Missionsgebetsmeinung - November 2008

01. Nov 2008

Wir beten für die christlichen Gemeinden in Asien, die reich an Kultur und Spiritualität sind, dass sie neue Wege finden, Christus unter den Völkern ihres Kontinents in glaubwürdiger Treue zum Evangelium zu verkünden.

Es ist bekannt, dass Asiaten gern in Symbolen und Bildern denken und sprechen, dass sie sich weniger auf analytisches Argumentieren und Spekulationen einlassen. In China sprechen zwei Symbole eine besonders beredte Sprache: "Die Grosse Mauer" und "Die Seidenstraße."

 

Die große Mauer wurde vor mehr als 2000 Jahren gebaut, sie erstreckt sich über 6000 km und es heißt, dass sie das einzige von Menschen gebaute Werk ist, das vom Mond aus gesehen wurde. Wirklich ein großartiges Bauwerk, ein Symbol der Größe und Macht des "Reiches der Mitte," ein Zeugnis für die Klugheit des chinesischen Volkes! Aber die Große Mauer ist eben wie jede Mauer auch ein Zeichen von Trennung, Teilung, Isolierung, Verteidigungsdenken. Sie wurde gebaut, um das Reich vor Einfällen aus dem Norden zu schützen.

 

Das zweite Symbol steht irgendwie im Widerspruch zum ersten. Es hat den poetischen Namen "Seidenstraße". Fast gleichzeitig mit dem Bau der Großen Mauer entstand die Seidenstraße als Verbindung zwischen Asien und Europa, zwischen Ost und West. Sie begann im Herzen Chinas und reichte bis Rom, dem Herzen des Römischen Weltreiches. Diese Straße wurde nicht auf Geheiß von großen Königen gebaut, noch war sie Teil eines militärischen Projektes, sondern eher das Werk gewöhnlicher Menschen: von Kaufleuten, Forschem, Missionaren, Mönchen, usw. Die Seidenstraße war ein starkes Zeugnis von der gegenseitigen Anziehungskraft von Ost und West, von dem Willen, das Selbst zu verlassen und zum Anderen, dem Mysteriösen zu gehen. Auf der Seidenstraße trafen sich Ost und West in gegenseitiger Hochachtung, in kulturellem, religiösem und künstlerischem Austausch. Jeder brachte dem andern das beste, das schönste und das originellste an Produkten, und beide vergaßen darüber den Anspruch "Zentrum der Welt" zu sein. Die Seidenstraße ist seit Jahrhunderten verschwunden. Jedoch sollte sie wirksam bleiben in dem Sinne, dass sie uns den Weg zu einer fruchtbaren Evangelisierung zeigt: eine wendige Straße mit vielen kleinen Fußstapfen, einfach, aber tief in den Boden eingegraben, beständig begangen, eng, aber weit ausladend.

 

In der Evangelisierung Chinas wie auch anderer asiatischer Länder sind Mauern errichtet worden. Zu oft wurden die Unterschiede zwischen den christlichen Glaubensgütern und andersartigen religiösen und kulturellen Werten herausgestellt und (über)betont. Die christliche Religion wird aus diesem Grunde von vielen Asiaten als ausländisch, westlich eingestuft.

 

Die Evangelisierung in Asien sollte in keiner Weise auf ein Errichten von Mauern hinauslaufen. Christus kommt, um alle Mauern, die uns trennen, niederzureißen; er ist der Weg zu unserer "Kommunion". Durch den Abbruch von Mauern schafft Er in sich eine Einheit aller Verschiedenheiten. Er belehrt uns, dass alle Menschen, ganz gleich zu welcher Rasse und Kultur gehörend, sich auf dem gleichen Weg zum gleichen Ziel befinden. Trotz aller Verschiedenheiten macht Jesus es möglich, dass die Menschen als Brüder und Schwestern leben und einen einzigen Vater, der im Himmel wohnt, anerkennen. In Ihm ist eine neue Harmonie sichtbar geworden. Er Selbst ist der Weg, der Raum, wo vertikaler Verkehr mit dem Göttlichen und horizontaler Verkehr mit der Welt, mit allen Menschen, möglich ist. Der "Weg" ist eine der beliebtesten Metaphern im asiatischen Denken und ist häufig in östlichen Religionen und Philosophien vertreten. Das Wort "tao" im "Taoismus" ist eben "der Weg."

 

Wenn wir uns nach diesen Überlegungen noch vor Augen halten, dass Asien der Kontinent ist, auf dem Christus - nach göttlichem Beschluss - geboren wurde, lebte, starb und auferstand, dürften wir etwas von dem Wohlwollen und der Liebe ahnen, mit der Gott auf diesen großen Kontinent schaut. Beten wir, dass die christlichen Gemeinden Asiens das Antlitz Christi immer klarer aufleuchten lassen.

 

Kommentar zur Missionsgebetsmeinung November 2008 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 6/2008, Steyler Verlag, Nettetal

Arnold Sprenger SVD

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