Bußgottesdienst in der österlichen Bußzeit

PredigtimpulsVersöhnungsgottesdienst

Einladung zum gemeinsamen Blühen

1.Lesung: 1Joh 5,1-5
Evangelium: Joh 12,20-24

Die Natur erwacht
Merken Sie es auch schon? Überall kündigt sich der Frühling an. Die Tage sind schon seit längerem nicht mehr so kurz, morgens hören Sie die Vögel singen. Die Natur erwacht. Ob sie uns schon angesteckt hat?

Meistens wird ja eher von Frühjahrsmüdigkeit geredet. Die Beine sind schwer, im Körper haben sich die Schlackenstoffe des Winters angesammelt. Unverbranntes Material, sagen die Ärzte, das durch Fasten oder Entschlackungstees hinauszubefördern ist.

Die Natur erwacht, aber die Menschen klagen über Frühjahrsmüdigkeit. Und Sie sind heute Abend hierhergekommen – herzlich willkommen, dass Sie mit dem Frühling in Richtung Wachsen und Aufblühen gehen wollen.

Beengte Seele
Vielleicht stutzen Sie jetzt. Wachsen, aufblühen – solche Begriffe scheinen auf den ersten Blick nicht in einen Bußgottesdienst zu gehören. Unter Buße stellt sich der Zeitgenosse doch wohl eher eine dunkel gefärbte Stimmung vor. Sack und Asche, sagt man wohl. Bilder des Blühens, Lebendigwerdens und Wachstums werden weniger mit Buße assoziiert.

Doch ohne solche positiven Ziele nützt die strengste Bußübung nichts. Sie muss dem Licht, dem Leben dienen, der Entfaltung der Person, der Kräftigung der Seele. Unser Bußgottesdienst möchte heute so ein Reinschmecken in die Lebensmöglichkeiten der Seele sein. Sie soll zum einen schmerzlicher spüren, wo sie belastet md wachstumsgehemmt ist. Zum anderen soll sie in der Gemeinschaft mit den anderen ermutigt werden, angesichts der vielfältigen Forderungen, Überforderungen und Belastungen nicht schlappzumachen.

Einladung zur Entfaltung
Buße kann nur der tun, der sich zu einem anderen, besseren Leben gelockt weiß. Änderung geschieht aus der Erfahrung des Schmerzes heraus. Wie das Samenkorn in der Frühlingserde: Ich muss jetzt endlich mal aufbrechen, mir wird es hier zu eng. Ich muss meine Lebensmöglichkeiten jetzt entfalten.
Dieses MUSS zur Entfaltung ist eine wesentliche Triebkraft der Buße. Etwas ändern, weil ich ahne, dass ich mich durch meinen bisherigen Lebensstil behindere, mir meinen Horizont beschneide und mein Leben langweilig werden lasse.

Franziskus von Assisi erfuhr es so: Als er das Evangelium von der Aussendung der Jünger hörte und dass sie nichts mitnehmen sollten auf ihren Weg, jubelte er und sagte: Das ist es, was ich gesucht habe! Und er begann, alles abzulegen, was ihn an seinen Lebensmöglichkeiten hinderte.

Ich hab es gefunden – krankt mein christliches Leben nicht gerade daran, dass ich genauso begeistert nicht jubeln kann? Und will ich überhaupt so betroffen sein, so tief, dass ich mich verändern muss? Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob ich nicht auch mein Gebet manchmal so nebenbei und oberflächlich halte, weil ich mich nicht verwandeln lassen will.

Darf ich auch Sie heute Abend so ernsthaft fragen: Möchten Sie von der Sonne Gottes so beschienen werden, dass Sie sich in manchem so ändern wie das Samenkorn, das zur Pflanze wird? Mögen Sie sich wie z.B. dieser Franziskus so locken lassen von der göttlichen Sonne in ein neues Leben, dass Sie etwas einschneidend ändern wollen?

Das neue Leben tun berührt nicht nur mich
Dies ist gewiss eine ernste Frage. Vor allem deshalb, weil niemand sich für sich allein verändert. Ändere ich mich, muss es auch der andere tun. Zumindest muss er ein neues Verhältnis zu mir und meiner neuen Einstellung finden. Dies geht heute nicht anders als zu Zeiten etwa des Franziskus, der mehr als belacht wurde: Eine Krankenschwester entschloss sich, nach der Abendpause nicht mehr solange im Kollegenkreis sitzenzubleiben, bis ein Patient klingelt, sondern von sich aus aufzustehen und sich ans Bett eines einsamen Kranken zu setzen und für ihn einmal richtig Zeit zu haben. Können Sie sich die Reaktion der Kollegen vorstellen, von wegen Angeberin, Wichtigtuerin? Sich ändern – das können andere wie einen Angriff erleben.

Ein Jugendlicher, der sich entschlossen hat, auch nicht mal mehr ein Bier zu trinken. Wenn er mit dem Moped unterwegs ist – wie der anstößt in seiner Clique, obwohl er ihnen doch scheinbar gar nichts tut. Aber er macht es eben anders. Und schließlich eine Kundin, die sonst immer mal gerne im Laden mit anderen über andere tratschte: Sie verbot es sich und fühlte sich bald ausgeschlossen von den anderen von wegen: Bist jetzt wohl was Besseres? Sich ändern kann einsam machen.

Einladung zum gemeinsamen Blühen
Deshalb braucht es eine gemeinsame Stunde wie diese, wo wir uns gegenseitig ermutigen, Gott in unser Leben als den Veränderer einzulassen. Mit unserem Hiersein versichern wir einander, dass wir einander unterstützen wollen auf der Verwirklichung einer richtungweisenden Besserung.

Gott will uns in diesem Bußgottesdienst mit Kraft bedienen, damit uns bei allem guten Willen zur Umkehr im Alltag nicht die Frühjahrsmüdigkeit überfällt.
Möge die Freude an Gott, der uns zum Aufblühen bringen will, jetzt zur Einladung werden, danach zu suchen, in welche Richtung wir noch Wachstums- und Entwicklungschancen haben – und wie wir uns dabei gegenseitig unterstützen können.

 [Anmerkung der Redaktion: Die von Br. Terwitte verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1998; S. 113-115]


Br. Paulus Terwitte OFMcap

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