6. Sonntag der Osterzeit (C)

Predigtimpuls

Ihnen vor allem wird Mut gemacht

1. Lesung: Apg 15,1-2.22-29
2. Lesung: Offb 1,10-14.22-23
Evangelium: Joh 14,23-29
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Fast zur gleichen Zeit, als das Evangelium, das heute gelesen wird, seine endgültige Fassung erhielt, tröstete ein Bischof die kleinen versprengten Gemeinden in Vorderasien, die sich in der Verkündigungstradition des Johannesevangeliums gebildet hatten. Der Bischof, Ignatius mit Namen, in Antiochien lebend, war auf der Reise nach Rom. Es war, das wusste jeder, eine Reise ohne Wiederkehr. Er war gefangen, „an zehn Leoparden gefesselt“, schrieb er, das heißt, den Misshandlungen der ihn bewachenden Soldaten ausgesetzt. Ein Mensch ohne Rechte, Mitglied einer verfehmten Minderheit, der Christen, mit der man grausame Spiele treiben konnte, die man zur Volksbelustigung den wilden Tieren vorwarf. Ignatius ist um 110 als Märtyrer in Rom gestorben.
Er weiß, dass er seine verstreute Herde wie Waisen zurücklässt: im Trennungsschmerz, von Verfolgung bedroht, jetzt ohne seinen Rat und seine Weisung. Er bittet sie, ihn innerlich freizugeben, damit er zu Christus gelangen kann. „Für mich ist es besser, für Christus zu sterben“, schreibt er, „als zu herrschen bis an die Enden der Erde. Ihn suche ich. Der für uns gestorben ist; ihn will ich, der unseretwegen auferstanden ist. Die Geburt steht mir bevor; hindert mich nicht, das Leben zu gewinnen“ (An die Römer 6,1).
Vielleicht haben die Christen in der Stimme ihres geliebten Bischofs, der unterwegs in den gewaltsamen Tod war, die Stimme des Auferstandenen selbst gehört. Jedenfalls spricht er in demselben Geist, wie Jesus in ähnlicher Situation gesprochen hat: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu Euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu Euch zurück. Wenn Ihr mich lieb hättet, würdet Ihr Euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.“
Jesus hat nicht alles von vornherein gewusst. Er hat wie wir um Klarheit ringen müssen – sogar unter Weinen und Wehklagen -, was denn in der konkreten Situation der Wille des Vaters ist. Oft tun sich einem ja unterschiedliche Wege mit unabsehbaren Konsequenzen auf. Der gute Wille kann die klare Erkenntnis nicht ersetzen. Manchmal ist der nächste Schritt wie der Tritt aufs unruhige Wasser mitten in der Nacht auf dem See.
Jesus hat uns keine Lehre hinterlassen, keine Stufenbeschreibung auf dem Weg zur Erlösung und zur Erleuchtung. Er hat uns etwas vorgelebt, ist ein Stück Weg mit uns gegangen. Hauptsächlich an zwei Markierungen ist der „neue Weg“ zu erkennen: Einander annehmen, das eine, und auf die Nähe des Vaters vertrauen, ohne sich abzusichern, das andere. Mag es noch so turbulent und dunkel werden: Du weißt dich geführt, du weißt im entscheidenden Moment, was zu tun ist. Du fühlst dich getragen von Gottes Geist.
Aus dieser Erfahrung lebte Jesus. Er brauchte nicht zu belehren. Das tut der Vater selbst. Der kann es besser als ich. Er ist größer als ich. Was Ihr von mir gehört habt, hat mit Merksätzen nichts zu tun. Es ist wie frisches Quellwasser, geschöpft aus der Unmittelbarkeit zum Vater. Ich reiche es Euch weiter. Jetzt, wo ich nicht mehr leibhaftig unter Euch bin – das mag zunächst schmerzhaft und verwirrend sein – ist für Euch der Weg unmittelbar zur Quelle frei. Wendet Euch an Gott wie Kinder an ihren Vater. Ihr werdet mich finden, denn der Vater und ich sind eins.
Weil Ihr auf meine Liebe antwortet, indem Ihr einander annehmt, gehört Ihr zu uns. Ihr werdet auf Euren unsicheren Erdenwegen, wie ich die Erfahrung machen, dass Euch sein Geist unter die Arme greift, wo Ihr scheinbar am Ende seid. Ihr werdet im rechten Augenblick wissen, was zu tun ist. Ihr werdet Eure Aha-Erlebnisse haben. Plötzlich wird Euch einfallen und einleuchten, was Ihr noch gar nicht erfassen konntet, als wir uns in Aramäisch oder unserem galiläischen Heimatdialekt miteinander unterhalten haben.
Es wird ein Friede über Euch kommen, der nicht zu beschreiben ist. So großartig Euer Engagement für Frieden und Versöhnung auch ist und so notwendig Friedensverträge sind, es gibt da einen Frieden von solcher Tiefe, dass menschliches Bemühen ihn nicht erreichen kann. Der ist unzerstörbar, der übersteht die Hölle. Dietrich Bonhoeffer muss ihn erfahren haben und Maximilian Kolbe und der frühchristliche Zeuge, der Bischof Ignatius von Antiochien: „Nichts Sichtbares oder Unsichtbares hindere mich daran, zu Jesus Christus zu gelangen. Feuer, Kreuz, Kämpfe mit wilden Tieren, Zerschneidungen, Zerteilungen, Zerschlagen der Gebeine, Verzerrung der Glieder, Zermalmung des ganzen Körpers, des Teufels böse Plagen sollen über mich kommen, wenn ich nur zu Jesus Christus gelange“ (An die Römer5,3).
Das alles klingt weit weg von uns. Wir leben doch in Freiheit und Frieden. Es sei aber daran erinnert, dass ein nicht geringer Teil der Christen in anderen Gebieten unserer klein gewordenen Welt verfolgt ist bis hin zu Folter und Mord. Und wenn bei uns eine christliche Gemeinde sich durch Abschiebung akut lebensgefährdeter Asylanten annimmt, erfährt sie sehr bald Bedrohung und Ohnmacht vor dem Zynismus des Rechtsstaates und sieht sich in der Situation einer rechtsbrechenden Minderheit, observiert, schikaniert, allein gelassen. Es waren betont christliche Politiker, die sich als kalte Anwender gnadenlosen Rechts profilieren wollten, um Mehrheiten bei den Wahlen zu sichern. Manche engagierte Christen unserer Tage in unserem Lande - vielleicht sind es nicht viele - werden sich im Verwaistsein der Johannesgemeinden, wie sie im heutigen Evangelium zutage tritt, wiederfinden. Ihnen vor allem wird Mut gemacht: Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Birk verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1995; S. 186ff]

P. Dr. Gerd Birk SVD
 

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