01. Okt 2006
Wir beten für alle Getauften, dass sie im Glauben wachsen und ihr Leben danach ausrichten.
Glaube als Gnade und Aufgabe
Der Glaube ist nicht in erster Linie des Menschen Werk, sondern zuerst und wesentlich ein Geschenk der Gnade Gottes. Aber der Mensch hat auch eine Verantwortung für das Wachsen im Glauben, das Erlernen und Verstehen der Glaubensinhalte. Hierbei haben zum Beispiel besonders die Eltern eine ureigene und nicht zu delegierende Aufgabe ge-genüber ihren Kindern. Bei Taufgesprächen habe ich immer wieder auf diese im Grunde wunderbare Aufgabe hingewiesen: Was gäbe es Schöneres und Wichtigeres, als den Kin-dern von der eigenen Glaubenserfahrung zu erzählen; dass da ein Gott ist, der jeden gewollt hat und nicht aufhört - geschehe, was geschehe -, uns Menschen zu lieben. Da-gegen wandten die Eltern mitunter ein, dass sie dafür ja nicht ausgebildet seien. Das wiederum habe ich zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, wie wichtig es sei, sich auch im Glauben fortzubilden - nicht nur im beruflichen Bereich. Und dass es in erster Linie ja auch nicht um die Vermittlung von Wissen gehe, sondern um das Weitergeben der Glaubenserfahrung, wozu auch Fragen und Unsicherheiten gehören. Das Kind erfährt und erleidet oft auch die Spannungen zwischen den Eltern, die Konflikte, die sie nicht lösen können - aber ebenso im positiven Sinne, woraus die Eltern Kraft schöpfen für ihr Leben; woran sie sich im Letzten festmachen (= glauben), auch wenn sie dies nicht ex-pressis verbis dem Kind klarmachen.
Einige statistische Angaben über die Kirche in Deutschland
Nach den neuesten statistischen Angaben aus den 27 (Erz-)Bistümern lebten im Jahr 2004 in Deutschland fast 26 Millionen Katholiken. Die Zahl hat gegenüber dem Vorjahr um knapp 180.000 oder 0,7 % erneut abgenommen (Vorjahr minus 1,1 %). Seit 1990 hat sich die Zahl der Katholiken in Deutschland damit um 2,27 Millionen bzw. um 8,0 % verringert und hat dem absoluten Wert nach wieder den Stand des Jahres 1960 erreicht. Die Katholikenzahlen - sieht man einmal vom Zuwachs durch die Wiedervereinigung 1990 ab - sind schon seit 1974 rückläufig. (Arbeitshilfe DBK Nr. 199) Das bedeutet dann aber auch, dass die Weitergabe des Glaubens und die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche nicht mehr so selbstverständlich sind wie früher. Dass weniger Kinder getauft werden; dass immer weniger Menschen einen direkten, engagierten Kontakt zur Kirche und erst recht zu ihrer Pfarrgemeinde haben. - Man sucht sich vielmehr die Kirche, die Gemeinde, den Priester nach eigenen Kriterien (was einen anspricht, einem gefällt, aber auch wo man relativ anonym bleiben kann). Dazu kommt, dass der Glaube oft von den Menschen als eine zutiefst private und intime Angelegenheit des Einzelnen angesehen wird, die man für sich behält. Ein Beispiel aus einem Cartoon in einer Zeitschrift: Bei einer Party treffen sich die Leute, stehen mit ihrem Glas in der Runde und unterhalten sich über Gott und die Welt". Da fragt einer seinen Nebenmann: "Stehen Sie der Kirche nahe? Sind Sie Christ?" Der andere verwirrt und mit einem roten Kopf: "Oh, - merkt man das?" - Und dabei werden wir bei der Taufe mit Chrisam gesalbt, um unsere priesterliche, königliche und prophetische Aufgabe zu erfüllen. Wie weit sind wir oft davon entfernt! Aber viel-leicht hat man von Seiten der Amtskirche auch einiges dazu getan und die Laien zu sehr in ihre Schranken gewiesen, ihnen zu wenig zugetraut und auch zugemutet.
Einladen - zutrauen - zumuten
Gott sei Dank gibt es auch viele erfreuliche Beispiele, wo Christen sich ihrer Aufgabe und Sendung durchaus bewusst sind und sie kritisch sehen und leben. Immer wieder - und vielleicht in Zukunft noch verstärkt - erlebt man in den Pfarreien, dass es bei der Erstkommunion- oder Firmvorbereitung Engpässe gibt, was die Katecheten angeht. Natürlich kommt es darauf an, wie man einlädt; welche Hilfen man den Frauen und Männern, ja auch Jugendlichen gibt; wie sie eingeladen werden, bewusst ihren Platz in der Gemeinde wahrzunehmen. Hierbei dürften wir ruhig dem Heiligen Geist mehr zutrauen, dass er die-se Menschen wirklich innerlich "begeistert" und sie so zu lebendigen Steinen der Kirche werden lässt. Bei aller Problematik, die es mit Katecheten geben mag oder auch gibt - und gibt es sie nicht auch mit Priestern bzw. Hauptamtlichen? - dürfen wir nicht hinter den erneuerten Kirchenbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils - die Kirche als das "Volk Gottes unterwegs" - zurückfallen in ein Kirchenverständnis, wo alles nur von "oben" geregelt wird. Das spricht nicht gegen die hierarchische Struktur der Kirche, wohl aber gegen so manche Entwicklungen, die sich im Laufe der Zeit verselbständigt haben und von denen man meint, sie gehörten "wesentlich" zur Kirche.
Beten wir deshalb darum, dass alle Getauften im Vollzug ihres Glaubens reifen und diesen dann auch in ihrem Alltag, in der Familie, in der Gemeinde, in der Politik leben und bezeugen können.
Heinz Schneider SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung Oktober 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 5/2006, Steyler Verlag, Nettetal