34. Sonntag im Jahreskreis (C) - Christkönigssonntag (H)

Predigtimpuls

Jesus Christus relativiert jede Form von menschlicher Macht und führt zum wahren Leben!

1. Lesung: 2Sam 5,1-3;
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Kol 1,12-20
Evangelium: Lk 23,35-43
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Das politische Bewusstsein unserer Tage versperrt uns leicht den Zugang zu dem heutigen Fest. Wir hören den Titel „König“ und denken dabei an die längst vergangene Staatsform der Monarchie. Oder es fallen uns noch einige in Europa oder Übersee bestehende konstitutionelle Monarchien ein, die sich aber eher durch Skandale und Probleme auszeichnen als durch königliche Haltungen und Taten.

Mit dem Wort „König“ verbinden wir Macht und Herrschaft, Prunk und Reichtum. Wir denken dabei an den ganzen militärischen und politischen Apparat, den Könige in früheren Zeiten beansprucht haben, um ihre Herrschaft über Stämme und Völker auszuüben.

Ist die Einführung dieses Festes im Jahre 1924 nur eine verspätete theologische Anpassung an die durch den 1. Weltkrieg untergegangenen Monarchien? Ist die Einführung dieses Festes ein Ausdruck dafür, dass Kirche wieder einmal hinterherhinkt und erst dann etwas proklamiert, wenn es politisch und gesellschaftlich schon längst überholt ist?

Braucht Jesus Christus diesen Titel, um das Reich Gottes unter den Menschen sichtbar zu machen? Ist er auf eine mächtige und reiche Institution angewiesen, damit sein Evangelium die Menschen erreicht? Worin zeigt sich das Spezifikum seines Königtums?

Um das heutige Fest sinngemäß verstehen zu können, reicht es nicht aus, nur aus einer einseitig politischen oder historischen Perspektive den Titel „Christkönig“ zu befragen. Im Zentrum steht vielmehr die biblische und damit die theologische Aussage Jesu Christi. Es gilt daher, sein Verständnis von einem König, seine Vorstellung von Macht und Herrschaft deutlich zu machen, um so seine Aussageabsicht angemessen zu begreifen und seine inhaltliche Bestimmung besser zu verstehen.

Schon der römische Statthalter Pilatus stellt aus derselben verengten Sicht den Landsleuten Jesu die Frage: „Was für ein König ist er?“ Die Juden antworten darauf ebenso politisch, wie wir eben auch gefragt haben: „Wenn er kein Staatsverbrecher wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert!“ Dagegen stellt Jesus klar, was sein Königtum ist und was es nicht ist. Er ist als König in die Welt gekommen, nicht um seine Herrschaft, sondern die Herrschaft Gottes auszurufen und ihr Geltung zu verschaffen; aber nicht in Form von Krieg und Gewalt, nicht durch üble Machenschaften und Intrigen, sondern indem er für die „Wahrheit“ eintritt, die nach dem Johannesevangelium mit der Wirklichkeit Gottes identisch ist. Diese „Wahrheit“ hat Jesus ohne Wenn und Aber den Menschen seiner Zeit in seinem Leben erfahrbar gemacht. In dem Eintreten Jesu für diese Wahrheit in Gerechtigkeit, Liebe und Frieden bringt er zutiefst seine königliche Sendung und Berufung zum Ausdruck. Als der von Gott gesandte und gesalbte König setzt sich Jesus für eine Form von Machtausübung ein, die von Gott ihre Prägung erhält. Sein Königtum im Sinne seines Vaters wird deutlich in seinen Beziehungen zu den Menschen, besonders zu den Schwachen und Kleinen, den Machtlosen und Versagern, den großen wie den kleinen Sündern. Auch in seinem öffentlichen Auftreten in den Dörfern und Städten, in den Synagogen und im Tempel hinterfragt er die bestehenden Machtstrukturen und kritisiert die aufgebauten Hierarchien, die mit ihrer Macht oft unbarmherzig umgehen. In der konkreten Ausübung seines Königtums lebt Jesus den Menschen, nicht nur seiner Zeit, sondern aller Zeiten beispielhaft vor, wie alle Macht dem Heil der Menschen zu dienen hat. Seine theologische Bestimmung des Titels „König“ setzt sich somit kritisch mit allen großen und kleinen Königen und Machthabern auseinander, im Staat und in der Gesellschaft, in Kirche und Gemeinde, in der Familie, in Nachbarschaften und unter Freunden, überall dort, wo Menschen sich zusammenfinden und Macht ins Spiel kommt. Durch diese Art der Hinterfragung jeglicher Macht wirkt Jesus zugleich auch immer sozial und politisch. Als Mensch weiß Jesus um den Missbrauch von Macht. Denn menschliche Macht kann allzu oft in die Gefahr geraten, sich zu verselbständigen, eigenmächtig zu werden und zur Selbstherrlichkeit zu führen. Alle diese Formen von Macht und Herrschaft widersprechen der Wahrheit Gottes, seiner Herrschaft in Liebe, Gerechtigkeit und Frieden und verhindern so das Kommen seines Reiches.

