Gründonnerstag

Predigtimpuls

„Ich habe euch ein Beispiel gegeben“

1. Lesung: Ex 12,1-8.11-14
2. Lesung: 1Kor 11,23-26
Evangelium: Joh 13,15

Die Kirche - und das heißt wir alle, die wir auf den Namen Jesu getauft und gefirmt sind - begeht heute die Nacht, in der Jesus seine Hingabe an den himmlischen Vater im Tode vorausnahm, in dem er beim Mahl mit seinen Aposteln Brot und Wein nahm, sie in seinen Leib und sein Blut verwandelte und sie ihnen als Speise und Trank darbot als Unterpfand ewigen Lebens. Nach der wunderbaren Brotvermehrung hatte er schon vorhergesagt: Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag. Und dies im Gegensatz sowohl zu den Israeliten, die der himmlische Vater in der Wüste mit Manna gespeist hatte, als auch zu denen, die er selber wunderbar gespeist hatte, als sie ihm den ganzen Tag zugehört hatten, ohne zu essen. All diese mussten sterben.
Die Einsetzung des allerheiligsten Altarssakramentes ist für die Kirche so wichtig, ja lebensstiftend und lebenserhaltend, dass es mehr als verwunderlich ist, dass im heutigen Evangelium nicht davon, sondern von der Fußwaschung der Apostel durch Jesus die Rede ist. Der Grund dafür dürfte wohl darin liegen, dass die Grundhaltung, die hinter beiden Ereignissen steht, dieselbe ist: nämlich die Selbstentäußerung Jesus, der seine Gottheit nicht wie einen Raub festhalten wollte, sondern in allem uns gleich werden wollte, ausgenommen die Sünde, und seine Totalhingabe an seinen himmlischen Vater in seinem Dienst an den Menschen, die zu erlösen er selber Mensch geworden war. Trotzdem aber stand es für Jesus eindeutig fest, dass er Gott war. Im Evangelium haben wir eben gehört: Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte. Aber trotzdem wollte Jesus an seinen Jüngern den niedrigsten Sklavendienst – die Fußwaschung – vollziehen. Wie niedrig dieser Dienst in ihren Augen war, zeigt die Reaktion des Petrus: Niemals sollst du mir die Füße waschen. Aber Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Die Wirkung, die die Fußwaschung erzielte - die äußere Reinigung als Zeichen der inneren Vereinigung zwischen Jesus und die Jüngern - war wohl der Grund, warum man bis weit ins Mittelalter hinein die Fußwaschung als ein von Christus gestiftetes Sakrament ansah. Wenn unter der Leitung des Heiligen Geistes die Kirche dies später auch nicht als authentische, geoffenbarte Wahrheit anerkannte, so tut das doch der Wichtigkeit dieser Handlung - oder besser der dahinterstehenden Gesinnung - keinen Abbruch. Es kommt darin die ganze Liebe Jesu zu den Menschen zum Ausdruck, der nicht gekommen war, um über die Menschen zu herrschen, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um selber zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für die vielen. Dies geschah in blutiger Weise am Karfreitag am Kreuz; unblutig aber wurde es vorausgenommen am Gründonnerstag bei der Einsetzung der Eucharistie. Was bedeutet aber nun die Fußwaschung für uns? Jesus selber beantwortet uns diese Frage, wenn er nach ihrem Vollzug sagt: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Am selbstlosen Dienst an anderen und an der bedingungslosen Liebe für andere in Nachahmung Jesu entscheidet sich also, ob wir an Jesus und seiner Erlösungstat Anteil und damit ein Anrecht auf ewiges Leben haben.
Wie kann und muss sich nun diese Gesinnung in unserem Leben als Christen manifestieren?
