Karfreitag

Predigtimpuls

Karfreitag konfrontiert uns mit Leid, Schmerz und Tod

1. Lesung: Jes 52,13-53,12
2. Lesung: Hebr 4,14-16; 5,7-9
Passion: Joh 18,1-19,42

Liebe Schwestern und Brüder,
die Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus lässt uns still und nachdenklich werden. Eine Zeit des Schweigens bräuchten wir, um das Gehörte in seiner ganzen Tiefe ausloten zu können. Die großen Komponisten der Passionen und Passionsmusiken waren sich dessen bewusst. Neben den biblischen Texten wurden auch Arien und Chorszenen komponiert, um der Meditation Raum zu geben. So hat auch J. S. Bach am Karfreitag 1724 in der Leipziger Nikolai-Kirche seine Johannespassion verstanden und wohl auch in dieser Absicht aufgeführt. Unergründliche Tiefen des Wortes lotet Bach vor allem in den Arien und Ariosi seiner Passion aus. Sie sollen die Antwort der Hörenden auf die vorgetragenen Bibelstellen sein.
So darf auch uns der Text der Passion nicht unberührt lassen. Auch wir wollen im weiteren Verlauf der Karfreitagsliturgie, vor allem in den großen Fürbitten und in der Kreuzverehrung, unsere eigene Antwort geben. Der Evangelist Johannes, der letzte derer, die den Versuch unternahmen, die Frohbotschaft von Jesus in Worte zu fassen, möchte uns durch seine besondere Komposition der Leidensgeschichte des Herrn Überlegenswertes mit auf den Weg geben.

Das erste und das letzte Zeichen der Botschaft Jesu
Für den Evangelisten Johannes ist das aufgerichtete Kreuz und alles, was im Zusammenhang damit geschildert wird, das letzte große Zeichen, das der Herr wirkt. Immer ist Jesus der Handelnde und nur er scheint das Geschehen zu bestimmen: In der Szene bei der Verhaftung, bei der Verhandlung vor Pilatus und ebenfalls in seinen letzten Worten am Kreuz. Durch seinen Tod am Kreuz setzt der Herr das Zeichen, dass Gott den Menschen ganz nahe sein will.
Suchen wir jetzt aber auch nach dem ersten Zeichen. Wir finden es zu Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu bei der Hochzeit zu Kana. Hier freilich ist der Anlass ein Fest, zu dem das neuvermählte Paar die Dorfgemeinschaft und die Freunde eingeladen hat. Leider aber sollte das Fest nur von kurzer Dauer sein, denn der Wein drohte zur Neige zu gehen. Hier nun setzt der Herr sein erstes „Zeichen“, wie es im Evangelium genannt wird. Jesus will, dass Freude und Frohsinn herrschen, dass Menschen aus dem Vollen schöpfen können. Die Freude sollte nicht durch Mangel eingegrenzt werden. In der Stunde des Feierns und der Freude ist der Herr den Menschen nahe. Er ist es aber auch in der Stunde des Leides und des herannahenden Todes. Freude und Leid – Lebensfülle und Tod setzen also die Eckpunkte, wo die Nähe Gottes zu den Menschen sichtbar wird. Bereits im Prolog zu seinem Evangelium lässt Johannes diese Nähe Gottes zu den Menschen anklingen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Gehört es deshalb nicht zu den großen Aussagen des Karfreitags, von einem Gott zu wissen, der uns in allen Dingen und Erfahrungen unseres menschlichen Lebens ganz nahe sein will?

Bei dem Kreuz Jesu standen …
Nicht nur die Nähe Gottes zu den Menschen wird hier im Kreuzesgeschehen verdichtet, sondern die Szene am Kreuz weist auch große menschliche Nähe auf. Beim Kreuz Jesu stand die Gruppe der Frauen, die Jesus von Anfang an gefolgt sind, darunter auch Maria. Und zusammen mit den Frauen steht dort auch der Jünger. Den Jesus liebte (Joh 19,25 ff.). Eine kleine Gruppe von Getreuen also ist nur übriggeblieben. Mit einem der letzten Worte vertraut der Herr Maria dem Jünger an, den er liebte und den Jünger seiner Mutter: „Siehe da deinen Sohn. Siehe da deine Mutter“. Diese Symbolik könnte vielfältige Bedeutungen haben: Die Menschen sind einander anvertraut; die Frauen stehen für die Männer ein und die Männer für die Frauen; die Kirche der Zukunft ist auf Partnerschaft angelegt: Jeder und jede hat Verantwortung zu tragen für das Gemeinsame, für das Reich Gottes. Wir wissen aber auch, dass schweres Leid nur gemeinsam getragen werden kann. So mögen durch das Wort des Herrn die so einander Anvertrauten das Leid, das sie miterlebten und mit durchlitten, gemeinsam getragen haben. Angesichts des vielen Leids in der Welt unserer Tage sind auch wir zur Solidarität mit allen Leidtragenden aufgerufen. Das eine Kreuz und die vielen Kreuze mögen uns nicht unberührt lassen! Das Kreuz des Herrn möge uns zusammenführen, damit wir als christliche Gemeinde das Leid – oft ganz nah neben uns – bemerken und gemeinsam Abhilfe dagegen schaffen, soweit es in unserer Macht liegt.

Damit sich die Schrift erfüllte …
In den Texten der Johannespassion lesen wir immer wieder die Erklärung des Autors: „damit sich die Schrift erfüllte“. So soll ein großer Zusammenhang hergestellt werden. Passion und Kreuzigung gehören in den Zusammenhang des großen Heilshandelns Gottes mit uns Menschen. Immer wieder hat Gott mit den Menschen seinen Bund geschlossen. Das Zeichen des Kreuzes ist nun das endgültige Bundeszeichen eines gemeinsamen Weges Gottes mit den Menschen. Auf vielerlei Weise hat Gott gesprochen. Am Ende der Tage aber sprach er sein endgültiges Wort in Jesus Christus. So steht jetzt das Kreuz, das wir in dieser Karfreitagsliturgie verehren werden, als ein Zeichen des Bundes aufgerichtet in unserer Mitte.

Liebe Schwestern und Brüder, der Karfreitag konfrontiert uns mit Leid, Schmerz und Tod. Der Tod aber wird nicht das letzte Wort haben. Auferstehung am Ostermorgen ist die neue Wirklichkeit, die uns alle hoffen lässt. Der Herr ist uns vorausgegangen durch seine erlösende Tat und er ist uns vorausgegangen in das neue Leben, das Gott für uns alle bereithält.
J.S. Bach stellt diese Frage in einer Bassarie in seiner Johannespassion, und er lässt den Chor die Antwort geben:

Bass:
Mein teurer Heiland, lass dich fragen
Da du nunmehr ans Kreuz geschlagen
und selbst gesaget: Es ist vollbracht,
Bin ich von Sterben frei gemacht?
Kann ich durch deine Pein und Sterben
Das Himmelreich erben?
Ist aller Welt Erlösung da?
Kannst vor Schmerzen zwar nichts sagen,
doch neigest du das Haupt
Und sprichst stillschweigend: ja.

Chor:
Jesu, der du warest tot,
Lebest nun ohne Ende …

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Zimmermann verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1996; S. 141ff]

P. Herbert Zimmermann SVD

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen