Pfingstsonntag (H)

Predigtimpuls

Empfanget den Heiligen Geist!

1. Lesung: Gen 11,1-9
oder Ex 19,3-8a.16-20b
oder Ez 37,1-14
oder Joel 3,1-5
2. Lesung: Röm 8,22-27
Evangelium: Joh 7,37-39
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Wer hat nicht Verständnis für die verängstigten und hilflosen Jünger Jesu nach all dem, was sie durchgemacht hatten, angefangen mit den Andeutungen Jesu beim Letzten Abendmahl, dass einer aus ihrer Mitte ihn verraten wird, bis hin zum traurigen Ende mit der Kreuzigung Jesu auf einem Hügel außerhalb Jerusalems. Und doch hatte Jesus wiederholt davon gesprochen, dass er ihnen den Geist senden werde, der sie von Angst und Resignation befreien wird. Er wird sie in die Wahrheit einführen, das heißt, sie werden verstehen, was Gott tut und spricht, vor allem werden ihnen auch plötzlich der Wert und die Wirkkraft dessen, was Jesus als Frohbotschaft verkündet hat, voll zum Bewusstsein kommen. Dieser Geist wird sie gar mit der Vollmacht ausstatten, den Menschen Sünden zu vergeben – einer Vollmacht, welche die Grenzen menschlicher Kompetenz total überschreitet, ein Geschehen, bei dem die Allmacht und Liebe Gottes voll zur Wirkung kommen. Es geht um die Erneuerung der Welt und der Menschheit, die Jesus mit seinem Erlösungswerk begonnen hat, und die über das Wirken dieses Geistes ihre Vollendung finden wird. Jedoch kommt diese Wirkkraft des göttlichen Geistes erst in dem Maße voll zur Geltung und zur Entfaltung, als der Mensch bereit ist für seinen Einfluss und sich offen zeigt für sein wunderbares Wirken.

Die Mitteilung des Geistes an die Jünger geschieht, wie wir soeben im Evangelium gehört haben, in einem faszinierenden Ereignis. Nachdem der auferstandene Herr erneut den Jüngern, die sich in Angst und in Zweifel und Unwissenheit darüber, wie es weitergehen soll, hinter verschlossenen Türen versammelt hatten, erschienen war mit dem vertrauten Gruß: „Der Friede sei mit euch!“, hauchte er sie an und sagte: „Empfanget den Heiligen Geist!“, wobei er noch betont, dass es der Vater selbst ist, der diesen Geist sendet, so wie es ja auch der Vater war, der ihn, Jesus, in die Welt gesandt hat, um den Menschen Erlösung, Befreiung, Reinigung, Leben und einen Neuanfang zu bringen. Diese Begegnung der Jünger mit Jesus ist ein überaus kreatives Ereignis, bei dem die Jünger zutiefst berührt wurden. Es muss ein Erlebnis gewesen sein wie das des Apostels Thomas, als er Jesus berühren durfte und bekannte: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus wird plötzlich als der erkannt, der er wirklich ist – der Sohn Gottes und Retter der Welt. Diese Erkenntnis ist aber zugleich mit dem Auftrag verbunden, diese Frohbotschaft in die Welt hinauszutragen. Der Mut, die Kraft und die Weisheit, die das Zeugnis für diese Frohbotschaft voraussetzt, werden dann in den Gaben des Heiligen Geistes, den Jesus seinen Jüngern versprochen hat, mitgeteilt.

Das größte Geschenk, das Jesus seinen Jüngern hinterlassen konnte, bevor er sich nach seiner Auferstehung ihrem gewohnten Zusammensein entzog, war diese Zusage der Geistsendung. Am Pfingstfest fand dieses Versprechen dann seine Verwirklichung. Die Geistmitteilung im engsten Kreis der Jünger wurde am Pfingstfest dann zu einer Manifestation von völkerverbindenden Ausmaßen, wie es aus der Apostelgeschichte in der ersten Lesung berichtet wird. Aus dem Hauch war ein Sturmwind geworden und aus den Worten Jesu wurden feurige Zungen, die sich auf die versammelten Menschen niederließen und die Gegenwart des Geistes Gottes bezeugten. Dieser aber machte alle Beteiligten zu Zeugen und Kündern der Frohbotschaft von der Rettung des Menschen aus Sünde und Tod durch Jesus Christus, den auferstandenen Herrn. Das Zeugnis dieser geisterfüllten Bekenner der Frohen Botschaft hat das Pfingstgeschehen inzwischen mehr und mehr zu einem globalen Ereignis werden lassen. Wo immer sich Menschen im gemeinsamen Glauben an Jesus, den Auferstandenen, versammeln, ist er unter ihnen und lässt sie teilhaben an seinem Geist, der sie zu Trägern der Frohbotschaft macht.

