01. Okt 2006
Wir beten, dass der Sonntag der Weltmission die missionarische Zusammenarbeit fördert und neu belebt.
Das allumfassende Geheimnis der Liebe
Wenn man aufmerksam auf die Reden und Ansprachen und besonders auf die erste Enzyklika (Deus Caritas est) von Papst Benedikt XVI. hinhört, dann stellt man hier eine Tendenz fest, worauf der neue Papst seine Verkündigung scheinbar bewusst lenken will. Es geht ihm dabei nicht so sehr um rein dogmatische und moralische Aspekte der katholischen Lehre - obwohl diese nicht ausgeschlossen werden -, sondern der Papst will ganz bewusst das unfassbare und allumfassende Geheimnis der Liebe Gottes als die zentrale Mitte des christlichen Glaubens betonen, wie sie uns in Jesus Christus endgültig offenbart wurde. Es ist das, was Eugen Biser als die Lebensleistung Jesu bezeichnet hat, die darin besteht, dass er das traditionelle Gottesbild grundlegend korrigiert hat. Mit Jesu Gottesbild, so Biser, "geht die Sonne des bedingungslos liebenden Gottes endgültig und unwiderruflich über der Menschheit auf. Es setzt der Zeit der Gottesangst ein Ende und stößt die Tür zu der neuen Weltzeit auf, die im Zeichen der Hoffnung und der Liebe steht" (Eugen Biser, Die Überwindung der Angst).
Jesus änderte die dreifache Grundbeziehung des Menschen, nämlich zu Gott, zu sich selber und zum Mitmenschen. (1) Gott ist der bedingungslos Liebende, der immer Verzeihende und der uns immer als mitleidender Gott begleitet; (2) ich bin sein unendlich geliebtes Kind, und (3) der Mitmensch ist nie ein Feind, sondern wie ich von Ewigkeit her unendlich wertvoll und geliebt und wird es auch immer so sein. Für Biser war Jesus daher der "größte Revolutionär der Religionsgeschichte".
In Deus Caritas est unterstreicht Papst Benedikt dieses Gottesbild auf seine Art und Weise, wenn er schreibt: In einer Welt, in der mit dem Namen Gottes bisweilen die Rache oder gar die Pflicht zu Hass und Gewalt verbunden wird, ist dies eine Botschaft von hoher Aktualität und von ganz praktischer Bedeutung.
Mission - eine Frage von lebendiger Überzeugung
Auf diesem Hintergrund möchte ich einige Gedanken zu der Gebetsmeinung des Papstes am Weltmissionssonntag vorlegen. Man hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass heute scheinbar nur in den Freikirchen echter Enthusiasmus für den Glauben zu finden sei sowie echter Schwung für Missionsarbeit und der starke Tatendrang, Menschen zu Christus zu bekehren. Das ist sicher übertrieben, aber begeisterte Christen findet man in den Großkirchen leider nur selten.
Damit sind wir beim Thema. Mission ist nicht eine Frage von Vermittlung einer Weltanschauung, so klar und einsichtig sie auch sein mag, oder eine Frage von humanitärem Einsatz gegen Hunger und für Menschenrechte, sondern es ist eine Frage von lebendiger Überzeugung, dass Gott uns in Jesus Christus grenzenlos liebt und das Heil allen Menschen in Christus anbietet. Wer das verkünden will, muss zunächst selber davon tief ergriffen und umgewandelt sein. In ihm muss die Überzeugung brennen, dass man nichts Schöneres und Beglückenderes den Menschen verkünden kann. Jesus selber hat seine Botschaft mit Feuer verglichen. Sie war etwas, wovon er selber entbrannt war, und er wurde von dem Verlangen getrieben, die ganze Welt in Brand zu stecken: "Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie sehr sehne ich mich danach, es brennen zu sehen" (Lk 12,49).
Von allen Aposteln des Neuen Testamentes ist es besonders Paulus, den das Feuer Jesu wohl am meisten ergriffen hat, und der deshalb sagen konnte: Gerade mir, dem geringsten von allen, die er in sein heiliges Volk berief, hat er diesen Auftrag anvertraut, den anderen Völkern die Gute Nachricht von dem unergründlichen Reichtum zu bringen, der uns durch Christus geschenkt wird" (Eph 3,8).
