Versöhnungsgottesdienst
wahre Gerechtigkeit
266: Bekehre uns, vergib die Sünden
422: Ich steh‘ vor dir mit leeren Händen
383: Ich lobe meinen Gott
474: Wenn wir das Leben teilen wie das täglich Brot
416: Was Gott tut, das ist wohlgetan
Gott, der gütige und dreieine, sein Sohn, unser Heiland und der Geist der Versöhnung, seien mit euch.
Zur Vorbereitung auf Ostern, das eigentliche Hochfest des Kirchenjahres, gehört, dass wir uns Zeit nehmen, unser Leben, unseren Umgang mit den Mitmenschen und auch mit Gott zu bedenken. Die vierzig Tage der Buße geben uns jedes Jahr Gelegenheit, dies in aller Ernsthaftigkeit zu tun. Es soll wirklich nicht darum gehen, wie es leider sehr stark in den offiziellen liturgischen Texten immer wieder anklingt, den Menschen nur als ein in der Sünde verhaftetes Geschöpf zu sehen. Es geht vielmehr darum, unserem Mühen um mehr Tiefgang und Sinn im Leben Ausdruck zu verleihen. Wir wissen alle, dass Fehler und Fehlverhalten zu uns gehören. Wir kennen die guten Seiten der Vergebung, des offenen Gesprächs, der klärenden Gesten. Gerade in diesem Jahr steht ganz besonders die Barmherzigkeit Gottes im Mittelpunkt unseres Betens und liturgischen Tuns. Diese recht verstandene Barmherzigkeit soll uns in diesem Bußgottesdienst leiten und zum Nachdenken anregen.
Wenden wir uns vertrauensvoll im Gebet an Gott:
Heiliger und gütiger Vater,
es gibt Zeiten, in denen wir uns gründlich
und auch demütig unser Leben anschauen.
Wir haben es nötig, weil unser Alltag ganz oft sehr fordernd ist
und all unsere Energie beansprucht.
Wir brauchen die Zeiten der Stille und der Besinnung,
um das Wesentliche wieder in den Blick zu bekommen.
Als unvollkommene und suchende Menschen kommen wir zu dir.
Nicht alles ist schlecht:
Wir versuchen zu lieben, zu verstehen
und den Herausforderungen des Lebens gerecht zu werden.
Vieles bleibt da bruchstückhaft und wird es immer bleiben.
Aber in der Hoffnung auf deine Barmherzigkeit sind wir hier
und mühen uns weiter,
dem Leben all das Schöne und Wertvolle abzugewinnen,
das du in es hinein gelegt hast.
Durch Christus, unseren Herrn...
Amen.
(Dieser Text kann in Abschnitte eingeteilt und auf verschiedene Lektoren aufgeteilt werden; zwischen diesen kann man gerne meditative Musik einspielen, so dass es wirklich zu einer Besinnung in aller Ruhe kommen kann.)
In Bußfeiern werden normalerweise Besinnungstexte präsentiert, die sich in irgendeiner Weise an bekannten Sündenkatalogen entlang bewegen. Das ist gut und richtig, weil so meist alle Bereiche unseres Lebens und Zusammenlebens in den Blick kommen. Und da liegen ja unsere Schwachstellen, unsere verbesserungswürdigen Macken. Aber das geht auch einmal in etwas anderer Weise. Papst Franziskus hat am 21. Dezember 2015 beim Weihnachtsempfang für die Römische Kurie eine sehr bedenkenswerte Rede gehalten. Es geht um Erneuerung, um Barmherzigkeit und darum, wie die Arbeit der Kurie besser werden kann. Ganz sicher gibt es in dieser Rede Vieles, was nicht in eine Bußfeier mit einer Gemeinde gehört, aber ganz vieles von dem, was da angesprochen wird, hat auch in unserem Leben einen Platz und würde uns allen helfen, unser Christsein intensiver und besser leben zu können.
Am Beginn steht die Feststellung, dass Widerstände, Mühen und das Fallen der Menschen auch Lektionen und Chancen zum Wachsen und niemals Anlass zur Entmutigung sind. Es sind Gelegenheiten, sich „auf das Wesentliche zu besinnen“, das heißt zu überprüfen, wie weit wir uns im Klaren sind über uns selbst, über Gott, über den Nächsten, über unser Kirche-Sein und über all das, was unseren Glauben ausmacht.
