5. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

Hat der Tod doch nicht das letzte Wort?

1. Lesung: Ez 37,12b-14
2. Lesung: Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 11,1-45

Todessituationen in unserer Welt heute
So vieles, was heute passiert und was wir tagtäglich im Fernsehen sehen oder in der Zeitung lesen – berührt uns das immer noch? Ist es nicht allzu weit weg von mir? Oder wenn jemand einen lieben Menschen verliert, der so viele Jahre an seiner Seite gelebt hat? Offensichtlich war das auch Jesus nicht fremd, als er über seinen kranken Freund geweint hat. Er hatte Mitgefühl mit ihm und ließ das Schicksal seines Freundes und seiner Familie an sich herankommen. Doch nutzt er diese Gelegenheit, um seine Sendung zu verdeutlichen, da er nicht sofort aufbricht und die betroffene Familie besucht. Diese Krankheit, sagt er, führt nicht zum Tode. Das Geschehen wird zum Zeichen und zur Bestätigung, dass Jesus über dem Tod steht, ihn in seine Schranken weist. Das bedeutet für mich und für uns heute: Im Angesicht so vieler Todessituationen dürfen wir trauern, schreien, uns auflehnen, aber wir dürfen auch die „unsinnige Hoffnung“ haben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Dass hinter all dem Leid, der Vernichtung und Zerstörung, ja auch der Endlichkeit, Gott für uns das Leben einer ganz neuen Art bereit hält. Gäbe es diesen Glauben und diese Hoffnung nicht, müssten wir verzweifeln, hätten keinen Halt mehr, könnten wir eigentlich mit dem Leben Schluss machen.

Was prophetische Menschen uns heute zu sagen haben
Wer sich gegen den Tod und all das Unsinnige auflehnt und es nicht akzeptieren will, der wird oft nicht auf Verständnis und Annahme stoßen. „Das ist doch alles Unsinn mit Auferstehung und so…“, hören wir etwa. Jeder ist seines Glückes Schmied – so das Sprichwort, das ja auch seine Richtigkeit hat. Aber wenn wir nur bei dem stehenbleiben, was wir sehen, berechnen, greifen oder begreifen können, dann erfassen wir nur einen Teil der Wirklichkeit. Wir staunen so oft über den Fortschritt der Wissenschaft, was heute alles möglich ist, wie es zum Beispiel Professor Harald Lesch im Fernsehen verständlich darstellt. Aber man muss kein Wissenschaftler oder Prophet sein, um die vielen Bereiche der Natur und unserer Welt in ihrer Vielfalt zu erahnen und zu bestaunen. Jesus selbst hat auch erfahren müssen, wie er und seine Botschaft – die störte, die unerhört war, die theologische Systeme und Dogmen in Frage stellte, die jeden einzelnen persönlich einforderte – oft nicht verstanden, ja abgelehnt wurden. Auferstehen, Tote auferwecken, unheilbare Krankheiten heilen – all das, sind doch Hirngespinste, fromme Wünsche, die nie in Erfüllung gehen können. „Dich, Jesus, kennen wir doch; du bist doch einer von uns – und du willst diese Macht haben, Tote zu erwecken?“ Übrigens: die Bibel berichtet uns nichts davon, ob Jesus nicht doch hin und wieder wenigstens ins Grübeln kam oder sogar „zweifelte“. Schlimm! Das ist doch alles menschlich – oder? Aber Jesus: er war doch Gottes Sohn, bekennen wir… aber auch wahrer Mensch! Darüber haben sich unzählige Theologen, einfache Leute, Agnostiker und Aufgeklärte den Kopf zerbrochen – und sind zu keinem Ende gekommen – bis heute. Wer meint, das alles für sich geklärt zu haben oder die Kirche habe dies doch schon lange unfehlbar definiert, der ist meines Erachtens noch am Anfang seines Suchens oder lebt in einer Sonderwelt. Manche „Ungläubige“ können mir da gut auf die Sprünge helfen mit ihren kritischen und verunsichernden Fragen. Es ist gut, dass es sie gibt und sie meine vermeintliche Sicherheit „stören“.

