01. Sep 2006
Wir beten, dass die ständige Weiterbildung für alle christlichern Frauen und Männer in der Weltkirche eine vordringliche Aufgabe wird.
Weiterbildung - auch für den Jünger Jesu
Weiterbildung ist ein Wort, dem man heute überall begegnet. In jedem Beruf - akademisch oder handwerklich - redet man von der Notwendigkeit, sich ständig weiter zu bilden, wenn man wettbewerbsfähig und kompetent bleiben will. Auch im christlichen Vokabular kennt man das Wort Fortbildung, Weiterbildung oder Erneuerung im Glauben. Wenn man sich aber einmal Günter Jauchs Sendung "Wer wird Millionär?" anschaut und dann Antworten auf religiöse Fragen hört, die da von Teilnehmern gegeben werden, dann erschrickt man oft über so viel Unwissenheit. Selbst ein Atheist könnte sich das nicht erlauben, wenn er sich als humanistisch gebildeter Mensch ausgeben würde, geschweige denn ein Christ.
Sich weiter bilden ist für jeden, der seinen Glauben ernst nimmt, eine geradezu heilige Pflicht. Ein Jünger Jesu sein ist unsere Berufung, und Jünger/Jüngerin ist man nie, sondern wird man immer neu. Die Heilige Schrift fordert uns immer wieder auf, dass wir wachsen sollen im Verständnis unseres Glaubens, dass wir immer mehr begreifen lernen, worin unsere Hoffnung im Glauben an Christus besteht. Paulus beklagt sich, dass die Christen von Korinth noch immer nicht das Kindsein in ihrem Glauben überwunden haben und noch nicht fähig sind, kräftige Speise zu sich zu nehmen. Sie hängen immer noch von der Nahrung des Kleinkindes, der Muttermilch ab (1 Korinther 3,2). Petrus ermahnt die ersten Christen, dass sie ihren Glauben so kennen müssen, dass sie fähig sind, einem jeden, der sie zu ihrem Glauben an Christus fragt, eine vernünftige Antwort zu geben (1 Petrus 3,15). Ohne ein Wachsen im Glauben kann er auf Dauer nicht lebendig bleiben. Es ist so wie in der Natur, in der alles allmählich stirbt, was aufhört zu wachsen. Oder anders ausgedrückt: Der Glaube, den man nicht mitteilt und über den man kein Zeugnis gibt, stirbt.
Im Glauben wachsen durch "Bibelteilen"
Man ist ja Christ nie allein, sondern ein Christ gehört zu einer Gemeinschaft von Christen. Vor allem im Matthäusevangelium wird Düngersein umschrieben als Zugehörigkeit zur Jüngergemeinde. Es ist die Gemeinschaft, die uns lehrt, was es heißt, Jünger Jesu zu sein. Der einzelne kann das nicht selber bestimmen. Er muss es sich von der Jüngergemeinde immer wieder sagen lassen und mit ihr zusammen immer wieder neu lernen, was es heute in unserer Zeit bedeutet, ein Jünger Jesu zu sein. Man wächst im Glauben eigentlich nur in dem Maße, wie man aktiv am Glauben der Gemeinde teilnimmt und die Angebote der Weiterbildung ernst nimmt.
Es gibt natürlich viele Weisen, wie man im Glauben sich weiter bildet, und die findet man im Angebot von aktiven christlichen Pfarreien und Gemeinden zur Genüge. Ich möchte hier eine ganz bestimmte Form von Weiterbildung und Vertiefung des Glaubens erwähnen, die sich heute mehr und mehr ausbreitet in der gesamten Kirche: das "Bibelteilen". Es bedeutet kurz gesagt: Gläubige Menschen kommen zusammen, um die Bibel gemeinsam zu lesen, darüber zu meditieren und ihre Einsichten und ihr Verständnis des Bibeltextes miteinander zu teilen. Sie wollen die Bibel kennen lernen, ihre Bedeutung für den Alltag erfassen und ihren Glauben nähren und vertiefen.
Diese Art, sich immer tiefer in den Inhalt des Glaubens zu versenken, ist eine Methode der Glaubensfortbildung und Glaubenserneuerung, die vor allem in den Basisgemeinden der Kirchen in Asien, Afrika und Lateinamerika weit verbreitet ist.