Genau über dieses „sich auf das Wesentliche besinnen“ geht es heute in Verbindung mit der Barmherzigkeit, die für uns alle ein nachdrücklicher Aufruf zur Dankbarkeit, zur Umkehr, zur Erneuerung, zur Buße und zur Versöhnung ist.
Der Papst hat in seiner Ansprache einen sehr ausführlichen „Katalog der notwendigen Tugenden“ vorgetragen. Alle seine Aspekte würden für uns heute zu weit führen, aber eine Auswahl kann uns sehr wohl helfen, uns selbst und unsere Umwelt besser in den Blick zu bekommen.
Sich darum bemühen, die Anforderungen des Lebens zu meistern
Wir sind nicht alle mit den größten Gaben des Geistes ausgestattet. Aber wir haben alle sehr viel von Gott mitbekommen, um die Situationen, die uns das Leben beschert, auch meistern zu können. Oft hängt es nicht daran, dass wir dazu nicht in der Lage wären. Es ist aber auch die persönliche Anstrengung gefordert, die notwendigen Voraussetzungen zu erwerben, um die eigenen Aufgaben und Tätigkeiten bestmöglich auszuführen, mit Verstand und Intuition. Menschliches Mühen um Geistesgegenwart, Verstehen und Kreativität sind so etwas wie eine Antwort auf die göttliche Gnade. Ganz nach dem berühmten Spruch: „Alles tun, als ob es Gott nicht gäbe, und dann alles Gott überlassen, als ob es mich nicht gäbe.“ Es ist das Verhalten des Jüngers, der sich täglich an den Herrn wendet mit einem Gebet, das Papst Clemens XI. zugeschrieben wird: „Lenke mich mit deiner Weisheit, stütze mich mit deiner Gerechtigkeit (…) ermutige mich mit deiner Güte, schütze mich mit deiner Macht. Ich schenke dir, Herr, meine Gedanken, damit sie auf dich gerichtet sind; meine Worte, damit es die deinen sind; mein Tun, damit es deinem Willen entspricht; meine Qualen, damit sie dir gewidmet sind.“
Spiritualität und Menschlichkeit
Spiritualität ist das, was uns Menschen antreibt, sie ist das Rückgrat jeglichen Dienstes in der Kirche und im christlichen Leben. Sie trägt und stützt all unser Wirken und schützt vor menschlicher Hinfälligkeit und den täglichen Versuchungen.
Menschlichkeit verkörpert die Wahrhaftigkeit unseres Glaubens. Wer seine Menschlichkeit aufgibt, der gibt alles auf. Wenn es uns schwer fällt, ernstlich zu weinen oder herzlich zu lachen, dann hat unser Niedergang und der Prozess unserer Verwandlung von einem „Menschen“ in etwas anderes begonnen. Die Menschlichkeit ist die Fähigkeit, allen mit zärtlicher Zuneigung, Vertrautheit und Liebenswürdigkeit zu begegnen (vgl. Phil 4,5).
Vorbildlichkeit und Treue
Es geht um die Treue gegenüber unserer Taufe, gegenüber unserer Berufung als Christen, als Mitarbeiter am Reich Gottes: Denken wir doch ganz einfach an die Worte Christi: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen“ (Lk 16,10) und „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde. Wehe der Welt mit ihrer Verführung!“ (Mt 18,6f). Ja, Christsein nimmt in die Pflicht. Es gibt ein Programm, das unserem Leben und Handeln etwas abverlangt. Wir können und dürfen nicht so tun, als ob es das alles nicht gäbe.
Ausgeglichenheit – Vernunft und Liebenswürdigkeit
Wir alle lieben ausgeglichene Menschen und mögen uns auch selbst, wenn wir in uns ruhen. Ausgeglichenheit hat aber auch ihren Preis. Sie braucht die Vernunft, damit übermäßige Gefühlsbetontheit vermieden wird. Und sie braucht die Liebenswürdigkeit, damit übertriebene Genauigkeit und Dogmatismus keinen Platz haben können. Zwischen diesen beiden Polen kann Ausgeglichenheit werden. Und sie ist so wichtig, weil jede Übertreibung in die eine oder andere Richtung Zeichen einer zerstörenden Unausgeglichenheit ist. Im Klartext: Die einen heißen alles gut, was immer es sein mag. Und die anderen reglementieren alles, ob es Sinn macht oder nicht. Beides trägt die Zeichen von Fehlverhalten in sich. Wie immer liegt der richtige Weg in der Mitte.
