19. Sonntag im Jahreskreis (C)

Besinnung

pax christi - Friedensfragen

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Evangelium: Lk 12,32-48

Schätze suchen, wach bleiben, Christus immer erwarten – da wird viel verlangt
Normalerweise bewundere ich den Evangelisten Lukas für seine theologische und schriftstellerische Leistung, aber in der Perikope des 19. Sonntags im Jahreskreis scheint er ein Sammelbecken für ältere jesuanische Sprüche und ältere christliche Spruchtraditionen geschaffen zu haben, aus denen der Evangelist Matthäus die großartigen Gerichtsreden in Mt 25 geschaffen hat. Entweder fehlte dem Evangelisten Lukas Material oder die Phantasie mit vorliegenden Material und Motiven vom Schatz, von Lampen, von Dieben und wachen oder nachlässigen Knechten, mahnende Geschichten und Gleichnisse zu entwerfen.

Oder aber Lukas empfand diese Bruchstücke der Überlieferung so sehr als harte Brocken für die Glaubenden und Nachfolgegemeinschaft, dass er sie genauso kantig überliefern wollte. Immerhin hat er diese Sprüche wegen ihrer klaren Ansagen und Härte als authentische Jesus-Worte angesehen und hat sie in sein Evangelium integriert und sie nicht unter den Tisch fallen lassen. Eigentlich passt es schon auch zur lukanischen Linie, dass auf den Glauben Taten der Gerechtigkeit vor allem für die Armen folgen müssen. Statt diese Logien in Gleichnisse zu packen, lässt er sie roh, kantig, provozierend, zusammenhanglos und trotzdem in aller Klarheit. Sie brauchen kein schmückendes Beiwerk, sondern es gilt, neben dem Zuspruch des Evangeliums, auch seinen Anspruch in aller Dichte und Unangepasstheit den christlichen Hörenden und Lesenden zukommen zu lassen und dann entdeckt man doch eines: Für die Machthabenden braucht es mal diese klare Ansage gerade in Phasen der Ohnmacht so vieler, die an ungerechten Herrschenden leiden.

Lied: GL 440 "Hilf Herr meines Lebens"

Gebet
Gott, frohe Botschaft nennen wir die Überlieferungen über Jesus, den Christus, Deinen Sohn, unseren Bruder. Doch nicht alles, was wir dort lesen, erfreut uns sogleich. Hinter all dem Zuspruch, geliebt zu sein, immer wieder umkehren zu dürfen, angenommen zu sein, steht auch ein hoher Anspruch: Wir sollen Jesu Weg folgen, allein dem Reich Gottes dienen, wachsam sein für das, was uns anvertraut worden ist. Gib uns die Fähigkeit, uns nicht auf den schönen Geschichten des Evangeliums auszuruhen, sondern uns seinem Anspruch zu stellen, der unbequem, anstrengend sein kann. Trotzdem lässt Du uns nicht allein und kannst aushalten, wenn wir scheitern, aber nicht, wenn wir gar nicht versuchen, wach zu bleiben für Dein Reich, für Gerechtigkeit und vor allem für Frieden. Daher stärke uns in Deinem und unserem Anspruch für Frieden und Gerechtigkeit in jedem Moment unseres Lebens. AMEN

Evangelium  (Lk 12,32-48)
32 Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.
Das ist der Zuspruch, der immer dem Anspruch vorangeht. Eine kleine Herde werden wir in der Tat immer mehr in der katholischen Kirche in Deutschland, doch ein Trost ist das nicht. Ich glaube nicht, dass Jesus erwartet hat, dass wir eine kleine Herde nur noch sind. Oft sind diejenigen, die sich gesellschaftlich noch engagieren und nicht nur fromme Gottesdienste feiern, sogar eine noch kleinere Herde in einer kleinen Herde, aber eben die Herde, die das Reich Gottes gestaltet und zwar nicht in der Kirche, sondern in der Welt, denn Reich Gottes ist immer mehr als die Kirche. Aber auch wenn es nur wenige sind, die Jesus folgen, es gibt keinen Grund sich zu fürchten, denn Gott hat bereits entschieden, uns das Reich anzuvertrauen und zu geben. Etwas Kostbares und Verantwortungsvolles ist uns damit geschenkt worden. Das kann erschrecken, überfordern. Wissen wir, was das bedeutet?