Jesus hat einmal zu den Aposteln gesagt: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. Auch wir haben nicht Jesus erwählt, sondern er hat uns in seine engere Nachfolge berufen. Und dies ist wahr, nicht nur für mich selber, für jeden meiner Mitbrüder oder Mitschwestern. Dies bedeutet dann aber, wenn Jesus sie mit all ihren Schwächen, menschlichen Unzulänglichkeiten, Eigenarten und sogar mit ihrer Sündhaftigkeit angenommen und erwählt hat, dass ich kein Recht habe, über ihre Berufung zu urteilen, sie zu kritisieren, zu verurteilen, sie vielleicht ganz abzulehnen, weil sie nicht dem Idealbild eines Ordenschristen entsprechen, das ich mir in meiner Phantasie selbst ausgemalt habe – und dies oft ohne selber diesem Ideal zu entsprechen. Wenn Mitglieder einer Gemeinschaft dies vergessen sollten, dann kann Ordensleben für jeden einzelnen zur Qual werden und eine Gemeinschaft zu einer Karikatur dessen werden lassen, was sie nach Jesu Willen und aufgrund der frei auf sich genommenen Ordensgelübde sein sollte. Es wäre dann auch nicht dann auch nicht verwunderlich, wenn Berufungen zum Ordensleben immer weniger werden würden, nicht weil Jesus heute weniger junge Menschen in seine besondere Nachfolge berufen würde, sondern weil echte Berufungen glauben könnten, dass sie ihr Ideal in der Welt leichter und besser leben können als im Kloster. Angesichts des Rückganges an Ordensnachwuchs ist dies durchaus einer ernsten Gewissenserforschung wert.
Versuchen wir deshalb unsere Mitbrüder und Mitschwestern wirklich zu lieben, sie so anzunehmen, wie sie sind, ihnen in demütigem Dienst beizustehen im Bewusstsein, dass wir Gott ebenso nahe sind wie unsern Mitbrüdern und Mitschwestern, oder aber ebenso ferne, wie wir diesen sind. Alle äußeren religiösen Übungen, alle Zeichen der Frömmigkeit bewiesen sich an diesem Punkt als echt oder aber als Heuchelei.
Diese Überlegungen gelten natürlich in angepasster Weise auch für die Laien unter ihnen. Auch sie müssen ihre Familie, ihre Angehörigen, ihre Arbeitskollegen, ja nach besten Kräften dienen. Vor allem müssen sie vermeiden, ihnen ihre Vorstellungen – auch religiöser Art – aufdrängen zu wollen, als ob sie nur ein Abbild ihrer eigenen Person sein könnten und dürften. Jede Diskriminierung religiöser, rassischer oder sozialer Art – von denen wir in den öffentlichen Medien immer wieder hören – muss als absolut unchristlich aus ihrem Leben verschwinden. Denn wenn sie sich solcher Diskriminierung schuldig machen würden, dann wären auch Werke der Nächstenliebe finanzieller Art in den Augen Jesu wertlos. Bedenken Sie, dass Jesus sich gerade der Menschen, die wir heute als Randgruppen bezeichnen, in besonderer Weise angenommen hat und dabei bei den Führern seiner Zeit Anstoß erregte, der schließlich zu seiner Verfolgung und Ermordung führte. Leider sind sich oft gerade besonders fromme und kirchentreue Katholiken dieser christlichen Forderung nicht bewusst.
Ich hatte einmal die Gelegenheit, bei einem Gründonnerstaggottesdienst in der Kathedrale von Berlin teilzunehmen, den der Kardinal mit seinem Klerus gefeiert hat. Dabei bat der Kardinal die Diakone, Priester, Ordensleute und Laien um Verzeihung, falls er sie irgendwie beleidigt, ihnen nicht bedingungslos gedient und sie geliebt hat, wie er es hätte tun sollen. Folgen wir seinem Beispiel, und tun wir dasselbe unseren Mitbrüdern, Mitschwestern und allen Mitchristen gegenüber, so dass der Empfang des Leibes und Blutes Christi heute und immer uns nicht nur immer inniger mit Christus, sondern auch untereinander verbinde und uns so zum Unterpfand ewigen Lebens werde. Amen.

P. Dr. Ludwig Lehmeier SVD

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