Besonnenheit und Entschiedenheit
Eine wohlwollende Besonnenheit macht uns vorsichtig im Urteil und fähig, uns impulsiver und übereilter Handlungen zu enthalten. Es ist die Fähigkeit, durch achtsames und verständnisvolles Handeln dem Besten, das in uns, in den anderen und in den Situationen liegt, zum Durchbruch zu verhelfen. Es besteht darin, den anderen so zu begegnen, wie wir es von ihnen erwarten (vgl. Mt 7,12; Lk 6,31). Das zu tun, was wir auch von anderen erwarten, hat auch sehr viel mit Ehrlichkeit zu tun. Jeder weiß, dass überzogene Erwartungen falsch und heuchlerisch sind.
Liebe und Wahrheit
Liebe und Wahrheit sind zwei untrennbar verbundene Tugenden des christlichen Lebens: die Wahrheit in Liebe tun und die Liebe in der Wahrheit leben (vgl. Eph 4,15). Eine falsch verstandene Liebe, die die Wahrheit nicht achtet, wird zu einer destruktiven Ideologie, die alles gutheißen will. Das geht genauso wenig, wie eine Wahrheit, die die Liebe missachtet und so zu einer blinden „Buchstaben-Justiz“ wird. Wir kennen alle den Satz: „Nicht jede Wahrheit taugt, auch wirklich gesagt zu werden.“ Dem ist ganz sicher so, wenn die Liebe im Umgang mit dem Nächsten gelebt wird. Sich um Ausgeglichenheit zwischen Liebe und Wahrheit zu bemühen, ist eine ganz wichtige christliche Herausforderung, weil sie Frieden schaffen kann; beruhigte Seelen und ruhige Gewissen.
Ehrlichkeit und Reife
Ehrlichkeit ist Rechtschaffenheit, Kohärenz und Handeln in absoluter Aufrichtigkeit gegenüber uns selbst und gegenüber Gott. Der Ehrliche fürchtet nicht, überrascht zu werden, denn er hintergeht niemals den, der ihm vertraut. Der Ehrliche spielt sich nicht auf als Herr über die Menschen und Dinge, die ihm anvertraut sind.
Reife ist das Bemühen, zur Harmonie zwischen unseren physischen, psychischen und spirituellen Fähigkeiten zu gelangen. Sie ist das Ziel und das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, der eigentlich nie endet und der nicht von unserem Alter abhängt. Wir Menschen befinden uns immer im Entwickeln; hier auf Erden sind wir nicht zur Perfektion geschaffen.
Großherzigkeit und Aufmerksamkeit
Je mehr wir auf Gott und seine Vorsehung vertrauen, umso großherziger und freigebiger sind wir, da wir wissen: Je mehr man gibt, umso mehr empfängt man. In der Tat ist es nutzlos, alle Heiligen Pforten dieser Welt zu öffnen, wenn die Pforte unseres Herzens für die Liebe verschlossen ist, wenn unsere Hände sich dem Geben verschließen, wenn unsere Kirchen sich der Aufnahme verschließen.
Und Aufmerksamkeit bedeutet, auf die Kleinigkeiten zu achten, unser Bestes zu geben und in Bezug auf unsere Laster und Verfehlungen niemals die Zügel schleifen zu lassen. Der heilige Vinzenz von Paoli betete mit diesen Worten: „Herr, hilf mir, dass ich unverzüglich diejenigen wahrnehme, die neben mir stehen, die besorgt und orientierungslos sind, die leiden, ohne es zu zeigen, die sich gegen ihren Willen isoliert fühlen.“
Unerschrockenheit und Regsamkeit
Unerschrocken sein bedeutet, sich – wie Daniel in der Grube der Löwen und David gegenüber Goliath – angesichts von Schwierigkeiten nicht ängstigen zu lassen; es bedeutet, wagemutig und entschlossen und ohne Lauheit zu handeln, „als guter Soldat“ (vgl. 2 Tim 2,3-4); es bedeutet, wie Abraham und Maria ohne Zögern den ersten Schritt zu tun. Das Zauderliche, das Ängstliche, das „Nicht-in-die-Gänge-Kommen“ ist nicht christlich. Das entschiedene Ja oder Nein steht uns Getauften gut zu Gesicht.