Durch das „Empfanget den Heiligen Geist“ geschieht eine Befreiung, die bis auf den Grund der menschlichen Persönlichkeit reicht. Es handelt sich um eine Befreiung „vom alten Menschen zu einem neuen Menschen“, dem Menschen nämlich, der ursprünglich nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen worden war. Es bedurfte der göttlichen Vollmacht, um dieses Werk zu vollbringen. Am deutlichsten spricht sich dieses göttliche Handeln in der Übertragung der Vollmacht der Sündenvergebung aus. Den Jüngern, die ja Menschen waren wie du und ich, muss das ganze Geschehen sehr kryptisch vorgekommen sein, fern ihrer Vorstellungskraft. Die Grenzen der menschlichen Kompetenz werden hier total überschritten. Unter der Symbolhandlung des Hauchens, das für die Vermittlung göttlichen Lebens steht, setzt Jesus den Vorgang gleichsam dem Schöpfungsakt gleich. Seine Wirkung bringt Befreiung, Reinigung, Neuanfang.

Das Pfingstgeschehen hat bis heute seinen revolutionären, befreienden und Völker verbindenden Charakter behalten, es soll das Angesicht der Erde verwandeln. Mitten in einer verwirrenden Pluralität religiöser Meinungen und Bekenntnisse und in der Begegnung mit verhärteten Fundamentalisten und überzeugten Atheisten braucht die Welt nichts notwendiger als das Wirken dieses Geistes göttlicher Provenienz. Er tut sich kund in der gemeinsamen Suche nach Gott, in der Förderung der Ehrfurcht der Menschen voreinander und in einem neuen Verständnis gegenüber der Schöpfung. Alles mündet wie beim ersten Pfingstfest in die Frage ein: Hat das Christentum eine Antwort für den Menschen mit seiner gesamten Problematik – eine Antwort, die anspricht, befreit und zu einer gemeinsamen Zukunft befähigt? Gefragt sind nicht mehr tiefschürfende theologische Abhandlungen, gefragt ist das Zeugnis überzeugter und durch die Feuerzungen des Geistes verwandelter Menschen.

Hier schließt sich auch die Frage an: Wieweit kann ein liturgischer Vollzug den Einbruch des göttlichen Handelns mit seinen Geistesgaben herbeiführen? Wir feiern das Pfingstfest als das dritte der großen Feste der katholischen Kirche. Die Texte des Wortgottesdienstes sind ergreifend, sie weisen auf das Pfingstgeschehen hin und regen die im Namen Jesu versammelten Gläubigen an, sich in Aufmerksamkeit und Offenheit auf das einzulassen, was Gott sagt und tut. Es geschieht unter der Überzeugung, dass der Geist Gottes es ist, der aller Kreatur Leben gibt. In ihm teilt sich Gott den Menschen mit, öffnet ihm den Mund zum Zeugnis, befreit ihn durch sein Licht von aller Blindheit und Menschenfurcht, erfüllt die leeren Herzen mit Liebe.

Jesus selbst war ganz und gar erfüllt von diesem Geist, der ihn durch alle Krisen führte und ihn ausrichtete auf Gott und die Befreiung des Menschen. Es ist dieser selbe Geist, der auch jeden auf den Namen Jesu getauften Christen durch Krise und Chaos führen und zum Zeichen göttlichen Wirkens machen soll. Wie leicht kommen wir aber auch als Christen in Situationen, wo die äußeren Verhältnisse trostlos erscheinen und wir nicht wissen, wie es weitergehen soll? Gewiss, wir kennen unsere Sendung: „Ihr seid das Licht, das die Welt erhellt, und das Salz, das sie vor Fäulnis bewahrt!“ Dennoch drückt uns jedoch das Gefühl, dass das Licht aus ist und das Salz seine Kraft verloren hat, häufig zu Boden. Schon den Jüngern Jesu war es so ergangen. Erst der gemeinsame Glaube, dass Jesus lebt, und seine Zusage, er werde ihnen den Geist senden, schenkten ihnen neue Hoffnung.

So kann auch heute nur dieser feste gemeinsame Glaube, dass Jesus lebt, und seine Zusage der Geistsendung zu einem Pfingsterlebnis führen und die Kirche wieder zu einem Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt machen. Die eindringliche Mahnung von Papst Franziskus an die katholische Kirche, Gott nicht aus dem Blick zu verlieren, hat in einem Europa, das mehr und mehr glaubt, Gott auf Distanz halten oder gar entsorgen zu müssen, aufhorchen lassen. Ohne die geistmotivierte Verkündigung Jesu – so Papst Franziskus – riskiere die Kirche, auf eine „mitfühlende Nichtregierungsorganisation“reduziert zu werden. Erst, wo Menschen es wagen, an den auferstandenen Herrn zu glauben und sein Wort ernst zu nehmen, wird es zu einem weltbewegenden und menschenverbindenden Pfingstereignis kommen. Wann dies geschehen wird, liegt ganz im Ermessen der göttlichen Weisheit, Großmut und Liebe. Es wird dann geschehen können, wenn die Wahrheit nicht mehr zur Diskussion steht, sondern bereits zum Programm geworden ist und zu einer Plattform, auf welcher der Geist Gottes der eigentliche Akteur ist, der die Menschen belebt und zusammenführt.

P. Anton Weber SVD

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