5. Sonntag der Osterzeit (C)

Predigtimpuls

Die Liebe stiftet Gemeinschaft (zu Joh 13,31-35)

1. Lesung: Apg 14,21 b-27
2. Lesung: Offb 21,1-5a
Evangelium: Joh 13,31-33a.34-35
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Wir bekennen an Ostern den auferstandenen Herrn, der vom Vater mit einem neuen, unvergänglichen Leben beschenkt wurde. Dieses neue Leben ist ihm aber nicht nur für sich geschenkt worden, sondern durch ihn wird es allen geschenkt, die an ihn glauben. Auch wir sind mit Christus auferweckt, damit wir in dem neuen Leben leben. Dieses neue, österliche Leben ist uns von Gott geschenkt, aber damit es Wirklichkeit wird, müssen wir es annehmen und unser Leben aus ihm gestalten. Das heutige Evangelium konkretisiert nun, worin dieses neue Leben besteht: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“
Diese Liebe ist deshalb ein neues Gebot, weil es die Art und Weise ist, wie der von Gott neu geschaffene Mensch leben soll.
Wie das neue Leben der Liebe aussieht, dafür haben wir ein Beispiel, dem wir nacheifern dürfen. An diesem Beispiel können wir sehen, wie das neue Leben aussieht. Dieses Beispiel ist der auferstandene Herr selbst. „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“
Wenn wir fragen, was das eigentliche Geheimnis der Person Jesu ausmacht, was die Intention seiner Verkündigung und seiner Lebenspraxis war, dann müssen wir sagen: Er ist gekommen, um Gemeinschaft herzustellen. In dieser Gemeinschaft hat er den Menschen neuen Lebensmut, Lebensfreude, Sinn und Hoffnung geschenkt. Dadurch konnten sie aus ihrem engen, unfreien Leben ausbrechen und neue Menschen mit Freude und Hoffnung werden. Jesus hat Gemeinschaft mit seinen Freunden und Jüngern hergestellt, eine Gemeinschaft, die ihren Alltag geprägt und umgestaltet hat. Aus der Erinnerung an diese Gemeinschaft und aus der neuen Erfahrung dieser Gemeinschaft mit dem Auferstandenen blieben sie als Jüngergemeinde zusammen und trafen sie sich immer wieder in ihren gemeinsamen Mahlfeiern mit Jesus im Gedächtnismahl der Eucharistie. Diese Gemeinschaft mit Jesus machte sie froh und bestimmte ihr Leben. Diese Freude bestimmte das Leben der Urkirche. Lukas schreibt z. B., dass die Jünger nach dem Weggang Jesu mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehrten und dass sie von da an zum Brotbrechen zusammenkamen „in Jubel und lauterem Herzen“ (Apg 2,46).
Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi: „Freut euch allezeit im Herrn, noch einmal sage ich euch: Freuet euch! Lasst alle Menschen eure Güte erfahren, denn der Herr ist nahe“ (Phil 4,4-5).
Jesus hat aber auch Gemeinschaft hergestellt mit denjenigen, denen damals die Gemeinschaft verweigert wurde, nämlich mit den Armen, den Ausgebeuteten und Verstoßenen. Wie sehr Jesus auf der Seite dieser Armen steht, zeigt eine ganze Reihe von Jesusworten, vor allem die erste Seligpreisung der Bergpredigt. Jesus sagt gerade den am Rande Stehenden, den Zurückgesetzten, den Ohnmächtigen und den Unterdrückten die Hilfe Gottes zu. Er sagte ihnen diese Hilfe Gottes aber nicht nur zu, er lebte mit ihnen, als Armer unter den Armen.
Jesus hat Gemeinschaft hergestellt – Gemeinschaft auch mit denen, die damals infolge von Krankheit geächtet und ausgeschlossen waren. Die Heilung von Aussätzigen zeigt das überdeutlich. Sie waren ja aus der Gemeinschaft des Dorfes, der Familie ausgeschlossen. Man durfte sich ihnen nicht nähern; sie mussten durch Rufen auf sich aufmerksam machen. Jesus berührt sie und macht sie rein, so dass sie wieder in ihre frühere Lebensgemeinschaft aufgenommen werden können.
Jesus hat Gemeinschaft hergestellt mit denen, die damals aus religiösen und politischen Gründen verachtet waren, Gemeinschaft mit den Zöllnern, den Dirnen und den Sündern, Gemeinschaft mit den moralischen Versagern, Gemeinschaft mit den hoffnungslosen Existenzen, Gemeinschaft mit denen, die ein rechtgläubiger Jude damals niemals in seine Gemeinschaft aufgenommen hätte. Jesus hat den Kindern, die damals religiös nicht ernst genommen wurden, das Gottesreich zugesagt. Wir müssten sprechen über das Verhältnis Jesu zu den verhassten Samaritern; über sein Verhältnis zur Frau. Immer wieder müssen wir feststellen: Jesus hat Gemeinschaft hergestellt. Er hat versucht, alle Feindschaft und alle Zerrissenheit, alle Spaltung und Isolation, alle Diskriminierung und gegenseitige Verteufelung zu überwinden und so die Menschen zusammenzuführen.
Jesus handelt so letztlich nicht aus sozialen und humanitären Gründen, sondern aus einem religiösen Grunde: aus der Gewissheit, dass Gott bedingungslos und grenzenlos liebt – und zwar gerade die Verlorenen und die Sünder.
Der auferstandene Herr gibt uns dieses neue Gebot: Liebt einander! Das neue Leben, das uns geschenkt wurde, muss in uns Gestalt gewinnen und wachsen. Wenn wir das Beispiel Jesu sehen, müssen wir uns fragen lassen: Werden wir Christen dieser unerhörten Botschaft und dieser unerhörten Praxis Jesu gerecht? Sind wir in der Welt zum Zeichen der grenzenlosen Liebe und der bedingungslosen Gnade Gottes geworden? Sind wir uns bewusst, dass es unsere wichtigste Aufgabe wäre, wie Jesus Gemeinschaft herzustellen? Haben wir begriffen, dass unser vornehmster Dienst der Dienst der Versöhnung ist? Hier muss ein jeder von uns jetzt viele Fragen an sich stellen. Wenn wir uns diesen Fragen stellen und immer wieder versuchen, sie zu beantworten, dann wird ein Stück des neuen, auferstandenen Lebens Wirklichkeit in dieser Welt. Dazu schenke uns der Auferstandene seine Gnade. Amen.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Bettscheider verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1992; S. 194ff]

P. Dr. Heribert Bettscheider SVD
 

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