Aufnahme Mariens in den Himmel (H)

Predigtimpuls

Bestimmung der ganzen Schöpfung Gottes

1. Lesung: Offb 11,19a; 12,1-6a.10ab
2. Lesung: 1Kor15,20-27a
Evangelium: Lk 1,39-56
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

„Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!“ So singt Maria, erfüllt von dankbarer Freude über das Wirken Gottes in ihrem Leben. Gott erhöht die Niedrigen! Das war ihre ganz persönliche Erfahrung. Denn sie, das einfache Mädchen aus Nazareth, wurde von Gott erwählt, den Erlöser zur Welt zu bringen.

Die ganze Bibel ist voll von ähnlichen Erfahrungen. Und sie sind verdichtet im Magnifikat, das wir eben im Evangelium gehört haben. Bei genauerem Studium würden wir entdecken, dass im Magnifikat Texte aus dem ganzen Alten Testament zitiert werden. Zum Beispiel klingt ganz direkt die Erfahrung von Hanna aus dem ersten Buch Samuel an. Sie war kinderlos, aber Gott erbarmte sich ihrer und sie gebar einen Sohn, den Propheten Samuel. Fast wortwörtlich wiederholt Maria die Dankesworte der Hanna. Auch Prophetentexte, Passagen aus den Psalmen und aus dem Buch Hiob zitiert der Lobgesang. Maria scheint die Bibel sehr gut gekannt zu haben. Aufgrund dieser Kenntnis der Schrift wurde Maria in der Kunstgeschichte oft beim Lesen der Bibel dargestellt. Das ist etwas ganz Außergewöhnliches, denn Frauen hatten damals kaum Bildungsmöglichkeiten und waren daher meist Analphabetinnen. Maria, das Mädchen aus Nazareth, dem Dorf am Rand der Welt, eine Schriftgelehrte! Was für eine gewagte, revolutionäre Darstellung!

Gott erhöht die Niedrigen. Das Mädchen aus Nazareth wurde die Mutter des Erlösers, und sie wird in den Himmel erhoben. Das feiern wir heute, am Fest Mariä Himmelfahrt. Mit Leib und Seele ist sie angekommen bei Gott, so bekennt es die Kirche. Wie kam es dazu? Wie hat sich diese Glaubensüberzeugung entwickelt? Das Neue Testament schweigt ja zu diesem Thema. Vom Tod Marias lesen wir nichts. Aber anscheinend war es für die Christen der ersten Jahrhunderte nicht vorstellbar, dass jener Leib, in dem der Erlöser menschliche Gestalt annahm, verwest. Jener Leib, der Jesus getragen, geboren und ernährt hat, wurde als besonders wertvoll angesehen. Daher die Legenden, die sich um die Entschlafung Marias bildeten. Daher der Glaube, dass nicht nur ihre Seele, sondern auch ihr Leib in den Himmel aufgenommen wurde. Ganz ist sie angekommen bei Gott, mit allem, was ihr Leben ausgemacht hat. So können wir auch sagen: Sie, die unversehrt von jeder Schuld und heilig war, gehört ganz in die himmlische Sphäre.

Aber - dass wir als Ganze ankommen bei Gott und dass wir letztlich heil werden, das ist nicht nur die Bestimmung Marias. Letztlich ist es die Bestimmung der ganzen Schöpfung Gottes. Denn Gott rettet das bedrohte Leben. Inmitten der Geburtswehen, der Gefahren und Schwierigkeiten des Lebens wirkt Gott sein Heil. Wir brauchen keinen Drachen zu fürchten, der uns verschlingen will, denn Gott steht auf der Seite der christlichen Gemeinde, so wird es im Text aus der Offenbarung des Johannes deutlich, den wir gehört haben. Gottes erlösende und heilende Liebe umfängt unser ganzes Leben und verwandelt es. Gott liebt seine ganze Schöpfung. Er liebt den ganzen Menschen, mit Seele und Leib.

Das heutige Fest ist also auch ein Anstoß zur Wertschätzung für den Leib, die Gesundheit, für die Natur. Es ist sehr treffend, dass sich an Mariä Himmelfahrt der Brauch der Kräutersegnungen entwickelt hat. Gott hat kein wertloses Unkraut geschaffen, das der Mensch vernichten muss. Was viele als Unkraut ansehen, ist sehr oft ein Heilkraut für bestimmte Beschwerden. Gott sei Dank entdecken heute wieder viele Menschen die Heilkraft der Natur und gehen wieder achtsamer mit der Schöpfung Gottes um. Mit Seele und Leib sind wir geschaffen, und wenn der Leib krank wird, läuft auch die Seele Gefahr, krank zu werden. Und wenn eine Frömmigkeit leibfeindlich ist, hat sie einen lebenszerstörenden Kern. Sie kann unmöglich christlich sein.

Wer wie Maria die Bibel liest, entdeckt einen Gott, der das ganze Leben bejaht und seine ganze Schöpfung liebt. Machen wir es wie Maria: Lesen wir die Bibel. Dann werden wir immer mehr erkennen, wie Gott die Niedrigen erhöht und seine ganze Schöpfung zum Heil führt. Wir werden angesteckt werden von seiner Liebe zur ganzen Schöpfung und den Weg zum Himmel finden.

P. Franz Helm SVD

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