15. Sonntag im Jahreskreis (C)

Besinnung

Die Samariter

1. Lesung: Dtn 30,10-14
2. Lesung: Kol 1,15-20
Evangelium: Lk 10,25-37

Die Samariter (zu Lk 10,29)

Wieder einmal wollte ihn ein Gesetzeslehrer auf die Probe stellen und fragte ihn: Es gibt so viele Mitmenschen, wer von ihnen ist mein Nächster?

Da erzählte er folgende Geschichte: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus, schlugen ihn nieder und ließen ihn halbtot liegen.

Zufällig kam ein Beauftragter einer kirchlichen Hilfsorganisation denselben Weg herab. Er sah ihn und ging weiter, denn er war gehalten, nur dann zu helfen, wenn eine Hilfsmaßnahme von den zuständigen Gremien geprüft und als förderungswürdig anerkannt worden war.
Auch ein Berichterstatter einer internationalen Nachrichtenagentur kam vorbei: Er notierte diesen Verstoß gegen die Menschenrechte als den siebenmal siebenundsiebzigsten Fall in dieser Gegend. Obwohl er es sehr eilig hatte, nahm er sich doch Zeit, dieses grauenvolle Ereignis in eindrucksvollen Farbaufnahmen festzuhalten. Dann hastete er weiter, um noch für die Abendschau desselben Tages einen Dokumentarbericht zu erstellen. Er legte darin schonungslos die Unfähigkeit der örtlichen Behörden bloß, die noch immer nicht in der Lage sind, die Reisewege von und nach Jerusalem zu sichern, und er setzte alles daran, ihren Rücktritt zu erzwingen.
Nach kurzer Zeit kam einer, der an verschiedenen Universitäten viele Jahre lang verschiedene Studien betrieben hatte. Als er den Schwerverletzten in seinem Blut daliegen sah, wurde er von Mitleid überwältigt. Er kniete nieder und scheute keine Mühe, ihn eingehend zu befragen, ob er sich zuvor den Räubern gegenüber nicht provozierend verhalten oder ihnen sogar Anlass zu ihrem Überfall gegeben habe. Da der Schwerverletzte vor Schwäche kaum noch reden konnte, gab er die Befragung auf und reiste eilends weiter nach Jerusalem. Dort rief er alle Freunde, Nachbarn und Bekannte zusammen, stattete sie mit Fahnen und Transparenten aus und zog mit ihnen viele Stunden lang laut schreiend durch die Stadt. Dann ordnete er an, ein Kaufhaus in die Luft zu jagen, um darauf aufmerksam zu machen, wie krank eine Gesellschaft sein muss, die Räuber hervorbringt, sie dann zu Außenseitern macht und somit zur Gewaltanwendung zwingt.

Da wandte der Gesetzeslehrer ungeduldig ein: Sag endlich, was aus dem Schwerverletzten geworden ist! Wurde er gerettet oder nicht?

Darauf gab er zur Antwort: Er wurde gerettet. Ein Streifenwagen der Straßenwacht brachte den regungslos am Boden Liegenden in die Notaufnahme eines Jerusalemer Krankenhauses, wo er nach intensiven Bemühungen, mit Medikamenten wohl versehen, unter einem Sauerstoffzelt sanft eingeschlafen ist.

Da sagte der Gesetzeslehrer: Also gibt es auch noch in der Welt von heute Nächstenliebe.

Der Meister aber schwieg.

Der Apostel Paulus spricht von verschiedenen Ämtern und
Charismen. Der eine ist Fuß; ein anderer ist Hand; und wieder ein
anderer Auge oder Ohr. Aber wer ist Blinddarm und wer Galle?

In: Walter Rupp, Der verlorene Vater - Erstaunliche Gleichnisse, München 2003, S. 62f

P. Walter Rupp SJ
 

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