Missionarische Gebetsmeinung - November 2006

01. Nov 2006

Wir beten, dass die alten und neuen Ketten, die die Entwicklung des afrikanischen Kontinents behindern, mit vereinten Kräften der Gläubigen und der zivilen Gesellschaft gesprengt werden.

Der afrikanische Kontinent ist bei vielen Menschen heute mit der Vorstellung von allen möglichen Kalamitäten jeder Art verbunden: von Seuchen und Krankheiten wie AIDS, Malaria, Hungersnöten, sterbenden Kindern, Millionen Flüchtlingen und vertriebenen, elendig aussehenden und halbverhungerten Menschen. Afrika wird beurteilt als ein Kontinent, der heimgesucht wird von Kriegen zwischen zahllosen Volksgruppen und ethnisch verschiedenen Stämmen, wobei die Bilder von ethnischer Säuberungen und Ausrottung ganzer Volksgruppen, wie es in Burundi und Ruanda geschah, die Phantasie vieler beschäftigen. Afrika erinnert an religiöse Spannungen und oft blutige Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und anderen Religionen, besonders mit dem Christentum, wobei man nur an den Sudan zu denken braucht. Hinzu kommen noch kulturell bestimmte Vorstellungen von politischer Macht, die ein demokratisches Zusammenleben von verschiedenen Stämmen fast unmöglich machen, was sich vor allem darin zeigt, dass Landesführer sich als macht- und besitzhungrige Despoten aufführen und nur das eigene Interesse und das ihrer Gruppen verfolgen und damit das Land unweigerlich in schreckliches Elend und Anarchie treiben.  

Angesicht solcher Tatsachen könnte einem das Wort von Reinhold Schneider in den Sinn kommen, der damals unter der nazistischen Bedrohung Europas den Satz formulierte: "Nur den Betern kann es noch gelingen", die Katastrophe abzuwenden. Aber genau dazu ruft uns die monatliche Gebetsmeinung für Afrika auf. Nach Karl Rahner sollten wir nicht vergessen, dass das Gebet die stärkste Macht ist, die es in dieser Welt gibt, weil Gott uns im Gebet Anteil nehmen lässt an seiner Vorsehung, die den Willen des Menschen zum Guten lenken kann, ohne die Freiheit des Menschen zu beeinflussen. Nach ihm kann auch der verhärtetste und korrupteste Machthaber auf Dauer sich nicht dem Gebetseinfluss entziehen und sich dem Wirken Gottes so gänzlich verschließen, dass er sich nie zur Umkehr bewegen lässt.

Es wäre aber nur die halbe Wahrheit, wenn wir Afrika nur von seinen Problemen und Schwierigkeiten her sehen und beurteilen würden. Man muss selber in Afrika gewesen sein und seine Menschen erlebt leben, um zu spüren, was für lebensfrohe und warmherzige Menschen die Afrikaner sind. Ihre Freude am Leben, ihre Gesänge, ihre Gastfreundlichkeit, aber auch ihre Fähigkeit Leid und Not in großer Geduld anzunehmen und zu ertragen, könnten uns Menschen im Westen so manches lehren, besonders aber dankbarer das zu sehen, was wir im Überfluss besitzen und es nicht als angeborenes Recht zu betrachten, sondern als ein Geschenk Gottes, das wir froh und freudig teilen sollten mit denen, die in Armut und Elend leben.

Im Bezug auf unsere christlichen Brüder und Schwestern in Afrika dürfen wir nicht vergessen: Die Kirche in Afrika ist eine wachsende Kirche. Nirgendwo wächst die Kirche so schnell wie hier. Im Letzten ist es ein Wettrennen zwischen dem Islam und dem Christentum, denn die anderen Religionen haben in Afrika kaum eine Chance zu überleben. Besonders beachtlich ist es, dass in vielen Ländern Afrikas die Priesterseminare fast überfüllt sind. In absehbarer Zeit wird es genug Priester in Afrika geben, sodass keine ausländischen Hilfskräfte im seelsorgerlichen Bereich mehr nötig sind, sondern dass Afrika selbst Priester zur Verfügung stellen kann, wo Mangel herrscht. Ähnliches lässt sich über Ordensberufe sowohl für männliche wie frauliche Orden und religiöse Gemeinschaften sagen.