Dem Ansturm der Sekten entgegentreten
Vor allem in diesen Ländern, wo die traditionellen Großkirchen heute sehr massiv von den fundamentalistisch ausgerichteten Freikirchen unterwandert werden, scheint die beste "Gegenwehr" ein vertieftes Verständnis der Heiligen Schrift zu sein, ein Verständnis, das auf einer gesunden und befreienden Interpretation der Schrift aufbaut. Im katholischen wie auch im evangelischen Glauben der Großkirchen wird dies seit dem Zweiten Vatikanischem Konzil vorgelebt. Das heißt, die moderne Exegese wird im Gegensatz zu den fundamentalistischen Interpretationen der Freikirchen ernstgenommen.
In Ghana erzählte mir ein Bischof, wie diese fundamentalistischen Kirchen die katholischen Gemeinden buchstäblich mit ihren Predigern und Büchern überfluten, um sie zu ihrem Glaubensverständnis zu bekehren. Sie sollen die katholische Kirche hinter sich lassen, weil diese, wie sie sagen, ihnen nicht das ewige Heil vermitteln kann. Was den Bischof am meisten bedrückte, war die feindliche und aggressive Haltung gegenüber der katholischen Kirche und ihrer Tradition, vor allem deren ausgeprägter Marienverehrung und Eucharistiepraxis. Er habe dabei festgestellt, dass es die Basisgemeinden waren, die diesem Ansturm der Sekten am besten standhalten konnten. Der Grund war wohl der, dass die Mitglieder dieser Gemeinden sich über die Jahre hin eine gediegene Kenntnis der Bibel angeeignet hatten. Ihre Glaubenserfahrung, die sie gemeinsam im Teilen des Gotteswortes persönlich erlebt und ausgetauscht hatten, gab ihnen genügend Standfestigkeit, den Argumenten der Sektenprediger Paroli zu bieten. Sie hatten die Wirkkraft des Wortes Gottes als Katholiken lebendig und persönlich erlebt und sahen keinen Widerspruch zu dem, was die katholische Kirche als ihr Glaubensgut ansah und verteidigte. Daraufhin habe er als Bischof das Bibelapostolat in seiner Diözese gestartet, damit sich seine Gläubigen ihres Glaubens wehren und ihr Verständnis vom katholischen Glauben überzeugend gelten machen konnten.
Glaubensbegeisterung wecken
Warum so viele Katholiken zu diesen Freikirchen überwechselten, hat zwar viele Gründe, aber ein sehr gewichtiger Grund ist oft die mangelnde Kenntnis ihres katholischen Glaubens und vor allem der Bibel. Für den Bischof gab es im Augenblick nur eine Lösung: "Wir müssen unseren Gläubigen eine gediegene Grundkenntnis des Glaubens vermitteln und ebenso eine Liebe zur Heiligen Schrift, sonst können sie dem Angriff der Sekten nicht widerstehen. Was unsere Katholiken brauchen, ist eine neue Begeisterung für ihren Glauben, eine neue Liebe für die Kirche und eine tiefe Kenntnis ihrer Tradition. Fortbildung im Glauben ist zu einer pastoralen Notwendigkeit geworden, wenn wir nicht noch mehr Gläubige verlieren wollen."
Wie immer man das erste Jahr des neuen Papstes Benedikt XVI. beurteilt, eines scheint schon klar, es geht ihm an erster Stelle nicht darum, altbekannte Morallehren ständig neu anzumahnen, sondern definitiv darum, neue Glaubensbegeisterung zu wecken und die Menschen für eine tiefe Reflexion ihres Glaubens zu motivieren. Das aber bleibt unerreichbar, wenn man sich nicht die Mühe gibt, diesen Glauben wieder neu kennenzulernen, um danach in unserer Zeit das Leben zu gestalten. Man kann sich nicht für das begeistern, was man nicht kennt.
Darum zu beten ist wichtig, denn es ist vorrangig Gottes Heiliger Geist selbst, der Einsicht, Begeisterung und Freude für Gott und sein Reich in uns wecken kann. Der Heilige Geist ist da, seit ihn Jesus an Pfingsten gesandt hat, und er wird immer bei uns bleiben, denn Gott bleibt sich treu in allem, was er versprochen hat. Wir müssen seinem Geist nur Einlass gewähren. Das scheint auch hinter der Gebetsmeinung für diesen Monat zu stehen. Doch gilt dieses Anliegen nicht nur für die Kontinente Asien und Afrika, sondern ebenso gut für Europa und den Rest der Welt.
Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung September 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 5/2006, Steyler Verlag, Nettetal