Allgemeinen Gebetsmeinung - Juni 2009

01. Jun 2009

Wir beten für die Menschen in den Hungergebieten der Erde, dass sie wirksame Hilfe erfahren und von der erdrückenden Last ihrer Auslands-Schulden befreit werden.

Option für die Armen 

Die `Option für die Armen', aus dem Ringen der lateinamerikanischen Kirche um die Lösung der fundamentalen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme in ihren jeweiligen Ländern entstanden, hat sich inzwischen eine feste Größe im Bewusstsein des pastoralen und sozialpolitischen Engagements der Gesamtkirche erobert. Und das zu Recht. Sie ist biblisch begründet. Sie durchzieht die Bibel wie ein roter Faden. Ein unübersehbarer und unüberhörbarer Höhepunkt, neben vielen anderen, ist im Alten Testament die Botschaft des Propheten Amos und dann im Neuen Testament das gesamte Jesusereignis vor allem in der lukanischen Darstellungsversion. Unübersehbar und unüberhörbar ist da vor allem das Verhalten Jesu selbst in seiner Vorliebe für die wirtschaftlich und spirituell armen, ausgegrenzten und ausgebeuteten Existenzen und seine Verkündigung, man denke nur z.B. an die Bergpredigt bzw. Feldrede und an die Geschichte vom barmherzigen Samaritaner. In seiner Rede zur Eröffnung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz im brasilianischen Aparecida hat auch Papst Benedikt darauf hingewiesen, dass die `Option für die Armen' schon im Jesusereignis begründet ist. Denn in diesem Ereignis zeigt sich ein „Gott, der für uns arm geworden ist, um uns mit seiner Armut zu bereichern". Schon vor elf Jahren haben die beiden großen Kirchen in einem gemeinsamen Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland die `Option für die Armen' als Gerechtigkeitskriterium neben der Solidarität, Subsidiarität und der Nachhaltigkeit betont. Es heißt da: „In der Perspektive einer christlichen Ethik muss darum alles Handeln und Entscheiden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, inwiefern es die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichem Handeln befähigt" (Nr. 107).


Umsetzungsprobleme 

So anerkannt die `Option für die Armen' in den christlichen Kirchen und den für die Einsichten der Kirchen offenen christlich orientierten Kreisen und politischen Gruppierungen ist, so schwierig ist sie in den konkreten praktischen Entwicklungsprogrammen der jeweiligen Regierungen durchzusetzen. Die Durchsetzung der `Option für die Armen' hat z.B. immer noch mit den alten, eingeschliffenen kolonialen Denkmustern zu tun. Ihre Schwerpunkte lagen in der politischen Kontrolle, der Ausbeutung der Ressourcen und der Arbeitskräfte und der Erschließung neuer Märkte in den jeweiligen Ländern und Regionen. Dabei spielten große Kapital- und Handelsgesellschaften und die von ihnen auf vielfältige Weise mit wirtschaftlichen Versprechungen und anderen Vorteilen geköderten und oft bestochenen Regierungen eine wichtige Rolle. Um ähnliche weltweite wirtschaftspolitische Denkweisen und Verhaltensschemata geht es auch in unserer Gegenwart. „Seit den achtziger Jahren (des vergangenen Jahrhunderts) bestimmen beispielsweise die westlichen Industriestaaten über die `Strategischen Anpassungsprogramme' (SAPs) der Weltbank und des internationalen Währungsfonds die Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik fast aller Entwicklungsländer. Das bedeutete Orientierung der Wirtschaft auf Exporte zur Schuldentilgung, Marktöffnung für ausländische Waren durch Abbau der Zölle und dadurch oft den Bankrott lokaler Industrien. SAPs waren vielleicht nötig zur Sanierung der Staatsfinanzen. Eine eigenständige Landwirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen in neuen Industrien haben sie verhindert" (Wolfgang Schonecke).


Neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen 

Es gilt, neue gerechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen und das Schuldenmanagement neu zu strukturieren, da unser Wirtschaftssystem die Stärkeren begünstigt. Zu diesem neuen Schuldenmanagement gehört auch der Schuldenerlass. „Erst die `Option für die Armen' in den globalen Rahmenbedingungen kann den Freiraum schaffen, in dem die Menschen des Südens ihre eigene Zukunft gestalten können (Wolfgang Schonecke). Auf diese Realität hat schon vor über vierzig Jahren Papst Paul Vl. in seiner Enzyklika „Populorum Progressio" hingewiesen, wenn er schreibt: „Im Handel zwischen hoch entwickelten und unterentwickelten Wirtschaften sind die Bedingungen zu unterschiedlich und der Grad wirklicher Freiheit zu ungleich. Damit internationaler Handel menschlich und moralisch ist, verlangt die soziale Gerechtigkeit, dass zuerst unter den Partnern eine gewisse Chancengleichheit geschaffen wird" (Nr. 61).


Quellen:
Alexander Foitzik: Eine Option für die Armen, Herder Korrespondenz 61 7/2007, 325 ff.
Wolfgang Schonecke: Keine simplen Konzepte, Herder Korrespondenz 61 9/2007, 458 ff.

 


Franz-Josef Janicki SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung Juni 2009 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 3/2009, Steyler Verlag, Nettetal

ndk

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