Regsamkeit ist die Fähigkeit, mit innerer Freiheit und Beweglichkeit zu handeln, ohne sich an die materiellen Dinge zu klammern, die vergänglich sind. Im Psalm 62 (Vers 11) heißt es: „Wenn der Reichtum auch wächst, so verliert doch nicht euer Herz an ihn!“ Regsam sein bedeutet, immer unterwegs zu sein, nicht still zu stehen, ohne sich jemals dadurch zu belasten, dass man unnötige Dinge anhäuft und sich in die eigenen Pläne einschließt, die einen dann nicht mehr loslassen. Geltungssucht, auch noch so eine Falle, von der man sich nicht beherrschen lassen sollte.
Vertrauenswürdigkeit und Nüchternheit
Vertrauenswürdig ist derjenige, der seine Pflichten ernsthaft und zuverlässig einzuhalten weiß, wenn er beobachtet wird, vor allem aber, wenn er allein ist; derjenige ist vertrauenswürdig, der in seiner Umgebung ein Gefühl der Ruhe verbreitet, weil er niemals das Vertrauen enttäuscht, das ihm geschenkt wurde.
Die Nüchternheit, sie ist die letzte Tugend, die wir uns in dieser langen Reihe anschauen. Sie steht aber ganz sicher nicht an letzter Stelle, wenn es um ihre Bedeutung geht. Sie ist die Fähigkeit, auf Überflüssiges zu verzichten und der herrschenden Konsum-Mentalität zu widerstehen. Nüchternheit bedeutet Klugheit, Schlichtheit, Wesentlichkeit, Ausgeglichenheit und Mäßigung. Nüchternheit bedeutet, die Welt mit den Augen Gottes zu sehen. Die Nüchternheit ist ein Lebensstil, der auf die Vorrangstellung des anderen als hierarchisches Prinzip hinweist und das Leben als Fürsorglichkeit und Dienst gegenüber den anderen zum Ausdruck bringt. Der nüchterne Mensch ist in allem kohärent und wesentlich, weil er versteht zu beschränken, nutzbar zu machen, zu recyceln, zu reparieren und mit einem Sinn für das Maß zu leben.
(Der Worte und der Ermahnungen ist es nun genug. Am Ende des Gottesdienstes sollte es noch ein abschließendes Gebet sein und eine allgemeine Vergebungsbitte mit Schlusssegen.)
Gütiger Gott,
Du allein kennst unsere Herzen, unser Handeln, unser Wollen und Sein.
Dir bieten wir uns so, wie wir wirklich sind.
Wir hoffen auf Vergebung und den Frieden in unseren Herzen.
Dein Sohn hat sich mit seinem ganzen Leben,
mit seinem Sterben und seiner Auferstehung
unsere Erlösung zur Hauptaufgabe seines Wirkens gemacht.
Auf ihn vertrauend und an dich glaubend,
stehen wir vor dir.
Erlöse und befreie uns,
schenke uns den inneren Frieden,
der nur im Einklang mit dir werden kann.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Bruder und Herrn.
Amen.
Gottes Sohn ist aus Liebe zu den Menschen in diese Welt gekommen.
Sein ganzes Wirken stand und steht im Dienst des Heils der Menschen, die an ihn glauben, sich um seine Botschaft bemühen. Mit der Hilfe des Heiligen Geistes, dem Beistand, den Jesus uns verheißen hat, bitten wir um Vergebung.
Sie soll Euch allen hier gewährt werden (+), im Namen des Vaters der Barmherzigkeit; des Sohnes, der die gelebte Liebe des Vaters ist und des Heiligen Geistes, des starken Beistandes, den Gott uns für alle Zeiten zur Seite gestellt hat.
(Wo es möglich ist, wäre es angebracht, am Ende eines solchen Busgottesdienstes eine individuelle Segnung anzubieten. Oder, im Idealfall, eine kurze persönliche Aussprache mit individueller Absolution. Dies ist von den Möglichkeiten vor Ort abhängig.)
(Die Besinnung lehnt sich stark an folgenden Text an: http://de.radiovaticana.va/news/2015/12/21/ansp.)