Allgemeine Gebetsmeinung - August 2006

01. Aug 2006

Wir beten, dass die Waisenkinder eine Erziehung erhalten, die sich an menschlichen und christlichen Werten orientiert.

Aidswaisen, Kriegswaisen, Straßenkinder

Waisenkinder brauchen Hilfe - man denkt an die armen Länder des Südens, wo Eltern an Aids sterben und die Kinder als Aids-Waisen zurücklassen, die vielleicht ebenfalls den Keim der tückischen Krankheit in sich tragen. Man denkt an die Waisenkinder, die zu Straßenkindern werden und ihr Leben auf der Straße fristen müssen, wo sie sich mit Diebstählen und Drogendealerei das nackte Überleben sichern. Man denkt an die Kriegswaisen in den unvorstellbar brutalen Kriegen und Bürgerkriegen Afrikas, denen man als Kindern schon die Waffe in die Hand drückt und die zu Kindersoldaten werden. Das Elend von Waisenkindern ist wohl nicht weniger groß in den Ländern des Ostens, etwa in Rumänien, Russland, der Ukraine und China.

Ein Bericht von Human Rights Watch dokumentiert die brutale Behandlung von russischen Waisenkindern. "Diese Kinder werden verprügelt, sexuell missbraucht und manchmal tagelang in Kältekammern eingesperrt." Am allerschlimmsten geht es den behinderten Kindern. Geistig behinderte Kinder "sind dazu verdammt, den Rest ihres Lebens in einem Schuppen zu verbringen, meist an die Wand oder Möbel gefesselt, jeglicher Aktivität und Bildung entzogen - sie verrotten halbnackt in ihrem eigenen Schmutz - und sterben dahin" ().


Scheidungswaisen, Sozialwaisen

Die geschilderten Fälle werden wohl auch in jenen Ländern extreme Fälle sein. In einem (trotz allem) reichen Land wie Deutschland mit seiner guten Sozialgesetzgebung ist die Situation, im Ganzen gesehen, gottlob weit besser. Aber hier gibt es andere Probleme. Die Kinder in den Waisenhäusern, die jetzt Kinderheime heißen, sind meist keine Waisen im eigentlichen Sinn. Es sind Sozialwaisen, wo die Eltern oder ein Elternteil nicht für ihre Kinder sorgen (wollen oder können). Es gibt die Scheidungswaisen, wo die Trennung der Eltern dem Kind die Mutter oder den Vater (oder beide) genommen hat. Wenn immer mehr Ehen in die Brüche gehen, sind in der Regel die Kinder die Leidtragenden. Ich hörte in einer Bahnhofsbuchhandlung folgendes Gespräch zweier Dreizehnjähriger: "Du, mein Vater ist weggelaufen und hat eine Neue." "Meine Eltern sind schon lange auseinander. Es macht gar keinen Spaß mehr, heimzugehen." "Da hast du Recht. Ich bleibe lieber in der Buchhandlung und schmökere." Arme Kinder! habe ich gedacht. Sind das keine Waisen?


Wenn das Baby nachts schreit...

Wenn man wie ich einige Jahre als Seelsorger in einem Kinderheim gelebt hat, lernt man die oft unglaublichen Schicksale dieser "Sozialwaisen" kennen. Man leidet mit diesen Kindern, die oft eine so drückende erbliche Belastung tragen müssen, dass man sich fragt, wie sie später überhaupt noch ein einigermaßen normales Leben führen können.

Man weiß aber auch die Hingabe der Ordensschwestern und Erzieherinnen zu schätzen. Wenn eine junge Mutter von ihrem Baby alle drei Stunden aus dem Schlaf gerissen wird, wird sie das für die Zeit, wo das Baby klein ist, aushalten können. Wenn aber eine nicht mehr junge Schwester von mehreren Babys ständig geweckt wird, und das über viele Jahre hindurch für "fremde" Kinder tut, dann zeigt das eine schon heroische Hingabe. Diese Hingabe spüren die Kinder und hängen an ihrer "Bezugsperson" wie an einer Mutter. Wobei die Beziehung zur leiblichen Mutter dadurch nicht ersetzt werden kann.

 

Gott, der "Vater der Waisen "

An wen werden sich die Waisen halten, wenn die ersten und fundamentalen Stützen im Leben nicht tragen? An Gott, den "Vater der Waisen" (Ps 68,6)? In der Tat wird Gott gerade im Alten Testament als Anwalt der Waisen und Witwen gesehen, jener schwächsten Glieder der damaligen Gesellschaft. Wer als Waise (oder Sozialwaise oder Scheidungswaise) schon als wehrloses Kind herumgeschoben wurde und die Brüchigkeit aller menschlichen Beziehungen am eigenen Leib erfahren hat, der kann erkennen, dass Gott der einzig verlässliche Halt im Leben ist. Er, der "Vater der Waisen".

 

Karl Neumann SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung August 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 4/2006, Steyler Verlag, Nettetal

Karl Neumann SVD,

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