7. Sonntag der Osterzeit (C)

Predigtimpuls

Einheit der Christen: Gebet und Gebot

1. Lesung: Apg 7,55-60
2. Lesung: 0ff 22,12-14.16f.20
Evangelium: Joh 17,20-26
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Am vergangenen Donnerstag haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert, Der große Bogen hat sich geschlossen, den Christus selber anzeigt: Ich bin vom Vater aus­ gegangen und in die Welt gekommen, ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater (Joh 16,28). Diese Worte, wie auch das heutige Evangelium, stammen aus der großen Abschiedsrede Jesu im Joh.-Ev., Kapitel 13-17. Das Evangelium heute kommt aus dem sog. Hohepriesterlichen Gebet, so nannte der evangelische Theologe David Chyträus (1531-1600) den Schlussteil der Abschiedsrede, das ganze Kapitel 17.
Das Hohepriesterliche Gebet ist ein Selbstgespräch Jesu - an seinen Vater gerichtet. Dabei spricht Jesus aus der Erwartung auf Verherrlichung und Entfaltung seiner Heilsmacht und zugleich aus der Gewissheit der Erfüllung seines Betens; aus seiner Todesgewissheit und Todesbereitschaft; aus seiner Verbundenheit mit seinen Jüngern und aus seiner Zugehörigkeit zum Vater. Jesu Gebetsrede an den Vater ist Wunsch und Wille: Er bittet um seine Verherrlichung in Verbindung mit der Verherrlichung seines Vaters - er bittet für seine Jünger und bittet ausdrücklich nicht für die Welt (Joh 17.9).
In der Bitte für seine Jünger haben wir im heutigen Evangelium gehört: Er möchte für seine Jünger dieselbe Einheit, die ihn mit seinen Vater verbindet – dieselbe Herrlichkeit, die er hat, von seinem Vater und bei seinem Vater - dieselbe Liebe, die zwischen ihm und seinem Vater besteht.
Für eine kurze Überlegung hier und jetzt nur das Stichwort Einheit. Jesus bittet für seine Jünger und für alle künftigen Gläubigen um vollendete Einheit (Joh 17,23) Modell und Maß dieser Einheit bestimmt er geheimnisvoll nach innen, nicht nach außen: Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein … sie sollen eins sein, wie wir eins sind - (Joh 17,21.22). Ähnlich Aussage und Bekenntnis Jesu vor den Juden in der Halle Salomos im Tempel: Ich und der Vater sind eins (Joh 10,30).
Von der urkirchlichen, in der Apg bezeugten Einheit der Ortsgemeinde in Jerusalem: Ein Herz und eine Seele (Apg 4,32) kam es zum fortschreitenden Verlust der Einheit in Glauben und Leitung. Bedenkenswert, wie Jesus persönlich und ausdrücklich um die Einheit der an ihn Glaubenden betet. Es wäre uns selbstverständlich, wenn er seinen Jüngern diese Einheit ausdrücklich auch als Gebetsanliegen empfohlen und als Bekenntnishaltung abverlangt hätte.
Die vom Vater erbetene Einheit hat Jesus nicht äußerlich definiert. So bleibt die Frage: Wie einig müssen und wie verschieden dürfen Christen in Glauben und Kirchenverfasstheit sein angesichts der Einheit, um die Christus für die Seinen gebetet hat? – Das praktische Verhalten Jesu mag uns nachdenklich machen: Einmal legten seine Jünger einem ,,nicht-kirchlichen“ Wundertäter das Handwerk und berichteten geschäftig: Meister, wir sahen einen in deinem Namen Dämonen austreiben, und wir wollten ihn hindern, weil er nicht mit uns zusammen dir nachfolgt. Jesus sprach: Hindert ihn nicht. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns (Mk 9,38; Lk 9,49).­ Als die Samariterin am Jakobsbrunnen wissen wollte, wo man Gott anbeten soll ­ auf dem Berg Garizim oder auf dem Berg Sion? - da sagte ihr Jesus: … weder auf diesem Berg, noch in Jerusalem … die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten (Joh 4,20).
