegen liberale Theologie und insbesondere die historisch-kritische Bibelmethode wandten. Zu ihren fünf „Fundamenten" erklärten sie: die Irrtumslosigkeit und Autorität der Bibel; die Gottheit Jesu Christi; seine jungfräuliche Geburt und seine Wunder; seinen Tod für die Sünden der Menschen; seine leibliche Auferstehung und persönliche Wiederkehr.

Der Fundamentalismus ist eine Gegenbewegung gegen die Moderne. Fundamentalisten sehen grundlegende Werte ihrer Religion durch Relativismus, sexuelle Selbstbestimmung, Pluralismus, Toleranz und das Fehlen einer starken Autorität gefährdet. Sie setzen sich leidenschaftlich ein für die Rückkehr zu traditionellen Werten und für ein striktes Festhalten an religiösen Dogmen, Riten und Bräuchen. Ein Mittel dazu sehen sie im politischen Engagement. Viele geben die in westlichen Ländern übliche Trennung von Kirche und Staat auf, um ihre Ziele auch mit politischen Mitteln durchsetzen zu können. Glaube verleiht Menschen Sicherheit, Halt, Hoffnung, Trost, Solidarität und Verbundenheit. Er eint Menschen zu einer starken Gemeinschaft, in der füreinander gesorgt wird.

Sehen wir einmal von den sehr extremen Gruppierungen ab und schauen auf Dynamiken und Tendenzen, können wir uns vielleicht fragen: Gibt es Fundamentalistisches nicht auch in manchen deutschen Parteien? Ich denke da z.B. an die „Christliche Mitte". Tragen manche Auseinandersetzungen in unseren Gemeinden und Familien nicht auch solche Züge? Viele Menschen setzen sich z.B. für den Erhalt der Mundkommunion ein, bedauern die Abschaffung der Kommunionbänke, lehnen den Einsatz von Kommunionhelferinnen und -helfern ab. In Familien gibt es Streit, weil Kinder sich anders kleiden, frisieren, andere Musik hören und ihre Feste anders feiern. Vielleicht finden wir Tendenzen auch in uns selbst? Wir tun uns vielleicht schwer, einer ledigen Mutter, einem gleichgeschlechtlichen Paar oder einem Punk vorurteilsfrei zu begegnen.

Wen treibt nicht die Sorge um die Zukunft der Kirche, die eigene Gemeinde, unsere Gesellschaft und die Familien um? Wir spüren, dass heutige Werte, moralische und religiöse Vorstellungen und Praktiken uns sehr stark herausfordern. Vielleicht gehören wir zu jenen, die eher dazu neigen, alles Moderne zu verteufeln und abzulehnen, ja es für die heutige Misere verantwortlich zu machen. Oder wir rechnen uns zu jenen, die nach neuen Wegen suchen, die sich für ein Gespräch mit der modernen Welt einsetzen. Es kann auch sein, dass wir bei bestimmten Themen, z.B. Sexualmoral, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, eher zu einer fundamentalistischen Ansicht neigen und bei anderen Themen wie die Beteiligung von Frauen in der Kirche fortschrittlich gesinnt sind. Wenn wir ehrlich mit uns und miteinander sind, müssen wir eingestehen, dass wir da vor sehr komplexen Zusammenhängen stehen und noch weit entfernt sind von einem gewaltfreien und konstruktiven Dialog mit uns selbst, innerhalb unserer Kirche, unserer Gemeinden und Familien.

In der Fürbitte wird von „jedem" fundamentalistischen und extremistischen Bestreben gesprochen, die mit „fortwährendem" Respekt, Toleranz und Dialog beantwortet werden. Das ist die Maximalforderung. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir Menschen mit anderen Positionen, Glaubenseinstellungen oder politischen Positionen zuhören würden.

Gabriele Hölzer SSpS in die Anregung 2/ 2010

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