27. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Glauben ist immer in Bewegung

1. Lesung: Hab 1,2-3; 2,2-4
2. Lesung: 2Tim 1,6-8.13-14
Evangelium: Lk 17,5-10

Dass die Jünger Jesus bitten, „stärke unseren Glauben!“, kommt mir recht seltsam vor. Sind denn nicht sie es, die Jesus mit eigenen Augen gesehen, die ihn gehört haben? Sie waren doch dabei, wenn er Kranke heilte und Dämonen austrieb; in all seinem Reden und Tun konnten doch gerade sie die Faszination seiner Person spüren.
Schaut man jedoch in den Texten der Evangelisten etwas genauer hin, entdeckt man, dass manches von dem, was Jesus glaubenden Menschen abverlangt, sogar seine Jünger überfordert. Gerade dem heutigen Evangelium geht ein Jesuswort voraus, dass durchaus überfordern könnte. Es heißt: “Und wenn sich dein Bruder [deine Schwester] siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich ändern!, vergib ihm [ihr]”. Angesichts eines solchen Wortes müssen auch die Jünger gespürt haben: Wer an Jesus glaubt, der kann nicht mehr so weiterleben wie bisher. Der Glaube an Jesus stellt alltägliche, eingespielte Verhaltensweisen in Frage und fordert ein radikales Umdenken.
Damit stehen die Jünger in einer Reihe mit uns heutigen Menschen. Wenn wir unser Christsein einigermaßen ernst nehmen, stoßen auch wir schnell darauf, dass manches von dem, was unser Glaube uns abverlangt, nicht einfach zu realisieren und durchzuhalten ist. Sensible Christen spüren die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit immer wieder in ihrem eigenen Leben.
Manche spüren, dass ihr Glaube, ihr Vertrauen in Gott, im Laufe der Jahre brüchig und wackelig geworden ist. Es begegnet und widerfährt uns vieles, was unser Vertrauen in Gott in Frage stellt. Glaube ist immer auch angefochtener Glaube.
Leider meinen die meisten Christen, Glauben sei Privatsache. So findet man auch selten Menschen, die bereit und fähig sind, miteinander über ihren Glauben zu sprechen, miteinander den Glauben zu teilen, in Glaubensnöten einander beizustehen und so einander Mut zu machen.
Dazu kommt, dass Christen auch von ihrer Umgebung, von Freunden, Verwandten, Nachbarn, ArbeitskollegenInnen, die womöglich zum Glauben der Kirche in Distanz gegangen sind, kritisch hinterfragt, nicht verstanden, manchmal belächelt und verspottet werden.
Christen und Christinnen werden Fragen über bestimmte Glaubenslehren gestellt, die angeblich kein vernünftiger Mensch heute mehr nachvollziehen kann. Fragen über Dinge, die wir selbst womöglich nicht verstehen oder über die wir noch nie nachgedacht haben. Schnell stehen wir da kleinlaut und verunsichert da.
Vor allem heute aber werden uns die entsetzlichen Kriminalgeschichten des Christentums von damals und heute um die Köpfe geschlagen und uns bleibt das Wort im Hals stecken. Wer trotzdem aus seinem Glauben keinen Hehl macht, muss sich nicht wundern, dass er oder sie meist mitleidig, zumindest aber mit Unverständnis angeschaut wird.
So gibt es auch heute viele Gründe für einen Christenmenschen zu bitten: „Herr, stärke unseren Glauben!“
Von den vielen Wegen, wie wir unseren Glauben stark werden lassen können, möchte ich auf zwei hinweisen:
Die Bitte der Jünger drückt aus, dass wir den Glauben nicht ein für allemal haben und besitzen. Glauben hat mit einem Weg zu tun, auf den wir uns begeben haben. Manchmal schreiten wir auf ihm voran. Manchmal bleiben wir stehen und manchmal müssen wir auch einige Schritte zurück.
Manchmal ist Glaube mehr Suchen und Tasten, Verirrtsein, Zweifel und Dunkel als vertrauendes Wissen um die liebende Gegenwart des Herrn. Wir sind unterwegs, aber nicht daheim. Und gerade weil wir das nicht sind, haben wir auch manchmal auf dem Glaubensweg Heimweh nach Gott. Das alles, was uns auf dem suchend tastenden Glaubensweg passiert, ist also überhaupt nicht unnormal.
Kein Christ, keine Christin, kann aber warten, bis sein oder ihr Glaube für ein Leben nach dem Evangelium ‘groß und stark genug’ geworden ist. Christenmenschen beginnen mutig und geduldig mit ihrem kleinen Glauben zu leben und zu handeln. Dabei haben sie die Zuversicht, dass Gott zur rechten Zeit schenken wird, was wir aus eigener Kraft nicht schaffen können. Und darum bitten Christenmenschen: Herr, stärke meinen Glauben!
Glauben stark werden zu lassen, verlangt jedoch auch Anstrengung und Mühe von uns: Glaube wächst mit der Glaubenseinsicht, das heißt, mit dem Bemühen, immer tiefer zu verstehen, wer der Gott Jesu für uns ist und was er für uns getan hat. Wer tiefer und mehr verstehen will, kommt nicht daran vorbei, sein Glaubenswissen und sein Glaubensverständnis zu erweitern. Christen können es sich heute nicht mehr leisten, nach ihrer Firmung nichts mehr zu tun, um ihren Glauben besser kennenzulernen und zu vertiefen: sei es im persönlichen und gemeinsamen Lesen und Nachdenken über die Heilige Schrift, sei es im Glaubensgespräch mit anderen Christen oder auch im Lesen religiöser Bücher.
Glauben ist eine Lebensaufgabe und Glauben ist immer in Bewegung. Er kann wie alles Lebendige wachsen und reifen, er kann aber auch verkümmern und sterben. Ob das eine oder das andere mit unserem Glauben geschieht, liegt auch an uns selbst!

P. Dr. Bernd Werle SVD

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