01. Nov 2006
Wir beten, dass überall auf der Welt der Terrorismus aufhört.
Terrorismus weltweit
Der Terrorismus und die damit verbundene Gewalt ist kein lokal begrenztes Phänomen mehr. Er ist fast auf der ganzen Welt in unterschiedlichen Realisationen zu finden und wächst in den letzten Jahren immer mehr zu einer bisher nicht gekannten, bedrohlichen "High-Tech-Form" heran. Seine weltweite internationale Vernetzung hat die bisher bestehenden Abwehrinstrumente unterlaufen und weite Teile der Welt in eine lähmende Hilflosigkeit versetzt, aus der sie sich erst allmählich zu lösen beginnen.
Warum Terrorismus?
Was treibt Menschen dazu, sich in einen gnadenlosen Vernichtungskampf gegen sich selbst und gegen andere, die oft zufällig anwesend sind, hineinzustürzen? Was bringt sie dazu, eine sinnlose "Globalisierung des Todes" und eine Ausrottungswelle von Hekatomben menschlichen Lebens zu organisieren und den Berg der Leichen und des Leids in der Welt in eine kaum vorstellbare Höhe zu treiben? Was veranlasst sie dazu, in einem hemmungslosen Hass und lebensverachtenden Zynismus Leben sinnlos auszulöschen und von dieser Welt zu fegen? Alle Antwortversuche, so überraschend luzide sie in einem bestimmten Denk- und Erklärungshorizont als "logisch" greifend erscheinen, brechen zusammen vor dem Tod eines einzigen unschuldigen Kindes. Das in eine dunkle, unauslotbar tragische Tiefe der menschlichen Geschichte hineinreichende, unverstehbare Geheimnis des Bösen erhebt da seine teuflische Fratze und stellt die höhnische Frage nach der Realität und Wirkmächtigkeit eines Gottes der Liebe, wie er uns in der biblischen Botschaft und vor allem im Jesusereignis nahe gekommen ist.
Überwindung des Terrorismus
Die leidvolle, menschenverachtende, vernichtende und oft todbringende Spur des Terrorismus in unserer Welt wirft die notwendige Frage auf, wie der "Sumpf des internationalen Terrorismus" trocken gelegt oder zumindest teilweise eingegrenzt werden kann. Da das Phänomen des internationalen Terrorismus sich in vielen schillernden Farben zeigt, in differierenden Variationen auftritt, und seine Wurzeln, aus denen er sich herleitet, kaum klar definiert werden können, ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten. Aber einige Wege, die sich für die Eingrenzung oder teilweise Überwindung des internationalen Terrorismus als gangbar erweisen, gründen sich auf die Durchsetzung des jeweiligen staatlichen Gewaltmonopols, auf die Institutionen der "Vereinten Nationen", auf die jeweiligen unabhängigen Gerichte und auf eine umfassende Aufklärung der kulturellen und weltanschaulichen Voraussetzungen der Gewalt mit ihren Tendenzen, Vorbehalte und Vorurteile gegenüber dem jeweils Fremden zu bilden.
Terrorismus und Religion
Das allein aber wird noch nicht genügen. Da sich oft die Menschen, die sich zu terroristischen Handlungen hinreißen lassen, auf religiöse Überzeugungen berufen und von ihnen her sogar ihre Taten als Aktionen des "Heiligen Kriegs" deklarieren, muss auch gerade das Verhältnis der Religionen zur Gewalt aufgearbeitet werden. Dazu schreibt Bischof Huber: "Religion kann zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht werden. Bevor wir als Christen diese Einsicht in voreiliger Weise mit einem Urteil über den Islam als Religion verbinden, sollten wir uns erinnern, dass im vergangenen Jahrtausend im Namen des Christentums Kriege geführt und Menschen getötet wurden. Die Christenheit ist von Schuld nicht frei. Umso mehr haben wir Grund, uns im Gespräch der Religionen um Klarheit zu bemühen. 'Das waren keine Muslime.' So reagierte Raschid Chalikow, ein hochrangiger islamischer Geistlicher aus der Wolgaregion, auf das Geiseldrama in Beslan. Wer Kinder als Geiseln nimmt, wer Frauen Gewalt antut, wer Menschen zu Hunderten dem Tod ausliefert, kann sich dafür nicht auf Gott berufen, auf welchen auch immer. Was brauchen wir demnach, um aus der Spirale der Gewalt auszubrechen? Nötig ist, dass die Religionen gemeinsam der Gewalt abschwören. Das geht freilich nicht ohne Kenntnis des Anderen. Wir brauchen gerade heute den Dialog der Kulturen und Religionen. Die Bereitschaft, Differenzen wahrzunehmen und auszuhalten. Den Mut, das Fremde und die Fremden als Gegenüber und nicht als Gegner zu sehen."
Der jesuanische Ansatz
Für Christinnen und Christen, aber nicht nur für sie, ist der jesuanische Ansatz wichtig: "Jesus geht aus vom Wunsch jedes Menschen, dass andere mit ihm menschlich umgehen (goldene Regel Mt 7,12). Er entfaltet ihn in Richtung der Einübung einer neuen Praxis, die von Gott her denkt und deshalb auch und gerade Feinde einschließt. Adressaten der Feindesliebe sind alle Menschen, jeder in seinen besonderen Verstrickungen als Mitverursacher, Täter und Opfer von ungerechten Strukturen und Gewalttaten. Leben in der Feindesliebe heißt deswegen, in versöhnter Gemeinschaft leben, die erfahrene Feindesliebe weitergeben, einen umfassenden Friedensdienst in einer verpflichtenden Lern- und Lebensgemeinschaft einüben und zum Leiden bereit sein (Vertreibung, Verfolgung bis zum Martyrium). Auch wenn Gewaltstrukturen noch bestehen, erfahren wir schon jetzt Feindesliebe als Erfüllung des Menschseins" (Theologischer Arbeitskreis von Church and Peace). In diesen Rahmen gehört auch das Gebet um die Überwindung des Terrorismus in der Welt sowie um Frieden und Versöhnung unter den Völkern.
Franz-Josef Janicki SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung November 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 6/2006, Steyler Verlag, Nettetal