Darstellung des Herrn (F)

Predigtimpuls

Der Herr begegnet seinem Volk – er begegnet uns!

1. Lesung: Mal 3,1-4
2. Lesung: Hebr 2,11-12.13c-18
Evangelium: Lk 2,22-40

Der Komponist J. S. Bach hat zu fast allen Sonn- und Feiertagen des gesamten Kirchenjahres Kantaten geschrieben. Die Darbietung der jeweiligen Kantate schloss sich unmittelbar an die Verlesung des Evangeliums an. Auf seine Weise bietet dieses Chor- und Solistenstück eine Auslegung des Evangelientextes und wird somit zu einer Predigt eigener Art, mit eigenen dichterischen und musikalischen Mitteln. Im Jahr 1727 erklang in Leipzig zum ersten Mal die Kantate „Ich habe genug“ (BWV 82) am Fest Mariä Reinigung, das ist unser heutiges Fest Mariä Lichtmess oder Darstellung des Herrn. Hier wird in dichterischer Sprache damaliger Zeit das Empfinden des greisen Simeon und wohl auch der hochbetagten Prophetin Hanna geschildert: Sie haben jetzt genug gelebt. Beruhigt können sie den Tod erwarten, weil sie den Heiland gesehen und auf ihren Händen getragen haben. In der Bibel werden diese beiden als Menschen geschildert, die auf die Errettung Israels und damit auch wohl auf den Erretter und Erlöser gewartet haben. Jetzt also sind sie lebenssatt und können beruhigt von dieser Welt Abschied nehmen. „Ich habe genug“, ist somit ein Wort, das die Erfüllung ihres Lebens ausdrückt.
Simeon und Hanna sind neben vielen anderen Menschen Wartende gewesen. Lassen deshalb auch wir am heutigen Tag einmal unsere Erwartungen zu! Da gibt es die vordergründigen, die kurzfristigen Erwartungen unseres Lebens. Sie erstrecken sich auf das Morgen, auf die vielen Kleinigkeiten, die wir uns geändert wünschen. Die Sorgen des Alltags sind es oft, die das Leben so unerträglich werden lassen. Die täglichen Reibereien mit Mitmenschen nehmen uns viel von unserer Kraft und unserem Elan. Neben den vordergründigen Hoffnungen und Erwartungen gibt es aber auch die bedeutenderen, die langfristigen. Hier kann es sich um Lebensperspektiven handeln, um die ich mich bemühe und die ich erträume. Dazu gehören die Sache nach der Lebensgestaltung, einer Arbeit, einer Familie, einem Freundeskreis, einer Lebenseinstellung, die erfüllt und ausfüllt. Die Vorsorge für Gesundheit und Alter nimmt ebenso in unserer Erwartungsliste einen hohen Stellenwert ein. Man könnte die Erwartungen dieser Art mit einem Wort zusammenfassen: Hoffnung auf und Erwartung eines gelingenden Lebens.
In der Liste unserer Erwartungen steht aber noch das Wichtigste aus, das einem Leben wirklich endgültige Erfüllung geben kann. Diese großen Erwartungen verdichten sich in den Sagen und Mythen der Völker. Es sind dies Erwartungen, die der gesamten Menschheit gemeinsam sind: Hat unser Leben überhaupt Sinn? Wo finde ich den Halt in meinem Leben, der wirklich trägt? Ist mein Lebevertan, wenn es nach außen hin nicht glückt und unerfüllt bleibt? Wo finde ich Vergebung, wenn ich schuldig werde? Und schließlich: Gibt es ein weiteres Leben nach dieser Zeitlichkeit. Gibt es ein Leben in Fülle ohne Tod und Ende?
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, lassen Sie diese Art von Fragen zu - jetzt., oder zu einer Stunde, die Ihnen angemessen scheint!
Da feiern wir nun am heutigen Tag des Festes der Darstellung des Herrn den Gottesdienst mit einer ausgeprägten Lichtsymbolik. Sicher hat dieses Lichtritual einen tiefen Ursprung, das zusammenhängt mit der Zeit des wachsenden Tages, des zunehmenden Lichtes. Doch kennen wir nicht ebenso die Redensart: „Du bist für mich ein Licht“; oder: „Jetzt geht mir ein Licht auf.“ Die Kerzen, die wir entzündet haben, mögen Zeichen dafür sein, dass wir im Dunkel unseres Lebens ein Licht erwarten, das uns hell machen kann; ein Licht, nach dem wir unser Leben ausrichten können. Wie die Kerzen Helligkeit und Wärme verbreiten, so suchen auch wir nach einem Leben, das hell ist und worin wir uns zu Hause fühlen. Das entzündete Licht unserer Kerzen, die wir in Händen halten, möge uns an unsere eigenen Sehnsüchte und Wünsche fürs Leben erinnern.
Aber fragen wir uns jetzt in diesem Zusammenhang auch, ob wir nicht selber für andere Menschen Licht werden können? Wir können dies durch so manch gutes Wort, das wir mit auf den Weg geben, durch eine helfende Tat, durch eine liebende Geste, so dass das Leben lebenswerter und heller wird.
Der greise Simeon aber weist uns im heutigen Evangelium auf ein Licht hin, das nun wirklich endgültig Erlösung bringen kann. „Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,30-32).
Wenn wir von unserem Leben etwas – wenn wir viel – ja, wenn wir vielleicht alles erwarten, dann will auch für uns der Herr das Licht sein, das uns den Sinn des Lebens aufzeigt. Wie Jesus damals den Ersten „seines Volkes“ begegnete, so will er auch uns in seinem Wort nahe sein. Er will für uns Lichtsein, das unser Leben erhellt, uns den Weg ausleuchten, den wir miteinander gehen können. Er will uns leiten durch die großen Worte seiner Bergpredigt, so dass wir auf dem Weg ins Reich Gottes bleiben.
Unserem Sehnen und dem Sehnen aller Wartenden verheißt er Erfüllung, wenn er uns von einem barmherzigen und tröstenden Gott erzählt und wenn er uns durch sein Licht zu dem Licht führt, das nie mehr erlischt.
So sind auch wir als Wartende und Ausschau haltende Menschen eingeladen, uns auf ihn einzulassen, da er uns ja begegnen will. Marie-Luise Langwald hat dies in einer Kurzmeditation über die Prophetin Hanna so formuliert:
Als ich ihn in meinen Händen hielt,
da wusste ich, dass er mich hält – ich Haltende gehalten bin.
Als ich ihn mit meinen Augen sah,
da wusste ich, dass er mich sieht – ich Sehende gesehen bin.
Als ich den Propheten traf,
da wusste ich, dass er mich trifft – dass ich Prophetin des Propheten bin.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Zimmermann verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1996; S. 51ff]

P. Heribert Zimmermann SVD

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