20. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Reif zur Entscheidung

1. Lesung: Jer 38,4-6.8-10
2. Lesung: Hebr 12,1-4
Evangelium: Lk 12,49-53

Damaskus 1994
Eine Schar von 40 bis 50 Frauen und Männern im geräumigen Innenraum eines Hauses in Damaskus geriet außer sich. Abuna Boulos (arab. Hochwürden Paulus) stellte, bevor er das Evangelium verlesen wollte, den Leuten eine Frage. Lächelnd hörte er ihre Antworten, doch plötzlich wurden die Stimmen lauter, aufgeregt stürzten einige nach vorne und ergriffen das Evangelienbuch. Sie lasen, schüttelten den Kopf, das Buch ging reihum.
Ich konnte (der arabischen Sprache nicht mächtig) nur verblüfft zusehen. Bei der Heimfahrt nach der Messe erzählte mir Abuna Boulos, worum es ging. Es handelte sich bei dem Abschnitt des Evangeliums um unser Tagesevangelium heute. Er fragte vor der Verlesung die Frauen und Männer, ob Jesus Friedensbringer sei. Damals war nach 15 Jahren der blutige Bürgerkrieg im Nachbarland Libanon beendet. Natürlich konnten sie sich Jesus nur als Friedensbringer vorstellen. Als ihnen Abuna Boulos sagte, dass Jesus nicht Frieden, sondern das Schwert bringt, und auf das Evangelium verwies, konnten sie ihm nicht glauben und wollten es selbst sehen und lesen. Der Priester gab zu, dass die heftige Reaktion der Leute auch ihn überrascht hatte.

Zum Kontext:
Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, macht er sein Gesicht fest, hinaufzugehen nach Jerusalem.
Der griechische Text drückt den Entschluss Jesu drastischer aus als die abgefederte Übersetzung. Die wenigen Verse, die wir heute als Evangelium lesen, sind aus dem Zusammenhang zu verstehen. Jesus entschließt sich, von Galiläa nach Jerusalem zu gehen. Er hat keine fromme Pilgerfahrt wie die anderen Leute im Sinn, sondern will die Entscheidung für seine Mission herbeiführen. Er hält die Zeit der Entscheidung für gekommen. Das „feste Gesicht“ ist Ausdruck seiner Entschlossenheit.
Dieser Weg ist dem Evangelium so wichtig, dass Lukas dafür 9 Kapitel aufwendet. Das 12. Kapitel, aus dem wir heute einen Abschnitt lesen, ist zentral.
Israel ist für die Entscheidung reif. Es ist auf den Beinen, es strömt zu Jesus. Lukas gibt sogar eine Zahl an, es sind Tausende! Gemeint ist das Volk.
Unterwegs spricht Jesus nicht zum Volk, um es zu ergötzen oder zu erbauen, er drängt auf die Entscheidung. Was er sagt und lehrt, sind Tugenden des Reiches Gottes. Er ist gesendet, es zu errichten.
Ein Kreis aus dem Volk, Frauen und Männer, bekennt sich bereits zu Jesus. Im 12. Kapitel, aus dem wir lesen, wendet sich Jesus Israel zu, vor allem aber seinen Jüngern. Nur hier nennt er alle Freunde.
Als Lukas darüber schreibt, hat er natürlich seine aktuellen Gemeinden im Blick. Sie sollen wissen, dass ihre Entscheidung richtig war. Sie dürfen furchtlos sein, denn sogar die Haare ihres Kopfes sind gezählt.
Das Evangelium erinnert an Episoden auf dem Weg. Sie sollten damals dem Volk und heute der Gemeinde zeigen, worauf es im Reich Gottes ankommt. So bittet ein Mann Jesus, beim Erbstreit mit seinem Bruder zu vermitteln. Jesus antwortet grundsätzlich: Er warnt vor Habsucht und schließt das Gleichnis vom reichen Gutsbesitzer an, der nur an sich denkt. Und er warnt, nicht in den Sorgen des Alltags aufzugehen. Gott sorgt für alle, wie der Verweis auf die Vögel zeigt.
Eine Stelle verdient besondere Aufmerksamkeit. Hier wendet er sich an seine Jünger, die Gemeinde weiß sich angesprochen. Jesus spricht davon, wie die Verantwortlichen, während er nicht mehr da ist, mit den ihnen Anvertrauten umgehen sollen. Hier ist eine Frage des Petrus wichtig, ob diese Anweisungen Jesu nur für den Jüngerkreis, also die Gemeinde, gelten, oder auch für das Volk, also alle Menschen. Jesus gibt keine direkte Antwort, aber es ist nicht schwer zu ersehen, dass alle Menschen gemeint sind. Was die Gemeinde tut und wie sie handelt, ist ein Modell des Verhaltens der Menschen im Reich Gottes.

Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen
Nun sind wir beim Abschnitt des Evangeliums, den wir heute lesen. Jesus spricht zur Volksmenge und zu den Jüngern. Zu allen Menschen.
Wir erinnern uns an seinen entschlossenen Gesichtsausdruck, es geht um die Entscheidung, die alle Menschen betrifft. Lukas fasst es in Sprüche.
Der erste Spruch vom Feuer hat die Menschen in Damaskus erschreckt, Feuer erweckt die Vorstellung von Krieg und Vernichtung. So meint es Jesus nicht. Sein Kommen ist wie ein Anzünden eines Feuers. Sein Feuer ist nicht Strafe, sein Wunsch ist, dass sich Israel anstecken lässt und seine Sendung annimmt.
Zur Erklärung fügt er einen zweiten Spruch an: Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Der Blick geht vom „Feuer“ zur „Taufe“ in (seinem) Leiden und Tod. Die Christinnen und Christen sehen darin auch die Angst Christi und schließen daraus, dass Jesus seinen Tod nicht gesucht und nicht gewollt hat.
Der dritte Spruch ist ernst: Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Die Gegenwart des Reiches Gottes geht zusammen mit Spaltungen und Entzweiungen. Lukas fügt hinzu: Von nun an. Er erinnert an die Spaltungen im Innern der Familien: Vater gegen Sohn und umgekehrt, Mutter gegen Tochter, Schwiegermutter gegen Schwiegertochter… Solches geschieht, obwohl das Evangelium Frieden und Harmonie preist.
Leider schließt hier der Abschnitt. Die Verwirrung in Damaskus, von der ich berichtet habe, ist verständlich. Im Evangelium erklärt Jesus der Volksmenge, wie seine Worte zu verstehen sind, was er dem Volk Israel, den Gemeinden des Lukas und uns Menschen heute sagen will. Er erinnert an die Einschätzung der Witterung. Die Menschen können das Aussehen der Erde und des Himmels deuten. Er fragt: Warum könnt ihr dann diese Zeit der Entscheidung nicht deuten?

Eine Frage an uns
Die Aufforderung zur Entscheidung betrifft jeden Menschen. Wer oberflächlich sein Leben vertrödelt, verpasst sie.
Ein weiser Mystiker unserer Zeit (Bede Griffiths) hat mir in Indien einen Rat gegeben, man kann diesen Rat auch in Büchern seines Schülers lesen (Bede Griffiths, Roland R. Ropers: Eine Welt. Eine Menschheit. Eine Religion. Sheema Medien Verlag 2021).
Bede Griffiths rät, von Zeit zu Zeit die Kammer seines Innern zu betreten und über sein Leben und die Entscheidungen nachzudenken.
Kein Mensch kann der wichtigsten Frage ausweichen, wofür er gelebt hat. Wer sich dieser Frage stellt, den kann nichts erschüttern, kein Krieg, keine apokalyptischen Zukunftsprognosen… Er weiß sich in Gott geborgen, der die Sonne über Böse und Gute aufgehen lässt.

P. Dr. Jakob Mitterhöfer SVD

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