33 Verkauft euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst! 34 Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Die Konsequenzen, das Kostbarste von Gott bekommen zu haben, Verantwortung für sein Reich und Zugehörigkeit zu seinem Reich, sind hart und kosten für fast alle Christinnen und Christen Überwindung: Verkauft alles, sucht nicht nach Reichtümern und Schätzen hier auf Erden, sondern im Himmel. Das Reich soll der größte Schatz sein, auf ihn soll unser Herz, Verlangen, Denken, Gestalten und Handeln ausgerichtet sein. Das relativiert einerseits die Forderung nach absoluter Armut und Mittellosigkeit, da grad der Evangelist Lukas weiß, es braucht auch Mittel für Gerechtigkeit und einen sozialen Ausgleich und ein menschwürdiges Leben. Andererseits soll eben am schnöden Mammon unser Herz nicht hängen. Schließlich sind alle Güter auf Erden vergänglich, das Reich Gottes und seine Werte und Kostbarkeiten nicht.

35 Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! 36 Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft!
Wer das Reich Gottes anvertraut bekommen hat, muss wachsam sein und bleiben, bis Jesus Christus kommt, um das Reich zu vollenden. Diese Bereitschaft, immer damit zu rechnen, dass das Reich Gottes endgültig wird und vollkommen, fällt uns 2000 Jahre später sicher schwer, auch wenn zur Zeit apokalyptische Zeichen und Ereignisse verstärkt auftreten: Krieg, Seuchen, Hunger. Allerdings wissen wir auch, dass Menschen zumindest was Krieg und Hunger betrifft, dafür verantwortlich sind und auch Schuld tragen. Es sind mächtige Menschen, die in ihrem Wahn und Tun vergessen, dass es noch einen mächtigeren Herrn gibt, der kommen wird, um im Gericht sein Reich endgültig aufzurichten. Der Rechenschaft verlangt, ob wir wachsam blieben das Reich Gottes, für seine Gerechtigkeit und seinen Frieden.

37 Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. 38 Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach - selig sind sie. 39 Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht. 40 Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Diese Verse interpretiere ich durchaus, dass es einen langen Atem braucht und auch wir im postmodernen Zeitalter als Glaubende damit rechnen müssen, dass der Herr kommt. Es ist Teil unseres Glaubensbekenntnisses an eine Wiederkunft Christi zu glauben, von der niemand sagen kann, wann und wie sie geschieht. Es ist die Ermutigung, nicht selbstgefällig und selbstzufrieden zu werden im eigenen Leben und Tun, darauf zu hoffen, dass es sogar besser werden wird, weil Jesus uns, wenn wir gut mit seinem Reich umgegangen sind, ihn nicht vergessen haben, an seinem Tisch Platz nehmen lässt und uns dient. Wir sind so sehr damit beschäftigt, uns Szenarien auszudenken, was Schlimmes passieren kann, wer potentiell ein Verbrecher ist, erwarten und befürchten, was uns alles weggenommen werden wird, gerade jetzt in Zeiten von Inflation und Teuerung, aber wer rechnet mit dem Guten? Mit dem Kommen Christi zur Finalisierung seines Reichs des Friedens?
Dieser Frieden erscheint uns ferner denn je, aber sollten wir nicht gerade deshalb wieder sehnsuchtsvoller auf ihn hoffen?

41 Da sagte Petrus: Herr, sagst du dieses Gleichnis nur zu uns oder auch zu allen? 42 Der Herr antwortete: Wer ist denn der treue und kluge Verwalter, den der Herr über sein Gesinde einsetzen wird, damit er ihnen zur rechten Zeit die Tagesration gibt? 43 Selig der Knecht, den der Herr damit beschäftigt findet, wenn er kommt! 44 Wahrhaftig, ich sage euch: Er wird ihn über sein ganzes Vermögen einsetzen.
Petrus versteht mal wieder nicht alles und auch Jesus scheint seine Frage nicht zu verstehen. Er antwortet nicht direkt darauf. Es bleibt ein Rätsel, an wen die bisherigen Worte Jesu gerichtet sind, oder sind es gar keine Gleichnisse, sondern konkrete Aufforderungen?

Jesus macht nur nochmal deutlicher, dass die Apostel, also allen voran Petrus, noch mehr in der Verantwortung für Jesus und für Gottes Reich stehen. Provozierend setzt er Petrus sogar überhaupt nicht mit einem treuen und klugen Verwalter gleich, sondern fragt selbst, wer könnte für Jesus denn ein treuer und kluger Verwalter sein. Kriterium eines treuen und klugen Verwalters ist, alle gut zu versorgen, alle im Blick zu haben, was sie für ein gutes Leben zur rechten Zeit brauchen. Ein kluger und treuer Verwalter ist keiner der diszipliniert, unterdrückt und seine Macht missbraucht. Ein treuer und kluger Verwalter ist ein sorgender, achtsamer Mensch, der seinen Auftraggeber und das Reich Gottes in den Mittelpunkt stellt und nicht sich selbst.