Frau. Macht. Veränderung
Und Vieles an und in dieser Welt stört mich. Die diesjährige MISEREOR-Aktion steht unter dem oben genannten Thema. Die Erfahrung der Not, der systematischen Unterdrückung der Frauen und das Fehlen der Gleichstellung ist nicht nur ein Thema bei uns. Zu viele Ungerechtigkeiten und zu viel Tod ist dabei im Spiel. Auf der anderen Seite aber hängt so Vieles in den Familien von den Frauen ab: von ihrer Sorge und Liebe, ihrer Zärtlichkeit, die auch schwere Situationen durchsteht. Und doch kommt da immer wieder die Macht der Männer und der Mächtigen ins Spiel. Das Sprachspiel „Frau. Macht. Veränderung“ trifft sehr gut, worum es meines Erachtens geht.

Eine unglaubliche Begegnung der dritten Art

Jesus bzw. der Evangelist zeigt uns deutlich, worum es Gott geht: nämlich um das Leben, um ein Leben in Fülle – nicht zu verwechseln mit Luxus! Es geht um Gerechtigkeit. Um Freiheit! Das Tun Jesu ist daher Zeichen dafür: einen Toten wieder ins Leben zurückrufen. Und somit darauf hinzuweisen, dass Gott nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden ist. Unglaublich, unvorstellbar, aber doch wahr. „Lazarus, komm heraus!“, ruft er ihm zu und lässt es die Umstehenden hören. Jenen Lazarus, der schon eine Zeit im Grab lag; mit dessen Tod viele Träume und die lebendige Beziehung zu ihm begraben waren. Jesus stellt dem mit diesem Zeichen (Wunder) die Verheißung des Lebens und der Auferstehung entgegen. Ein endzeitliches Zeichen des Reiches Gottes, das die erfahrene Wirklichkeit und Wahrnehmung übersteigt: Gott hat Größeres mit dem Menschen vor als wir uns denken können. Diese Auferweckung hat für mich auch noch einen anderen Aspekt: Gott, der das Leben aller will, hat damit schon jetzt angefangen, Leid und Kreuz in dieser Welt aufzuheben, oder besser: er will, dass wir das Unsrige dazu tun.

„Holt den Menschen vom Kreuz“ – Jürgen Moltmann
Nicht auf Madagaskar, sondern an vielen anderen Stellen der Welt gibt es zu viele von Menschen aufgestellte Kreuze, die versklaven und Gott im Innersten treffen – weil wir ihm nur über unseren Nächsten begegnen können. Wir haben vielleicht den Skandal der Botschaft Jesu zu sehr verwässert, entschärft, uns abgefunden mit Leid und Kreuz, haben es vielleicht sogar verharmlost. Der evangelische Theologe Jürgen Moltmann hat vor Jahren mit seinem Buch „Holt den Menschen vom Kreuz“ darauf hingewiesen, nicht jedes Kreuz mit dem des Jesus von Nazareth zu verbinden bzw. zu legitimieren. Zu viele Kreuze haben wir Menschen errichtet, und sie befreien nicht, sondern versklaven und verfestigen ungerechte Strukturen des Leids. Ja, er provoziert, wenn es in einem Artikel heißt: „Jürgen Moltmann hat keinen Gott im Himmel. Denn das ist was für Engel. Er hat einen Gott auf Erden.“ (1) Jesus hat vielmehr in unsere Welt und zu den Menschen neues Leben gebracht – keine Religion! Und das ist auch unsere Aufgabe als Christen, als Menschen, die heute Jesus nachfolgen wollen – hier, in Madagaskar und überall auf der Welt.

Wir aber hatten gehofft…

Dabei geht es uns vielleicht genauso wie den Jüngern, die ihre Erwartungen in Jesus – den Messias – nicht erfüllt sahen. Sie hatten ein gewaltiges Eingreifen von Gott selbst erwartet, der alles verändert, der Tod und Leid wegschafft. Gott aber hat uns seinen Geist gegeben, der Leben schafft, auch heute, in dieser Welt. Und er will, dass wir uns von diesem Geist erfüllen und lenken lassen – auf sein Reich hin. Wenn wir aber dabei bleiben und nur alles von ihm erhoffen, dann wird unsere Hoffnung enttäuscht werden. Wie die Menschen damals, die Zeugen der Auferstehung waren, müssen wir selbst auch zum Glauben kommen. Vielleicht bedenken und meditieren wir einmal auf diesem Hintergrund, was wir gleich im Glaubensbekenntnis aussprechen und bekennen …

https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2010/979/juergen-moltmann-hat-keinen-gott-im-himmel-das-ist-was-fuer-engel-er-hat-einen-gott-auf-erden

P. Heinz Schneider SVD

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