Das Christentum - eine mystische und therapeutische Religion
Das Christentum ist in erster Linie nicht als eine rein dogmatische Religion zu verstehen. Noch ist es eine allgemeine Morallehre oder eine aszetische Religion, sondern ist eine mystische Religion. Sicher hat unser Glaube Dogmen, eine Morallehre und kennt eine gesunde aszetische Haltung, aber all das ist zweitrangig, wenn wir Gott als eine Person sehen, die Menschen liebt, sich an ihnen freut und ihnen ihre Identität schenkt. Darüber hinaus ist die christliche Religion eine therapeutische Religion. Gott will uns heilen in allen Facetten unseres Daseins und uns das Leben in Fülle schenken (Joh 10,10). Johannes hat das so in seinem ersten Brief ausgedrückt: "Was von allem Anfang an da war, was wir gehört haben, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, was wir angeschaut haben und betastet haben mit unseren Händen, nämlich das Wort, das Leben bringt - davon reden wir" (1 Joh 1,1-4). Karl Rahner hat vor vielen Jahren einmal gesagt, der Christ der Zukunft müsse ein Mystiker sein, ein Mensch für den Gott eine lebendige Erfahrung geworden ist, der gleichsam Gott erfährt als den, in dem wir leben, uns bewegen und in dem wir sind. Dabei geht es für den Christen um den Gott, den Jesus uns nicht als Gesetzesgeber oder Richter offenbart hat, sondern in erster Linie als den Gott, der uns Menschen bedingungslos liebt, uns in allen Schichten unseres Personseins heilen will und der uns mit mitleidender Liebe immer trägt und erträgt.
Christsein - sich vom Feuer anstecken lassen
Christsein heißt, sich von dem Feuer, das Jesus in die Welt werfen wollte (Lk 12,49), anstecken zu lassen, sich auf das Reich Gottes einzulassen und sich dafür zu engagieren. Menschen, die sich von Jesus her verstehen wollen, müssen diesen Jesus mit Begeisterung widerspiegeln. Das Wort von Nietzsche, das er den Christen vorwarf, hat auch heute noch Geltung: "Sie müssen mir erlöster aussehen, diese Christen, ehe ich an ihren Erlöser glauben kann."
Das erinnert mich an eine Geschichte, die von dem berühmten Methodisten-Missionar Gordan Maxwell in Indien erzählt wird. Er bat einen Hindu-Lehrer, ob er nicht bereit sei, ihm Hindi beizubringen. Der Hindu antwortete: "Nein, das werde ich nicht tun. Du würdest mich nur zu einem Christen machen wollen." Gordan Maxwell antwortete ihm: "Du hast mich falsch verstanden. Ich will nur schlicht und einfach, dass du mir Hindi beibringst und sonst nichts." Der Hindu erwiderte ihm: "Nein, Sahib, ich werde dich nicht unterrichten. Denn jeder weiß, kein Mensch kann mit dir leben, ohne ein Christ zu werden."
Worum die Gebetsmeinung bittet, bedeutet, sich neu ergreifen zu lassen vom Geist Gottes, den Jesus selber an Ostern seinen Jüngern einhauchte, um sie, die da vor Angst die Türen verschlossen hatten, zu "animieren", zu befähigen, wie Jesus selber Feuer auf die Erde zu werfen. Das scheint auch Papst Benedikt zu bewegen: Wie können wir als Christen wieder begeistert werden und mit Begeisterung unseren Glauben bekennen und zwar in einer Zeit, die so hoffnungslos erscheint. Dieses Anliegen ist nicht neu, Papst Paul Vl. hat dasselbe in seiner berühmten Enzyklika Evangelii Nuntiandi so ausgedrückt: Die Welt von heute, die sowohl in Angst wie in Hoffnung auf Suche ist, möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und mutlos gemachter Verkünder hören, die keine Geduld haben und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben Glut ausstrahlt, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben und die entschlossen sind, ihr Leben einzusetzen, damit das Reich Gottes verkündet und die Kirche in das Herz der Welt eingepflanzt werde (EN 80). Nur von verwandelten Menschen kann Verwandlung ausgehen (D. Bonhoeffer).
Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung Oktober 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 5/2006, Steyler Verlag, Nettetal