15. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Das Evangelium lädt uns ein, Kirche so zu leben, wie Jesus sie gewollt hat.

1. Lesung: Am 7,12-15
2. Lesung: Eph 1,3-14
Evangelium: Mk 6,7-13

1. Im heutigen Evangelium wird gezeigt, was Jesus unter Kirche versteht. Die Jünger werden ausgesandt, das Reich Gottes zu verkündigen: Kehrt um, und glaubt, denn das Reich Gottes ist nahe. Sie erhalten von Jesus ihre Sendung und Vollmacht. Im Konkreten erhalten sie die Vollmacht über die unreinen Geister und Kranke zu heilen. Dies ist die Aufgabe der Kirche bis heute. Sie muss das Evangelium vom Reich Gottes verkünden und so die Menschen zur Umkehr aufrufen. In dieser Umkehr zum Reich Gottes hin werden die Menschen von ihren Ängsten befreit und geheilt.

Erkennen wir hierin die Kirche von heute? Ist die Kirche dieser ihrer Sendung durch Jesus treu? Lassen Sie uns einmal über den Text des Evangeliums nachdenken.

2. Das Evangelium vom Reich Gottes, das Jesus verkündet und zu dessen Verkündigung er die Jünger aussendet, meint die Tatsache, dass Gott der barmherzige, liebende Vater der Menschen ist. Gott nimmt die Menschen an, er vergibt ihnen, ohne Vorbehalte. Bei ihm zählen nicht Schuld und Sünde, sondern nur Liebe und Erbarmen. Jesus verkündet nun die Nähe dieses liebenden Vatergottes in seiner Person. In ihm kommt Gott den Menschen nahe, jetzt; in ihm nimmt er sich der Menschen in barmherziger Liebe an; er schenkt ihnen Mut und Vertrauen, weil Gott sie liebt, so wie sie sind. Zeichen dieser Nähe der Liebe Gottes sind seine Macht über die unreinen Geister sowie seine Heilungen.

3. In unserem Leben gibt es viele „unreine Geister“; wir leben mit vielen Ängsten. Dem einen macht seine Hautfarbe zu schaffen. In unserem Land gibt es Menschen, die Angst haben, weil sie eine schwarze Hautfarbe haben. Sie fürchten, dass sie nicht akzeptiert werden, ja dass sie angepöbelt werden. Und das oft nicht zu Unrecht. Menschen mit weißer Hautfarbe halten es also für „unrein“, eine schwarze Hautfarbe zu haben.

Ein anderer hat Probleme und fühlt sich unwohl in der Gemeinschaft, in der er lebt, weil vermeintlich seine Intelligenz und sein Verstand nicht groß genug sind. So hat er Minderwertigkeitsgefühle, und er bemüht sich krampfhaft mit viel Fleiß und Energie, diesen vermeintlichen ,,Fehler“ auszugleichen. Und wenn er es nicht schafft, ist er unglücklich.

Andere macht unsere heutige Leistungsgesellschaft krank. Es wird immer mehr Leistung verlangt. Diese Forderung nach Leistung hetzt den Menschen von einem Punkt zum andern und lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. So haben Menschen heute Angst, sie würden nicht genügend leisten; sie haben Angst, ihren Arbeitsplatz, ihre Anerkennung vonseiten der anderen zu verlieren. So werden sie krank: sie kommen mit sich selbst nicht mehr ins reine, und auch die menschlichen Beziehungen stimmen nicht mehr.

Dann gibt es Mädchen, die mit sich unzufrieden sind, weil sie sich nicht schön genug finden. Das Diktat des heutigen Schönheitsideals, das durch die öffentliche Meinung und die Medien auf sie niederprasselt, macht ihnen Angst und macht sie unglücklich.

Es gibt aber auch Menschen, denen unsere Kirche angst macht durch ihre vielen Gebote und Verbote, mit denen sie nicht klarkommen. Ich nenne nur das Beispiel der Geschiedenen und Wiederverheirateten.

4. In dieser vielfältigen Besessenheit durch Angst hat die Kirche die befreiende Botschaft von der Nähe des barmherzigen und liebenden Vatergottes zu verkünden, der die Menschen so annimmt, wie sie sind, ohne Vorbedingungen. Für Gott ist ein jeder wertvoll und liebenswert, so wie er ist. Bei ihm darf der Mensch er selber sein. Die Umkehr, von der Jesus spricht, besteht nicht in einer neuen Bußverkrampfung und in einer Vermehrung von Schuldgefühlen. Umkehr bedeutet bei Jesus das Ende der menschlichen Angst, die Heilung von seelischer und körperlicher Krankheit durch die Erfahrung der Nähe des liebenden Vatergottes. Aus dieser Erfahrung heraus kommt der Mensch dann gleichsam von selber zu dem Weg, den Gott für ihn will.

5. Diese Botschaft Jesu von der Nähe des Gottesreiches zeigt sich auch in den Vorschriften, wie die Jünger verkünden sollen. „Und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.“

Auch hier geht es darum, die menschliche Angst abzubauen. Ein Grundproblem unseres Lebens besteht ja darin, dass wir mit uns selbst oft nicht zufrieden sind. Wer schon mit seiner äußeren Erscheinung unzufrieden ist, der wird versuchen, sich vorteilhaft in Szene zu setzen mit seiner Kleidung und mit seinem Auftreten. Wenn einer meint, nicht klug zu sein, dann wird er versuchen, mit Fleiß und Leistung diesen ,,Mangel“ zu beheben.

Jesus macht dies nicht mit. Er befiehlt den Jüngern, so schlicht wie eben möglich zu den Menschen zu gehen. Wir werden an die Bergpredigt erinnert: „Macht euch keine Sorgen“ (Mt 6,25). Die Jünger sollen keine Rolle spielen, sondern so sein, wie sie sind. Sie sollen durch die Art ihrer Verkündigung den Glauben und das Vertrauen in die Vaterliebe Gottes dokumentieren.

6. Das heutige Evangelium ruft uns also dazu auf, Kirche zu leben, wie Jesus es gewollt hat. Leben wir aus dem Glauben und dem Vertrauen auf die Nähe der Vaterliebe Gottes. Diese wird uns aus unseren Ängsten und Nöten befreien zu einem echt menschlichen Leben. Sagen wir diese Botschaft weiter, vor allem durch unser Leben.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Bettscheider verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1994; S. 275ff]
 

P. Dr. Herbert Bettscheider SVD

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