31. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Ganz schön spannend

1. Lesung: Weish 11,22-12,2
2. Lesung: 2Thess 1,11-2,2
Evangelium: Lk 19,1-10

Kennen Sie das auch? Da kommt manchmal ein ganz toller Filmklassiker im Fernsehen. Aber weil er so lang ist, wird er vom Sender auf zwei Abende aufgeteilt. Und nach dem ersten Teil ist man etwas unwirsch und will wissen, wie es wohl weitergehen wird. Wird sie ihn nun heiraten? – Wird er bereit sein, sein Leben zu ändern? Man wird es nicht wissen und die Spannung wird bis zum nächsten Sendetermin bleiben. Sicher ist aber eins: Der TV-Sender wird Erfolg haben. Man wird neugierig bleiben und auch beim nächsten Mal wieder einschalten, um zu wissen, wie die Geschichte ausgeht.

Das Evangelium des heutigen Sonntags zählt sicher zu den großen „Klassikern“ des Neuen Testaments. In jeder guten Erstkommunionvorbereitung spricht man von diesem kleinen Mann, dem Gauner, der sich auf Kosten anderer bereichert hat. Der Jesus eigentlich nur sehen wollte und dafür auf einen Baum stieg und der dann überraschenderweise durch die Begegnung mit Jesus bereit war, sein Leben zu ändern. Dieser Zachäus, der so überwältigt ist von der Begegnung mit Jesus, verspricht ihm, alles wiedergutzumachen. Gleich vierfach will er das zu Unrecht Erworbene zurückgeben.

Ist es nicht interessant: Obwohl die Zachäus-Geschichte ein biblischer „Klassiker“ ist, verlangen wir scheinbar nicht mehr nach einer Fortsetzung, nach „Zachäus 2“ sozusagen. Vielleicht sind wir schon so vertraut mit der Geschichte, dass wir das Evangelium zwar gehört, aber doch nicht gehört haben. Ganz im Sinne von: Kenn ich schon. Abgehakt und uns deshalb nicht mehr fragen, wie die „Story“ mit diesem Gauner Zachäus weiterging. Schade, denn dabei könnte doch genau der zweite Teil, der nicht in der Bibel steht, so spannend sein. Und warum steht dieser zweite Teil nicht in der Bibel? Vielleicht deshalb, weil die Handlung erst geschrieben werden muss – und zwar von jedem von uns persönlich.

Ich lade sie ein, einmal über verschiedene Versionen einer Fortsetzung von der Zachäus-Geschichte durchzudenken. Beginnen wir da, wo „Zachäus 1“ aufgehört hat: Zachäus hat diesem Jesus versprochen umzukehren; will heißen: Er will den Schaden, den er seiner Umwelt zugefügt hat, vierfach wiedergutmachen. Jesus wiederum hatte dem Zachäus zugesagt, dass seinem Haus das Heil geschenkt worden ist, weil auch er – Zachäus – ein Sohn Abrahams, also ein von Gott geliebter Mensch, ist. Wie nun könnte die Fortsetzung aussehen?

Version 1: Zachäus macht sein Versprechen wahr und besucht alle, die er betrogen hatte. Er will ihnen das Geld zurückgeben, doch keiner wollte es. Viele machen ihm erst gar nicht die Türe auf. „Heuchler“ und „Dieb“ wird er gerufen, wenn sie ihn sehen. Einer nimmt zwar das Geld an – jagt den armen Zachäus dann aber mit einem Fußtritt davon. Zachäus kommt wieder ratlos und enttäuscht nach Hause.

Version 2: Zachäus gibt jeden, den er betrogen hat, das Vierfache an Geld zurück und alle sind total glücklich, weil sie jetzt reich geworden sind. Zachäus will ihnen eigentlich erzählen, wie gut Jesus zu ihm war, doch keiner der Leute hört dem Zachäus zu, weil jeder schon unterwegs ist, sich tolle Sachen zu kaufen. Zachäus steht auch jetzt hilflos daneben.

Version 3: Und als Jesus das alles geredet hatte, ging er weiter nach Jerusalem. Zachäus aber machte sein Versprechen wahr und besuchte alle, die er betrogen hatte und gab ihnen ihr Geld vierfach zurück. Da herrschte große Freude in Jericho. Wenn ein Sünder sich bekehrt, dann freuen sich ja sogar die Engel im Himmel, sagten die Leute. Sie lobten Gott, für das Wunder der Bekehrung des Zachäus und sie feierten ein großes Fest. Sie waren so froh über den Zachäus, dass sie bereit waren, die Hälfte des Geldes den Armen in Jericho zu geben. Zachäus selbst aber wurde ein gerechter und beliebter Mann und alle Menschen achteten ihn. Sein Rat war seither unter den Frommen gefragt.

„Und wenn er nicht gestorben ist...“ so will man am liebsten an die Version 3 hängen, oder?! Wie im Märchen! Zu schön, um wahr zu sein! Genau das ist aber der Grund, warum es eben keinen zweiten Teil der Zachäus-Geschichte in der Bibel gibt. Sie bleibt offen, weil sie von jedem von uns selbst geschrieben werden muss. Die Geschichte von der Umkehr des Zachäus will uns einladen und fragen: Bin ich bereit mitzuhelfen, dass die Geschichte eines Menschen ein „Happy End“ – ein gutes Ende – bekommt? Oder lasse ich ihn in seiner Schuld stecken? Gebe ich meinem Nachbarn, Arbeitskollegen, meinen Eltern oder Geschwistern eine zweite Chance, das mir zugefügte Unrecht wiedergutmachen zu dürfen? Bin ich bereit zur Versöhnung und zur Vergebung?

Ob ein Mensch wieder zu Gott finden kann, ob auch ein Mensch, der sich offensichtlich verfehlt hat, wieder einen Neuanfang wagen kann und ob auch er wieder Heil erfahren kann im Leben: das alles hängt auch von mir ab. Ganz schön spannend, wie „Zachäus 2“ wohl ausgehen wird.

P. Norbert Cuypers SVD

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