45 Wenn aber der Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr verspätet sich zu kommen! und anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, 46 dann wird der Herr jenes Knechtes an einem Tag kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt; und der Herr wird ihn in Stücke hauen und ihm seinen Platz unter den Ungläubigen zuweisen. 47 Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen.
Wenn mächtige Verwalter, seien es kirchliche pastorale Amtsträger oder politische Regierende, meinen Jesus, der Herr kommt nicht, wenn sie nicht mehr mit ihm rechnen, und sich selbst an seine Stelle setzen, die ihm anvertrauten Menschen misshandeln, sich an Macht berauschen, werden sie in Stücke gehauen und im Gericht den Ungläubigen und Verdammten zugeordnet. Hier wird deutlich, dass es für Kriegstreibende, Vernichter von Menschen und Menschenwürde keine Barmherzigkeit gibt, sondern nur göttliche Gerechtigkeit. Wenn ein Kriegstreibender Machthaber meint, er sei Christ, meint, den Willen des Herrn zu kennen, wird er viele Schläge bekommen… vielleicht sollte Papst Franziskus nur diesen Vers mehrfach kopieren und via Moskau senden. Muss man eigentlich mehr sagen?

48 Wer aber, ohne den Willen des Herrn zu kennen, etwas tut, was Schläge verdient, der wird wenig Schläge bekommen. Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.
Wo scharfe Urteile angekündigt werden, gibt es immer auch Nachsicht und Milde und doch bleibt der Anspruch des Evangeliums vor allem an hohe Verantwortungträger:innen: Wem viel anvertraut ist, ob Hirtensorge oder Regierungsverantwortung, von allen wird Gott mehr verlangen, auch mehr Rechenschaft dann, wenn der Herr wiederkommt.

Wir sind gewohnt, hohe Ansprüche an uns selbst, unser Leben, unsere Fähigkeiten und unser Engagement zu stellen. Doch wir sind angesichts des Kriegs nun auch wieder in Europa stärker mit der eigenen Ohnmacht konfrontiert, wenn ein Regierender und ein politisches System nicht bereit ist, sein Tun zu überdenken und zu reflektieren nach ethischen Werten auf Basis von Völkerrecht und der Menschenrechte. Wir sind gewohnt, aus dem Evangelium Ansprüche an unser alltägliches Leben zu stellen und das ist richtig und wichtig. Doch es gibt diese Momente, diese Gegebenheiten auf dieser Erde, in diesem noch unvollendeten Reich Gottes, an dem wir Hoffnung schöpfen können aus harten Brocken der Gerichtsbotschaften unseres Evangeliums. Es gibt einen anderen Herren, einen Richter, der den Opfern von Gewalt und Krieg Gerechtigkeit schaffen wird. Das ist keine Ausflucht, kein Vertrösten, es macht rechtsstaatliche Verfolgung von Verbrechen nicht überflüssig, auch nicht den Einsatz für Frieden auf Erden, doch manchmal bleibt uns in Verzweiflung und Ohnmacht nur dieser Teil unseres Credos „der wiederkommen wird, zu richten, die Lebenden und die Toten“, um unseren Schatz des uns anvertrauten Reiches Gottes weiterhin in Händen und Ehren halten zu können.

Lied
Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine Wege. Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott; mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm du mir entgegen.

Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?

Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und laß mich unter deinen Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.

Vater unser

Segen
Gott, segne und behüte uns, lege deinen Namen auf uns, immer wieder, bis dein Glanz aus unseren Augen leuchtet und wir deinem Namen und unserer Berufung, Deine Gesalbten zu sein, Ehre machen. Gott, segne und behüte uns, lege uns immer wieder die Verantwortung und die Kraft Deines Reiches in unsere Hände, doch stütze unsere Hände, wenn Dein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit angegriffen wird. Gott, segne und behüte uns, dass wir treu und verantwortungsvoll bleiben und wachsam für alles, was Deinem Willen entspricht.

So segne und behüte uns heute und allezeit, Du Vater Sohn und Heiliger Geist. AMEN.

pax christi - Friedensfragen - Impuls zum Innehalten - Impuls zum 7. August 2022

Von Dr. Ute Zeilmann, Kommission Migration, Bremen
 

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