Jesus Christus durchkreuzt so die Macht der Mächtigen und hinterfragt sie, ob sie wirklich der Wahrheit dienen, nämlich Gottes Liebe sichtbar machen und nicht ihre Machtpositionen zu ihrem Vorteil ausnutzen. Seine Form von Königtum fordert dazu heraus, Macht nicht zur Selbstprofilierung zu missbrauchen, sondern zum Wohl der anderen auszuüben. Dies geht nicht nur die großen Mächtigen etwas an, sondern auch die kleinen Mächtigen in Partnerschaft, in Familie, Freundschaft und Nachbarschaft, in der Gemeinde. Auch in den persönlichen Beziehungen einer Ehe und Freundschaft kommt es vielfach zu Machtmissbrauch, zu falschen Abhängigkeiten und damit zu Demütigungen und Unfreiheiten. Jesus geht es darum, durch seine Form von Königtum den Menschen Möglichkeiten eines wahren Lebens zu eröffnen, wo sie nicht machtpolitisch missbraucht werden, sondern die Fülle des Lebens erfahren.

Bei all seinem Einsatz für dieses Königtum musste Jesus aber auch Spott ertragen. Den bekommen auch alle anderen zu spüren, wenn sie gegen die realen Machthaber und ihren Missbrauch angehen und eine grundlegend andere Form von Königtum und Herrschaft propagieren. Alle, die ihm in diesem Sinne nachgefolgt sind und heute noch nachfolgen, werden aufgrund ihrer Einstellung zur Wahrheit und zur Menschlichkeit verlacht und verhöhnt. Durch sein Eintreten für die Wahrheit führt er aber alle, die sich zu seinem Königtum bekennen, zum wahren Leben.

Jesus Christus ist somit ein König, der quer zu aller menschlichen Macht steht und daher in Widerspruch zu den Mächtigen nicht nur zu seiner Zeit, sondern zu allen Zeiten geraten ist. In seinem Eintreten für die Kleinen und Machtlosen kam es soweit, dass er von den Mächtigen misshandelt und ans Kreuz geschlagen wurde. Trotz dieser scheinbaren Niederlage stieg er nicht vom Kreuz herab, er starb, um so den Missbrauch der Macht ein für alle Mal zu beenden. Er ist König nicht trotzdem, sondern gerade durch seine Bereitschaft der Hingabe für die Vielen, besonders für die, die ohnmächtig den Menschen ausgeliefert sind. Mit ihnen weiß er sich solidarisch verbunden.

Am Kreuz siegt letztlich nicht die Macht, sondern die Liebe Gottes, sie führt zum Leben, zu einem Leben in Fülle. Besonders deutlich wird dies bei dem Verbrecher, der mit ihm gekreuzigt wird. Er löst sich aus der Reihe der Spötter und weiß um den Ernst der Stunde, indem er Jesus bittet: „Herr, denke an mich!“ So sprechen die Beter in Israel seit Jahrhunderten und rufen in ihrer tiefsten Not zu Gott, dem einzig Wahren und Lebendigen. Der Verbrecher fügt hinzu „… wenn du in dein Reich kommst!“ Im Angesicht seines Todes und des Todes Jesu hat er verstanden, was Jesus mit seinem Reich und Königtum vermitteln wollte.

Wohl also in diesem Sinne, wo kein politisches Missverständnis mehr möglich ist, lässt Jesus sich als König anreden und spricht selbst als König, der Macht hat. Vor Pilatus hat er sein Königtum als Zeugnisgeben für die Wahrheit gedeutet, also für seinen Vater. Jetzt am Kreuz ist er der König, der alle Menschen an sich ziehen will, um sie vor der Macht der Sünde zu retten.

Diesen König zu feiern hat nichts mit monarchistischer Gesinnung zu tun. Dieses Fest stellt Jesus nicht in die schillernde Galerie von längst verstorbenen oder heute noch lebenden Königshäusern, die in dem Blätterwald der Illustrierten mit immer neuen Skandalen und Affären vermarktet werden.

Als Kirche und Gemeinde Christkönig feiern heißt, sich immer wieder an dem gelebten Königtum Jesu Christi auszurichten, seine eigene Macht in den vielfältigen Bereichen des Lebens von Gott her zu hinterfragen und sich von ihm her zu relativieren, um so dem wahren Leben auf der Spur zu bleiben.

 

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Kochanek verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1997; S. 44-47]


P. Dr. Hermann Kochanek SVD (+)

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