10. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Mutzuspruch: Seid barmherzig

1. Lesung: Hos 6,3¬6
2. Lesung: Röm 4,18- 25
Evangelium: Mt 9,9-13

Dem Schüler einen Aufsatz schreiben, dem Pfarrer eine Predigt, dem Bürgermeister eine Rede … all das kann ChatGPT (= Chatbot Generative Pre-trained Transformer). Für nicht so ganz Computer-Begeisterte: ChatGPT ist eine Software, die innerhalb von Sekunden mittels künstlicher Intelligenz Texte erstellt. Entwickelt wurde die Software, damit Mensch und Maschine über Texteingabe kommunizieren können.
Um es vorwegzunehmen, diese Predigtvorlage wurde nicht von ChatGPT geschrieben, sondern ganz klassisch vom genannten Autor.
Eine Anregung bekam dieser allerdings durch einen Morgengedanken im SWR4 am 3. Mai 2023 von der Pastoralreferentin Judith Schmitt-Helferich. Diese berichtete, dass im weltweiten Netz ein kurzes Video kursiert, in dem ChatGPT die Aufgabe gestellt wird: „Sage mir in einem Satz, wer Jesus Christus ist.“ Da die Software auf eine Riesenmenge von Daten, unter anderem auch auf Bibeltexte, zurückgreifen kann, kam die Antwort prompt: „Jesus Christus war der Sohn Gottes, der als Mensch auf die Welt kam, um die Menschen zu erlösen durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung.“ Sie, liebe Kirchgänger, können diese Antwort selbst beurteilen: richtig oder falsch? Sie ist voll korrekt – selbst ein Doktor der Theologie könnte es wohl in einem Satz kaum besser sagen. Doch die Antwort klingt ein wenig wissenschaftlich, so wie man sie bei Wikipedia finden könnte: sachlich richtig, aber für Menschen ohne christliche Vorbildung nach erstmaligem Lesen kaum auswendig wiederholbar.
Doch das Video geht noch weiter. Der Benutzer forderte ChatGPT auf, eine kürzere Antwort zu geben. Auch diese Antwort kann sich sehen lassen: „Jesus erlöste die Menschen.“ Damit noch nicht zufrieden, wurde Chat GPT gebeten, nochmals zu kürzen. Jetzt war zu lesen „Jesus erlöste.“ Der hartnäckige Benutzer wollte wohl ChatGPT in die Enge treiben, und forderte eine weitere Kürzung an, so dass nur noch das Wort „Jesus“ ausgegeben wurde. Und als das dem Benutzer immer noch nicht reichte, da erscheint als Antwort auf dem Bildschirm statt eines Wortes ein rotes Herz. Das nenne ich intelligent! ChatGPT fasst das Wesen von Jesus einfach in einem Herz-Emoji zusammen.
Und so könnte ChatGPT auch gleich den Grundsatz unseres eben gehörten Evangeliums zusammenfassen, in dem es von Jesus hieß: „Barmherzigkeit will ich“. Was Jesus ausmachte, was Jesus wichtig war, wie Jesus seinen Vater beschrieb, lässt sich mit ‚Barmherzigkeit‘ wiedergeben – ein recht langes deutsches Wort, das die wörtliche Übersetzung des lateinischen „misericordia“ darstellt. Es beschreibt die Tugend, aus vollem Herzen Erbarmen zu zeigen, sich liebevoll des Schwachen anzunehmen.
Das heutige Evangelium entfaltet dreifach, wie Jesus uns sein Anliegen nahebringt.
Zunächst wird uns geschildert, wie Jesus Barmherzigkeit praktiziert. Jesu Tun ist sehr einfach und eigentlich unspektakulär: Jesus lässt sich zum Essen einladen. Dort trifft er neben dem Gastgeber, einem Zöllner, auch dessen Freunde, allesamt Zöllner. Der private Umgang mit diesen Mahlteilnehmern erregt Aufsehen, da sie in den Augen der Pharisäer große Sünder sind. Denn die Zöllner haben sich in den Dienst der römischen Besatzungsmacht einspannen lassen und sich selbst gnadenlos an der eigenen Bevölkerung bereichert. Wahrhaft kein schönes Vorgehen! Deshalb werden die Zöllner auch von den Mitbürgern gemieden, ja verachtet und ausgegrenzt. Doch Jesus schreckt nicht davor zurück, Kontakt zu ihnen aufzubauen, mit ihnen menschlich umzugehen, normale Beziehungen mit ihnen zu pflegen. Mit dieser Verhaltensweise will Jesus das Tun der Zöllner nicht gutheißen, sondern die Möglichkeit nutzen, ihnen in einer guten Atmosphäre seine Sichtweise von einem gelungenen Leben darzutun. Jesus spürt, dass sich auch die egoistischen Opportunisten und reich gewordenen Ausbeuter danach sehnen, als Mensch wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Geld allein macht eben nicht glücklich. Deshalb überspringt Jesus die Mauern einer sturen Geisteshaltung und bietet seinen Tischgenossen eine Freundschaft an, die nicht auf eine gegenseitige materielle Win-win-Situation abzielt, sondern die verdeutlicht: Auch du bist ein geliebtes Kind Gottes. Jesus bringt seinen Gesprächspartnern am Tisch sein Gottesbild nahe: wir haben einen Gott, der auf unsere Umkehr wartet, um uns in seine Arme schließen zu können. Mehr als auf kluge Worte setzt Jesus auf ein leuchtendes Beispiel für Gottes Barmherzigkeit.
Weiterhin zeigt uns das Evangelium, dass sich Jesus bemüht, sein Handeln für die zu erklären, die es nicht verstehen oder falsch interpretieren. Kurz und knapp bemerkt er: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ Das kapiert jeder. Jesus verdeutlicht seine Sendung weiter, indem er sagt: „Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“ Jesus erläutert so wieder sein Gottesbild: Wir haben einen Vater, der seine Arme für seine Kinder ausbreitet. Die Kinder, die schon nah bei ihm sind, braucht er nicht mehr zu rufen; diese fühlen sich in seiner Nähe wohl und glücklich. Aber die, die sich von ihm entfernt haben, um anderes zu entdecken, die ruft er zurück, weil das Glück, das sie suchen, nirgendwo anders zu finden ist als beim ihm.
Und ein Drittes wird uns im Evangelium mitgegeben. „Lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ Jesus möchte, dass sein Beispiel durch uns Kreise zieht. Er verweist hier auf den großen Lehrsatz des Propheten Hosea, der schon acht Jahrhunderte vor ihm im Namen des Herrn gesprochen hat: „Denn an Liebe habe ich Gefallen, nicht an Schlachtopfern, an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern“ (vgl. Hos 6,6). Jesus geht davon aus, dass wir Gott für seine Liebe danken und ihn für seine großen Taten preisen möchten. Und deshalb ermutigt er uns, die empfangene Liebe weiterzugeben, und zwar bewusst an solche Menschen, die uns etwas schuldig sind oder die an den Rand gedrängt wurden. So sagt Jesus an einer anderen Stelle: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,36). Dazu reicht es wahrscheinlich nicht, per whatsapp ein Herz-Emoji an abgesonderte Personen weiterzuschicken, aber es könnte durchaus ein Anfang sein.

P. Konrad Liebscher SVD

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