Für Christus war die Einheit der Kirche ein Gebetsanliegen – für die Christen wurde die Einheit der Kirche eine politische Angelegenheit, die man anfänglich nur mit geistlicher, und dann auch mit weltlicher Gewalt zu regeln versuchte. Im Interesse dieser Einheit kam es weit über 1000 Jahre hindurch zu kircheninternen Christenverfolgungen: Ketzerliquidierungen in Massen, einschließlich der Hexenverbrennungen. Und all dies gehört zur Geschichte unserer Kirche wie die Kreuzigung unseres Christus selber. Trotzdem ging die Einheit verloren – gründlich! Man möchte meinen: endgültig - für unsere Weltzeit.
Neben den christlichen Großkirchen gibt es heute Abertausende von sog. Freikirchen im afrikanischen, amerikanischen und ozeanischen Raum, die Zahl wächst. Selbst in den eigenen und engeren Reihen meinen wir mit Blick auf Traditionalisten und Konservative, Opus-Dei-Mitglieder und Charismatiker, Integrierte Gemeinde, Engelwerk- und Lefebvre-Anhänger und andere nicht das „Ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) der Urgemeinde. Dazu wächst lautlos die Zahl derer, die aus der gelebten Einheit mit der Kirche, in die sie hineingeboren und hineingetauft wurden, lautlos wegbleiben.
Die von Christus erbetete, von der Kirche verlorene Einheit - erweckt zwiespältige Gefühle, nötigt zu einem traurigen Rückblick und zu einem trostlosen Ausblick. Man darf fragen, ob mit mehr Gebet und Geduld, mit mehr Vertrauen auf den Geist der Wahrheit, dem eigentlichen Garanten von Unfehlbarkeit und Einheit der Kirche, vor allem aber mit weniger tötender Gewalt, mit weniger Feuer und Schwert, Exkommunizierung und Diskriminierung die Einheit nicht so weitreichend verlorengegangen wäre. Die christliche Religion ist zahlenmäßig noch die größte, aber die am meisten gespaltene.
Einheit ist nicht in Sicht! Aktuell ist nur die Frage: Was kann die Trennung mildern und weitere Spaltung verhindern? Man ist gesprächiger, mitteilsamer, empfänglicher geworden unter den vielen verschiedenen christlichen Kirchen: Fachtheologen und Kirchenführer treffen sich zu Gesprächen über Kirchenstrukturen und Glaubenslehren – allerdings mehr unverbindlich als verbindend. Kirchenvolk der verschiedenen Konfessionen trifft sich herkömmlich zu Gebet, Bibelgespräch und gemeinsamen Aktionen. Zuweilen und ortsbegrenzt auch zum „Gedenken“, wie es aus der Bibel kommt (Lk 22,19; 1Kor 11,24). Eine Lösung in dem Sinn, dass die Römische Kirche die anderen wie verirrte und verlorene Schafe zur Einheit zurückführt, wird es nicht geben. Aber wachsende Verständigkeit und Verträglichkeit im Glaubensalltag der glaubensverschiedenen Kirchenvölker zeichnen sich ab.
Die Pilgernde Kirche ist unterwegs, ist in nichts am Ziel, auch nicht in der Erkenntnis und Erlangung der Einheit. Unter den großen Mystikern, den Gotterfahrenen aller Religionen, herrscht Einheit über das Unangemessene, Unzulängliche aller Gottesbilder und Glaubensformeln, Einheit in der bild- und wortlosen Erfahrung mit Gott, Einheit im Reden und Schweigen über Gott. Bei aller Verschiedenheit in den Weisen der Glaubensbekundung wäre ungeahnt mehr Einheit möglich, wenn Hinweise aus der Schrift mehr bedacht würden wie: Gott wohnt im unzulänglichen Licht (1Tim 6,16). Der Geist wird euch in die ganze Wahrheit führen (Joh 16,13). Lasst beides wachsen bis zur Ernte (Mt 13,30).
Zu Kreuzesnachfolge, Vollkommenheit, Barmherzigkeit, Dienstbereitschaft und Frieden untereinander fordert Christus die Seinen auf – Mk 8,34; Mt 5,48; Lk 6,36; Mk 9,35; Mk 9,50. Um Einheit für die Seinen betet er selber zum Vater. Die Zeit der nur einen Herde mit nur einem Hirten ist angekündigt (Joh 10,16); angebrochen ist sie und anbrechen wird sie - wie das Reich Gottes selber.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Raiml verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1995; S. 190ff]

P. Georg Raiml SVD

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, wie z.B. Facebook und Youtube welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Datenschutzinformationen