Für einige Jahre schon gebe ich in Ghana Vorträge für Teilnehmer an Bibelkursen. Die Mehrzahl der Teilnehmer sind Laien, meist Familienväter und -mütter. Was mich immer am tiefsten beeindruckt, ist der Opfergeist und die Begeisterung, mit der diese Menschen ihren Glauben leben. Sie sind es, die die christlichen Gemeinden in den entlegensten Dörfern und Ortschaften leiten und seelsorglich betreuen und das oft unter großen persönlichen Opfern für ein Minimum von Bezahlung. Ich habe mich oft gefragt: Was wäre Afrikas Kirche ohne diese tiefgläubigen und heroischen Menschen, die meistens nicht erwähnt oder für selbstverständlich genommen werden? Mehr an sie zu denken und für sie zu beten, sollte sicher einen Platz in unserer Gebetsmeinung für die Missionen haben und nicht nur das Gebet für Ordens- und Priesterberufe in Afrika.

Was jedoch den religiösen Frieden in den verschiedenen Kirchen am meisten stört, sind die vielen neuen Freikirchen und Pfingstgemeinschaften, die oft buchstäblich über die Großkirchen herfallen und von hier ihre Mitglieder rekrutieren, anstelle sich direkt an die noch nicht christliche Bevölkerung zu wenden. Das Resultat ist gewöhnlich - wie ich immer wieder von den Priestern in den Pfarreien hörte -, dass ganze Familien, die früher katholisch waren, nun gespalten sind und oft nicht mehr miteinander verkehren. Hier wird der christliche Glaube nicht zu einem einigenden Band untereinander, sondern genau ins Gegenteil verkehrt: Der Glaube stiftet Trennung, Uneinigkeit und oft sogar Feindschaft innerhalb derselben Familie. Uralte heidnische Riten werden gebraucht, um sich gegenseitig Unglück und Verderben zu bereiten, im tiefsten Widerspruch zur Botschaft des Evangeliums, die von Hass befreit und Leben gibt.

Ein Bollwerk gegen diese Bedrohung sind vor allem die kleinen christlichen Basisgemeinden, die von der Afrikanischen Bischofssynode als ein Modell pastoraler Planung für die Zukunft angenommen wurden. Nur so können die meisten Christen ihren Glauben besser kennenlernen und auch praktizieren. Da die Freikirchen meistens mit der Bibel gegen die Christen der Großkirchen argumentieren, ist eine tiefe Kenntnis der Schrift überlebensnotwendig. Wie sich zeigt, sind solche Katholiken am besten gerüstet, dem Druck der Freikirchen zu widerstehen, die grundlegende Kenntnisse der Bibel haben und für die das Wort Gottes zum Prinzip ihres christlichen Handels geworden ist.

Worum es in der Gebetsmeinung für Afrika geht, ist ein weitgesteckter Rahmen. Sicher, Afrika braucht alle menschlich erdenkliche Hilfe, die sich finden lässt, um die Hindernisse zu überwinden, "die die Entwicklung des Kontinents behindern". Dies gilt umso mehr für uns Christen, da Afrika der Hoffnungsträger der Kirche der Zukunft sein wird. Denn nirgendwo wächst der christliche Glaube so schnell wie in diesem geschundenen Kontinent.

Wenn auch alle Kräfte und Zuwendungen menschlicher Hilfe dringend notwendig sind, um diesem Kontinent eine menschenwürdige Zukunft zu sichern angesichts der fast unüberwindlichen Hindernisse von innen und außen, scheint das oben zitierte Wort von Reinhold Schneider doch eher eine Zuversicht zu sein als eine Verzweiflungstat, nämlich, dass es vor allem den Betern gelingen kann, diese notwendigen Kräfte zu wecken und zur Tat zu bewegen.

 

Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung November 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 6/2006, Steyler Verlag, Nettetal

Johannes Füllenbach SVD

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