Geburt des Herrn, Weihnachten - Am Tag (H)

Predigtimpuls

Menschwerdung aus Liebe

1. Lesung: Jes 52,7-10
2. Lesung: Hebr 1,1-6
Evangelium: Joh 1,1-18
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Logos – aus Gott geboren
Das Sprechen von Gott ist nur in andeutenden Bildern möglich. Gottesbegegnungen werden in der Bibel bezeugt als zeichenhafte Ereignisse, die erst im Nach-Denken entschlüsselt werden. Beim Propheten Elia war es der Vulkanausbruch in unmittelbarer Nähe, den er überlebt hatte. Bei den Jüngern im Boot nächtens im Wirbelsturm der Todesangst war es das Gespenst Jesus, der „tat, als wollte er vorübergehen“. Bei Maria von Magdala am Grab war es der Gärtner, der sie beim Namen rief. Die Verfasser, die den Prolog zum Johannesevangelium hinzugefügt haben, müssen tief nach-denkende Menschen gewesen sein. Sie stehen in der Spur der Denker, die der Weisheit in allen Dingen nachgesonnen haben. Alles hat seine Stimmigkeit, seine Logik. Alles geht von einem tiefen Sinn, von einem Urgrund aus, der sich nicht in sich verschließt, sondern sich in seiner Schöpfung ergießt, sich mitteilt. Dieser sich ergießende, alles durchdringende Sinn findet seinen wohl trefflichsten Vergleich im Wort. In diesem Gleichnis ist dem Evangelisten das Geheimnis der Menschwerdung aufgegangen. Das unaussprechliche Wort, das Gott ist, macht sich die Wörter einer Sprache unter vielen in der Kultur einer bestimmten Zeit zu eigen und teilt sich verständlich den Menschen mit, wiederum in einer konkreten geschichtlichen Gestalt, in Jesus von Nazareth.

Mutterboden Ohr
Dem Wort entspricht das Gehör. Ohne Ohr kein Wort. Wer gehörlos geboren wird, bleibt ohne besondere Hilfe, sprachlos, auch wenn er organisch fähig wäre zu sprechen. Das Wort wartet auf Gegen-Wort, auf Ant-Wort. Die bleibt aus, wo nie ein Wort ankam. Ein Großteil menschlicher Kommunikation läuft über die Körpersprache. Doch keine Verständigung geht tiefer als das bedachte Wort, das mit hörendem Herzen (vgl 1 Kön 3,9) aufgenommen wird. Ein solches Wort ist eingebettet in das Verhalten und Tun dessen, der es mitteilt. Seine Wirkung kann sich entfalten, wenn es angenommen und im Nach-Denken assimiliert wird, so wie man ein Stück Brot entgegennimmt, es isst und nach und nach seine Wirkung spürt. Aus dem im hörenden Herzen aufgenommenen Wort wird sinngebendes, deutendes Verstehen. Das stellt Fragen, fordert Rück- oder Ant-Wort ein. Innere Bewegung wird angestoßen, die sich äußert in Zustimmung oder Ablehnung, in Nachdenken oder Besserwissen, in Mimik und Gestik, im Stammeln oder in der Poesie. Auch Wortlosigkeit in staunendem Schweigen kann Antwort sein, ist oft sogar die einzige Möglichkeit zu antworten, vor allem wenn ein Menschenwort als Gotteswort wahrgenommen wird. Dem unergründlichen Geheimnis Gottes gegenüber dürfen wir uns als sprachlos bekennen. „Wir wissen nicht einmal, wie wir beten sollen, damit Gott uns erhören kann. Deshalb hilft uns der Heilige Geist und bringt in wortlosem Flehen vor Gott, was wir selbst nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26).

Samen mitten im Unkraut - Menschwerdung
Im Wort-Antwort-Prozess mit Gott hat das Ohr tiefe Wurzeln, ist „eingepflanzt“ (Ps 40,7) in das „hörende Herz“. Das Herz im biblischen Verständnis ist das weit geöffnete Lebenszentrum des Menschen, das verstehen will, nicht im Sinn des analysierenden und begreifenden Verstandes, auch nicht als emotionaler Impulsgeber, auch nicht als Sitz von Leidenschaft und Entzücken, sondern als Mutterboden, in den das Gehör eingepflanzt ist. Das Hören kann ja nicht ergreifen und fixieren wie der Tastsinn oder das Auge. Es muss warten und wahrnehmen: Was ist das – mein Leben? Was geht um mich herum vor? Sag mir, wer du bist, Du – mein Gegenüber, mein Gott! Bist du da?
Gute Worte, die zu Herzen gehen sollen, sind wie Samen. Sie brauchen ihre Zeit, um im Mutterboden des hörenden Herzens aufzugehen. So hat sich auch wohl Jesus selbst verstanden. Er hat nicht verlangt, Lehren von ihm auswendig zu lernen. Er hat darauf gesetzt, dass die Jünger seine Lebenshaltung, seine hingebende Offenheit gegenüber dem Vater im Himmel und seinen Menschengeschwistern, vor allem den Armen, in sich aufnehmen. Alles andere wird dann schon. Der Same geht nach und nach auf. Er wächst über Nacht und mitten im Unkraut. Es ist die Kraft Gottes im Wort, das Fleisch wird. Sie vermittelt die Fähigkeit, Kinder Gottes zu werden, neu geboren zu werden – Weihnachten.

P. Dr. Gerd Birk SVD

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